Das Augsburger Stadttheater ist bekanntlich geschlossen, und doch ist es bei der ersten Opernpremiere der Spielzeit auf der breiten Bühne der nüchternen Schwabenhalle präsent: Regisseur und Bühnenbildner Nigel Lowery lässt die Umrisse des sanierungsbedürftigen Theaters in fahlem weiß auf dem Bühnenhintergrund erscheinen.
Bildquelle: A.T. Schaefer
Kritik
"Tosca" am Stadttheater Augsburg
Im Vordergrund der breiten Bühne der nüchternen Schwabenhalle hängen schwarze Stoffbahnen und ein Gazevorhang. Keine prunkvolle Kirche, kein römischer Palazzo und auch keine Engelsburg. Es gibt nur Theater! Ein kleiner Faun reicht Cavaradossi die Pinsel, aber er malt nur virtuell an seiner blauäugigen Schönheit. Eine Albtraum-Atmosphäre ist das, in die alle Protagonisten hineingeraten. Diese Tosca spielt außerhalb von Zeit und Raum, ist allerdings getragen vom wunderbaren Orchesterklang der Augsburger Philharmoniker, die gut sichtbar unter Domonkos Hejas fein abgestimmtem Dirigat in den widrigen räumlichen Bedingungen Magisches vollbringen.
"Tosca" ist eine der beliebtesten und bekanntesten Opern des italienischen Verismo-Repertoires. Sie spielt in Rom um 1800, die Anhänger Napoleons stehen den Königstreuen gegenüber, mittendrin ein Künstlerpaar: Der Maler Mario Cavaradossi und die Opernsängerin Floria Tosca.
Bereits vor ihrem ersten Auftritt im wallenden weißen Nachtgewand erscheint Floria Tosca als kitschige Traumsequenz auf dem Gazevorhang projiziert. Sally du Randt spielt die heißblütige Sängerin in diesem verkopften Regiekonzept naturgegeben eher distanziert, geht aber mit strahlenden Spitzentönen und einer unendlich zarten und tief berührenden "Vissi d'arte" Arie ans Herz. Auch Ji-Woon Kim als Cavaradossi und Werner van Mechelens Scarpia bleiben szenisch etwas unterkühlt, füllen aber sängerisch ihre Partien voll aus.
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Drei kleine Podeste symbolisieren die Bühne, den Ort der Daseinsberechtigung dieser drei Figuren. Mit ihrem Tod werden diese Podeste gnadenlos von zwei Bühnenarbeitern weggetragen. Scarpia kehrt sogar als verzweifelt suchender Geist im dritten Akt zurück. Im vorzüglich agierenden Augsburger Chor stehen sich graue Bürokraten und kostümiertes Theatervolk gegenüber. Mozart, antikes Drama und Bühnengestalten mahnen vor dem Umriss des Theaterbaus und scheinen zu fragen wie Tosca: Womit habe ich das verdient?
Die Kunst versucht, sich gegen ihre Vernichtung zu wehren. Das ist auch pathetisch, aber genauso extrem und wahr wie die Handlung der Oper, die man trotz ihrer Popularität so sicherlich noch nie gesehen hat wie jetzt in Augsburg.