Machtmissbrauch, illegale Beschäftigung, sexuelle Übergriffe - die Vorwürfe sind zahlreich, die gegen die Festspielleitung und den Dirigenten Gustav Kuhn erhoben werden. Christine Baur soll als Ombudsfrau Betroffenen als Ansprechpartnerin dienen, doch ihre Unabhängigkeit wird in Frage gestellt. Im Interview mit BR-KLASSIK erklärt sie, wie sie selbst ihre Position bewertet.
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Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Frau Baur, Sie sind bei den Tiroler Festspielen Erl als Ombudsfrau bestellt. Was sind denn Ihre Aufgaben?
Christine Baur: Ich wurde am 1. April als Ombudsfrau bestellt; meine Aufgaben sind dergestalt festgelegt, dass ich Ansprechpartnerin für Menschen bin, die sich innerhalb der Organisation Tiroler Festspiele Erl schlecht behandelt, diskriminiert oder eben ungerecht behandelt fühlen.
BR-KLASSIK: Wir haben inzwischen Anfang September. Welche Erfahrungen haben Sie denn als Ombudsfrau in der Zwischenzeit gemacht?
Christine Baur: Dazu muss ich vorausschicken: Ich bin zehn Jahre lang Gleichbehandlungs-Anwältin gewesen und habe mich sehr viel mit dem Thema Miteinander in Betrieben, in Organisationen und auch Miteinander von Männern und Frauen beschäftigt. Und wenn Menschen miteinander arbeiten, dann gibt es immer auch Konflikte. Aufgrund dieser Konflikte ist meine Erfahrung, dass ich eben auch in den letzten Monaten schon in unterschiedlicher Weise angefragt worden bin. Und natürlich von allen Seiten, sowohl von der Arbeitgeberseite: "Was ist das jetzt, was heißt es eigentlich, wann kann man sich an Sie wenden, was sind meine Pflichten?", als auch von Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wo es um ganz andere Dinge als zum Beispiel jetzt sexuelle Übergriffe gegangen ist.
BR-KLASSIK: Das heißt, es haben sich Menschen bei Ihnen gemeldet, die über Fehlverhalten geklagt haben?
Christine Baur: Es haben sich Menschen bei mir gemeldet, die Wahrnehmungen über Verhalten weitergegeben haben. Es haben sich auch Menschen gemeldet, die gesagt haben, dass es sehr schön ist, bei den Tiroler Festspielen zu arbeiten und dass es, wie in einem Kulturbetrieb üblich, auch sehr menschlich zugeht, also es sind unterschiedlichste Meldungen bei mir eingetroffen.
Es gibt von verschiedenen Seiten Vorbehalte mir oder zumindest meiner Funktion gegenüber.
BR-KLASSIK: Wenn man Zeitungsberichten Glauben schenken darf, dann haben sich die fünf Künstlerinnen, die mit einem offenen Brief Ende Juli an die Öffentlichkeit gegangen sind, nicht bei Ihnen gemeldet. Stimmt das? Und wenn ja: Wie erklären Sie sich diesen Sachverhalt?
Christine Baur: Mit einer von den Fünfen habe ich schon länger Kontakt gehabt. Die anderen vier haben sich nicht bei mir gemeldet. Meine Erklärung ist, dass es seitens unterschiedlicher Organisationen Vorbehalte mir oder zumindest meiner Funktion gegenüber gibt, die damit begründet werden, dass ich seitens der Organisation Tiroler Festspiele Erl auch bezahlt werde. Ich rechne meine Stunden ab, bin dort nicht fix angestellt. Meine Objektivität oder auch meine Unabhängigkeit wird in Frage gestellt. Das ist ein Phänomen, das ich sehr gut kenne: Vorverurteilungen oder Vorurteile gibt es immer auf beiden Seiten von Konflikten.
Es ist eine Frage, wie sehr es überhaupt gelingt, Vertrauen aufzubauen.
BR-KLASSIK: Nun ist das ja eine Tatsache, dass Sie tatsächlich für ihre Tätigkeit bezahlt werden. Und insofern ist es ja im Sinne der Compliance durchaus nachvollziehbar, dass Menschen dann ihre Unabhängigkeit in Frage stellen. Was sagen Sie dazu?
Christine Baur: Ich sehe das überhaupt nicht so. Dann müsste man ja jedem Betriebsrat, jedem Sicherheitsbeauftragten, überhaupt jeder Vertrauensperson von vornherein das Vertrauen absprechen, weil diese Personen immer ein Teil der Organisation sind. Insofern ist es schon auch eine Frage, wie sehr es überhaupt gelingt, Vertrauen aufzubauen oder wie sehr es Fakt ist, dass dieses Vertrauen gar nicht aufgebaut werden kann. Ich bin ja weisungsfrei gestellt, und die Tatsache, dass man auch Geld dafür bekommt, dass man Arbeit macht in einer Organisation, reicht allein nicht aus, um die Compliance in Frage zu stellen.
