Gegen den Theater- und Filmregisseur Kirill Serebrennikow und seine Kollegen wurde seit Sommer 2017 ermittelt. Serebrennikow habe Fördergelder in Millionenhöhe eingestrichen, ohne dafür Aufführungen anzubieten, so der Vorwurf. Das brachte den Regisseur 2018 einen eineinhalbjährigen Hausarrest ein. Nun hat ein russisches Gericht Serebrennikow in einem neuen Verfahren schuldig gesprochen und zu drei Jahren verurteilt. Die Strafe wurde aber auf Bewährung ausgesetzt.
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Gespräch mit ARD-Korrespondentin zum Urteil Serebrennikow
Russlands bekanntester Filme- und Theatermacher Kirill Serebrennikow muss nicht in Haft. Es sei nicht nötig, ihn von der Gesellschaft zu isolieren, sagte die Richterin Olessja Mendelejewa am Freitag der Agentur Interfax zufolge. Allerdings dürfe er nicht weiter als Theaterdirektor arbeiten. Am Vormittag wurde Serebrennikow bereits wegen Veruntreuung staatlicher Fördergelder schuldig gesprochen. Es handele sich um 129 Millionen Rubel (1,6 Millionen Euro). Das Geld sollen Serebrennikow und sein Team nun in die Staatskasse zurückzahlen.
Serebrennikow hat angekündigt, gegen seine Verurteilung wegen Betrugs zu kämpfen. Er sei nicht zufrieden mit dem Urteil, sagte er am Freitag laut der Agentur Interfax, als er den Gerichtssaal verließ. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig, betonte auch Serebrennikows Verteidiger Dmitri Charitonow. Er wolle dagegen Einspruch einlegen.
Vor dem Gerichtsgebäude in Moskau empfingen viele Schauspieler, Sänger und Kulturschaffende den Regisseur mit Beifall. Einige trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Free Kirill!". Das insgesamt dreijährige Verfahren gegen den auch in Deutschland bekannten Künstler gilt als Schauprozess gegen die liberale Kunstszene in Russland. Hunderte Menschen hatten im Vorfeld in Moskau gegen das Urteil protestiert, trotz des Demonstrationsverbots wegen der Corona-Pandemie. Als Richterin Mendelejewa das Urteil verkündete, waren die Unterstützer Serebrennikows sehr erleichtert.
Mit Serebrennikow standen auch seine drei Kollegen Sofja Apfelbaum, Alexej Malobrodski und Juri Itin vor Gericht. Malobrodski und Itin wurden ebenfalls verurteilt, Apfelbaum wurde freigesprochen. Der Gruppe wurde vorgeworfen, einen kriminellen Plan zur eigenen Bereicherung gegründet zu haben. Am Montag hatten die russischen Staatsanwälte sechs Jahre Haft für Serebrennikow gefordert.
Richterin Mendelejewa begründete den Schuldspruch mit den Aussagen von Serebrennikows Buchhalterin Nina Masljajewa, die die künstlerische Leitung belastet hatte. Serebrennikow hatte bis zuletzt seine Unschuld beteuert. Zugleich räumte er ein, dass die Buchhaltung seines Theaters schrecklich organisiert gewesen sei. Er verstehe aber selbst nichts von Buchhaltung und Finanzen, deshalb gebe es Experten.
Kirill Serebrennikow leitet in Moskau das populäre Theater Gogol-Zentrum. Er inszenierte aber auch in Berlin, Stuttgart und Hamburg - oft in Abwesenheit, weil er in Hausarrest saß und auch nach seiner Freilassung im vergangenen Jahr nicht reisen durfte. Ob er nun wieder ins Ausland reisen darf, ist noch unklar.
Viele internationale Stars und Prominente hatten sich während des Prozesses für den Künstler eingesetzt, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die deutsche Theaterszene hatte heute vor der russischen Botschaft in Berlin gegen die Verurteilung protestiert.
Demonstranten in Berlin halten ein Transparent mit der Aufschrift "Free Kirill" vor der russischen Botschaft Unter den Linden. | Bildquelle: Annette Riedl/dpa Im russischen Staatsfernsehen habe die Verurteilung dagegen kaum eine Rolle gespielt, so ARD-Korrespondentin Christina Nagel im Interview mit BR-KLASSIK. Der Politologe Leonid Gosman sprach in einer Videoschalte der Internetplattform des Radiosenders Echo Moskwy von einem "echten Hass" des Machtapparats gegen Serebrennikow. "Das ist ein Regime, das gegen alles Lebendige, gegen alles Talentierte ist."
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Agentur Interfax zufolge, dass anhand dieses Falls analysiert werden müsse, wie sich die staatliche Finanzierung der Kultur in Russland gestalte. Verbreitet ist in der russischen Politik die Meinung, dass derjenige, der das Geld gibt, auch bestimmt, was gespielt wird. Deswegen bezeichneten es einige Kulturschaffende in Russland auch als Fehler, dass Serebrennikow überhaupt vom Staat Geld angenommen habe.
Sendung: "Leporello" am 26. Juni 2020 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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