Der weltberühmte Tölzer Knabenchor bekommt einen neuen künstlerischen Leiter. Mit der Spielzeit 2021/22 tritt Michael Hofstetter an die Seite des bisherigen Leiters Christian Fliegner. Für die Zukunft hat "der Neue" viele Visionen, doch zunächst müssen die beiden wegen Corona erst einmal Aufräumarbeit leisten.
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Für die Tölzer Knaben ist Michael Hofstetter kein neues Gesicht: Seit fast 20 Jahren arbeitet der Dirigent und Spezialist für authentische Aufführungspraxis regelmäßig bei Chorprojekten mit. Sein großes pädagogisches Geschick und "super Draht zu den Kindern" schätzt die Geschäftsführerin Barbara Schmidt-Gaden sehr. So hat sich der Übergang zum künstlerischen Leiter des Chores ganz natürlich ergeben. "Das hat sich im Gespräch ganz geschmeidig und von selber gefügt, wir hatten beide Lust darauf", sagte Hofstetter im Interview mit BR-KLASSIK.
Alpenländische Volksmusik ist ein Markenzeichen des Tölzer Knabenchores. | Bildquelle: pa/dpa/Stephanie Pilick
Seit März stand der Knabenchor unter alleiniger Leitung von Christian Fliegner, künftig soll nun der Ausbildungsbereich vom Konzertbereich getrennt werden. Während sich Christian Fliegner weiterhin um die Ausbildung der Knaben kümmert, übernimmt Michael Hofstetter die Leitung des Konzertchores. Das sei praktischer und effektiver, meint er. Nach wie vor werden die verschiedenen Bereiche jedoch eng miteinander verbunden sein: "Die Ausbildung der Kinder in dieser unfassbar professionellen Form ist die Grundlage dafür, dass der Konzertchor in dieser gewohnten Brillanz auf Weltniveau auftreten kann", so Hofstetter.
Doch noch ist der Chor nach der Pandemie nicht wieder auf diesem Weltniveau angelangt. Da die Tölzer – anders als zum Beispiel die Wiener Sängerknaben – als Laienchor eingestuft wurden, durften sie über den Lockdown hinweg weder proben noch CDs aufnehmen. Auch die Nachfrage hat unter der Pandemie gelitten: Statt den üblichen hundert Bewerbungen für die Nachwuchsklassen gab es in diesem Jahr nur 18. Sorgen bereitet Michael Hofstetter dieser drastische Rückgang der Zahlen aber nicht: "Wir haben durch die Pandemie jetzt plötzlich ein Bewerbungsthema, das wir bearbeiten müssen. Doch dieser Chor hat normalerweise überhaupt keine Nachwuchsprobleme", erklärt er gegenüber BR-KLASSIK.
Wir haben in den Chorproben gemerkt, dass die Kinder mit einer solchen Begeisterung beim Singen sind, dass diese Begeisterung sehr schnell die alte Qualität wieder erzeugt.
Für die Zukunft wünscht sich Michael Hofstetter, dass der in München ansässige Tölzer Knabenchor wieder alle sechs Bach-Motetten in sein Repertoire aufnimmt. Diese seien ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, aufgeführt "genau so, wie es bei Bach war". Auch für die alpenländische Volksmusik, ein weiteres Markenzeichen der Tölzer, schlage sein Herz: "Ich bin mit Familiendreigesang aufgewachsen", erzählt Hofstetter, der selbst aus München stammt.
Eine Zulassung von Mädchen im Chor wie bei den Regensburger Domspatzen plant Michael Hofstetter in absehbarer Zeit nicht: "Wir
selber haben einfach im Moment nicht diese Kapazität, das zu tun." In München gibt es zwar auch reine Mädchenchöre, wie etwa die Mädchenkantorei am Dom. Ein anderer, der "Münchner Mädchenchor", ist jedoch der Pandemie zum Opfer gefallen. Hofstetter hofft, dass er sich wieder erholt: "Es wäre wertvoll, denn eigentlich möchte man den Kindern und Jugendlichen ein möglichst breites Spektrum anbieten können."
Sendung: "Leporello" am 30. Juni 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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