BR-KLASSIK: Nun kümmert sich ab sofort eine staatliche Gleichbehandlungskommission um dieses Thema und geht den Vorwürfen zu sexuellen Übergriffen nach. Aber wie lassen sich solche Dinge eigentlich nachträglich aufrollen, wenn es wohl in den seltensten Fällen Beweise oder Zeugen gibt?
Christine Baur, Ombudsfrau bei den Festspielen Erl | Bildquelle: picture-alliance/dpa Christine Baur: Die Gleichbehandlungskommission beim Bundeskanzleramt ist durch das Gleichbehandlungsgesetz eingeräumt oder eingerichtet worden. Es gibt sie schon sehr lange, weil man weiß, dass es schwierig ist, Diskriminierungs-Tatbestände – gerade in Bezug auf das Verhältnis von Männern zu Frauen – vor Gericht auszufechten und auch zu beweisen. Die Kommission hat sehr viel Erfahrung mit dem Thema Diskriminierung und ich kann aus meiner eigenen Tätigkeit berichten, dass es schon möglich ist und auch oft erstaunlich klar gesagt wird, welche Handlungen jemand setzt. Es geht auch oft darum, wie die dann jeweils von der anderen Seite interpretiert werden. Und es gibt ja im Gleichbehandlungsgesetz aufgrund des europäischen Rechts – man nennt das: Beweislastumkehr. Das ist jetzt nicht exakt, aber zumindest ist es so, dass wenn man die Diskriminierung glaubhaft macht, dann muss die Gegenseite auch glaubhaft machen, dass sie nicht stattgefunden hat.
BR-KLASSIK: Aber wie kann das geschehen?
Christine Baur: Indem Sie dem Senat erzählen, was passiert ist. Und die Gegenseite das Gleiche tut. Wie es bei jeder richterlichen Beweisführung so ist, sagt dann irgendwann einmal der oder die Entscheidende: Diesem oder dieser glaube ich mehr oder weniger.
BR-KLASSIK: Der Festspielpräsident Hans-Peter Haselsteiner hat sich bei der Eröffnung der Festspiele ja fast noch mit Häme geäußert, als es darum ging, Herr Kuhn sei immer noch der Alte und er liebe Wein, Weib und Gesang. Wie hat Sie das denn berührt? Sie haben ja auch in dieser Veranstaltung gesessen.
Christine Baur: Ich war bei der Eröffnung dabei. Ich denke mal, dazu möchte ich jetzt eigentlich gar nichts sagen. Wir werden sehen, was die Kommission dazu zu sagen hat.
Sendung: "Leporello" am 04. September 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.
Kommentare (3)
Donnerstag, 06.September, 15:48 Uhr
B.S.
Rücktritt von diesem Job wäre besser!
Falsche Person am falschen Platz - das war das erste was mir zu diesem Interview eingefallen ist.
Dass Hr. Haselsteiner schon seit Jahren mit der Tiroler Landesregierung Geschäfte macht, ist kein Geheimnis. Jetzt eine solche Altpolitikerin wie Frau Baur für so eine sensible Stelle zu beauftragen, spricht Bände.
Mit Geld lässt sich scheinbar allerlei kaufen.
B.S.
Donnerstag, 06.September, 11:52 Uhr
Christian Sist
PR Aktion
Leider würden nichtmal 20.000 Zeichen ausreichen, um die von Dr. Baur geäußerten Aussagen mit Fakten zu widerlegen.
Nur zwei Dinge:
1. Eine Ombudsfrau, die ja Betroffene schützen soll, jedoch keinen Kommenrar zu der „Wein, Weib und Gesang“ Aussage von HPH machen will, ist nicht unabhängig.
2. Wir haben, ohne das Einverständnis der Betroffenen, eine E-Mail dieser an Dr. Baur von Dr. Baur weitergeleitet bekommen. Dies sagt wohl alles Notwendige zur Professionalität der Ombudsfrau aus.
Das Argument, dass es eben quasi „menschelt“ und man dann wohl die ganze Sache nicht so eng sehen sollte, ist dann wohl der letzte Beweis für die nicht vorhandene Qualifikation.
Dr. Baur, ist keine unabhängige Stelle. Wir können niemanden empfehlen, sich dorthin zu wenden.
Christian Sist
Vorstandsvorsitzender Artbutfair Österreich
Mittwoch, 05.September, 22:45 Uhr
Jech
Befangene Ombudsfrau
Frau Baur war Grüne Politikerin in Tirol und bekam keinen Posten mehr, jetzt hat sie der Herr Haselsteiner zur Aufklärung der Vorgänge geholt = Greenwasching
Gleichzeitig wurde ihre enge Mitarbeiterin Frau Müllauer kaufmännische Leiterin der Festspiele.
https://www.tiroler-festspiele.at/organisationsstruktur
Kaufmännische Direktorin: MMag. Natascha Müllauer
Das Vertrauen der Opfer in die Funktion der Frau Baur ist sehr beschränkt wenn überhaupt gegeben - was soll da rauskommen.
WB