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Kritik – "La forza del destino" in Frankfurt Black Lives Matter

Du hast keine Chance, aber nutze sie, scheint die Ouvertüre zu sagen: Gegen das Schicksal kommt keiner an! Aber was ist das überhaupt, Schicksal? Rassismus zum Beispiel, sagte sich der Regisseur Tobias Kratzer, diese unheilvolle Mischung aus Dummheit, Hass und Gewalt, die einfach nicht tot zu kriegen ist. Ungemein gedankenreich, spannend und bildstark machte Kratzer an der Oper Frankfurt aus Verdis "Macht des Schicksals" einen so packenden wie beklemmenden Rundgang durch 150 Jahre US-Geschichte.

Auf der Bühne Michelle Bradley (Donna Leonora) sowie im Film Thesele Kemane (Don Alvaro)  | Bildquelle: Monika Rittershaus - Oper Frankfurt

Bildquelle: Monika Rittershaus - Oper Frankfurt

Dabei ging es von Sklaverei und Bürgerkrieg über Ku-Klux-Clan und Südstaaten-Fundamentalismus bis hin zum Vietnamkrieg, zu Obamas Präsidentschaft und zur Gegenwart, die einmal mehr geprägt ist von Rassenunruhen, Polizeigewalt und dem Demonstrations-Schlachtruf "Black Lives Matter": Das Leben von Schwarzen ist genauso viel wert wie das von Weißen.

Echte Vietnamesen und Russisch Roulette

Klar, dass da auch provokante und fragwürdige Bilder dabei waren: Die Oper hatte, wie es im Programmheft heißt, "echte" Vietnamesen als Statisten angeheuert, um das Grauen des Krieges zu illustrieren. Einer von ihnen wird Opfer einer Kugel beim Russisch-Roulette, erschossen von einem farbigen GI. In einer Pantomime wird gezeigt, wie Richard Nixon eine Asiatin bedrängt, die Soldaten spritzen sich Heroin in die Venen, darüber knattern die Helikopter. Am Ende knallt ein Polizist einen nur vermeintlich schuldigen Schwarzen ab und legt der Leiche den Revolver in die Hand. Soll ja tatsächlich vorgekommen sein, diese Art Beweis-Klitterung. Geschickt verdoppelt Tobias Kratzer anfangs die Handlung: Während auf der Opernbühne weiße Sänger agieren, ist hinter ihnen auf einer Leinwand dieselbe Handlung in anderer Besetzung zu sehen, mit Schauspielern, darunter auch Farbige, ein Hausmädchen, ein Sklave, das erinnerte optisch an "Vom Winde verweht", sollte aber deutlich machen, dass natürlich auch Theater Probleme haben mit der "Macht des Schicksals": Farbige Sänger jedenfalls sind immer noch selten.

Die Obamas als Maskottchen bei der "Tafel"

Dietrich Volle (Ein Alkalde; stehend mit Bierkrug) und Christopher Maltman (Don Carlo di Vargas; in schwarzem Mantel und roter Weste mit Doktorhut) sowie Chor und Extrachor der Oper Frankfurt | Bildquelle: Monika Rittershaus - Oper Frankfurt "La forza del destino" in Frankfurt - Szenenfoto | Bildquelle: Monika Rittershaus - Oper Frankfurt Ausstatter Rainer Sellmaier hatte starke Bildideen: Eisig und steril sein Südstaaten-Kloster mit lauter Pullunder tragenden, perfekt gescheitelten Grusel-Insassen, grellbunt seine Soldatenkneipe, in der alle auf eine Pappfigur von Sklavenbefreier Abraham Lincoln schießen, klobige Masken und überdimensionale Schlapphüte tragen und somit aussehen wie einstmals "Bill Bo und seine Bande" in der Augsburger Puppenkiste. Über dreieinhalb Stunden fasziniert dieser umstrittene Abend, der am Ende vom Publikum mit vielen Protestrufen, aber auch Beifall quittiert wurde. Gerade weil viele Fragen offen blieben, erschien das Regiekonzept plausibel: Warum wurde nicht Rassismus in Deutschland zum Thema gemacht? Warum mussten die Obamas als Schaufenster-Puppen quasi die Maskottchen bei einer Essensausgabe für Arme, einer "Tafel", spielen? War dieser Präsident wirklich so ein Samariter, oder sollte das Satire sein? Wunderbar, wenn ein Opernabend so fesselnd ist und soviel Diskussionsstoff bietet.

Ehern, wie das Schicksal ist

Nicht von ungefähr gilt Tobias Kratzer derzeit als einer der gefragtesten Regisseure, im Sommer inszeniert er bei den Bayreuther Festspielen Wagners "Tannhäuser". Auch stimmlich war es ein fulminanter Abend. Der armenische Tenor Hovhannes Ayvazyan war ein kraftvoller Don Alvaro, Christopher Maltman als Gegenspieler Don Carlo di Vargas von intensiver Präsenz, Michelle Bradley eine innige, wenn auch schauspielerisch etwas zurückhaltende Donna Leonora. Der Chor, der etliche Kostüm- und Maskenwechsel zu bewältigen hatte, war mit großem Engagement bei der Sache, der italienische Dirigent Jader Bignamini befeuerte das Ganze so glutvoll wie ideenreich. Nichts klang pauschal oder oberflächlich, sondern mitunter ehern, wie das Schicksal nun mal ist.

Mehr zum Stück

Giuseppe Verdi:
"La forza del destino" ("Die Macht des Schicksals")
Oper in vier Akten

Oper Frankfurt
Premiere: 27. Januar 2019

Regie: Tobias Kratzer
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Leitung: Jader Bignamini

Mehr zu Terminen und Besetzung erfahren Sie auf der Homepage des Theaters.

Sendung: "Leporello" am 28. Januar 2019, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Mittwoch, 30.Januar, 19:00 Uhr

Dieter

Schmidt

Es gab aber auch tausende Buhrufe in Bezug auf die Regie in der Premiere

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