Ganz viel Leere und ein scharfer Schwarz-Weiß-Kontrast dominieren bei Katharina Thomas' Inszenierung von Richard Wagners buddhistisch inspiriertem Musikdrama. Am 19. Januar hatte "Tristan und Isolde" an der Oper Frankfurt Premiere. BR-KLASSIK war dabei.
Bildquelle: © Barbara Aumüller
Wer im Tretboot in Seenot geraten will, der muss sich ja nur den gleichnamigen Schlager anhören. Im Ruderboot in Seelen-Not zu geraten dauerte an der Oper Frankfurt dagegen etwas länger, genauer gesagt knapp fünf Stunden, aber dafür endet die Reise auch nicht nur im Abendrot, wie bei Fräulein Menke, sondern im Nirwana, bekanntlich das buddhistische Paradies. Dort zu ertrinken, zu versinken, das war für Richard Wagner höchste Lust, und in "Tristan und Isolde" hat er sozusagen seine Vorfreude darauf komponiert.
Vincent Wolfsteiner (Tristan) und Christoph Pohl (Kurwenal) | Bildquelle: © Barbara Aumüller Gar nicht so einfach, für so viel Philosophie passende Bilder zu finden, eigentlich sogar unmöglich, und so setzten Regisseurin Katharina Thoma und ihr Ausstatter Johannes Leiacker auf größtmögliche Leere – ins Nirwana gehen ja nicht mal Leidenschaften rein, eigentlich gar keine menschlichen Bedürfnisse, außer Sehnsucht nach dem Verlöschen. Dafür steht sinnbildlich ein strahlend weißer Raum, rundherum beleuchtet von Neonröhren. Darin eine schwarze Fläche, Symbol der Nacht, der Finsternis, der Auflösung, des Scheiterns.
Das erwähnte Ruderboot liegt in allen drei Aufzügen bereit, aber wozu? Zur Fahrt ins Nichts, wie am Ende deutlich wird. Bühnenbildner Johannes Leiacker bediente sich dabei beim berühmten Gemälde des Romantikers Caspar David Friedrich, "Das Eismeer": Dort zerschellt bekanntlich ein Forschungsschiff im Packeis, dramatisch türmen sich die Eisschollen, zerquetschen Takelage und Planken, längst eines der augenfälligsten und ganz nebenbei auch deutschesten aller Bilder der Vergeblichkeit.
Leider wurde das Gemälde schon so oft von Ausstattern zitiert, dass die Idee nun wirklich nicht mehr originell ist. Und das galt letztlich für die Gesamtausstattung dieser Inszenierung. Alles weglassen ist eben noch kein schlüssiges Konzept, und die wenigen Ausrufezeichen, die dann in den Raum gestellt werden, müssten im Idealfall so aufwühlend, so erschütternd sein, dass sie "Tristan und Isolde" über fünf Stunden tragen. Katharina Thoma hat dieses Regieglück nicht. Immerhin, die schwankende schwarze Fläche am Anfang, halb Schiffsdeck, halb Totenfloß, machte was her.
Rachel Nicholls (Isolde) und Claudia Mahnke (Brangäne) | Bildquelle: © Barbara Aumüller Doch Irina Bartels hatte dermaßen hässliche Kostüme entworfen, dass sie ständig von den wenigen Stärken dieser Inszenierung ablenkten. So musste Isolde in einer Art Daunen-Schlafsack auftreten und später in einer Robe wie vom Abi-Ball Hof halten. Das sollte sie wohl jugendlich aussehen lassen, war aber nur peinlich, ebenso wie der Bowler-Hut von König Marke und die Käppis und Parkas einer wohl britischen Jagdgesellschaft. Stimmt, die Oper spielt teilweise in Cornwall, aber das ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Rosamunde Pilcher. Und als Satire war das alles zu viel zu harmlos. Das gilt übrigens auch für die vielen Whisky-Flaschen, die Katharina Thoma auffahren ließ: Tristan und Isolde lassen sich bei ihr volllaufen, statt am Zaubertrank zu nippen. Auch eine Art Nirwana, allerdings eines, in das immerhin noch Kopfschmerzen reinpassen, also kein streng buddhistisches.
Dirigent Sebastian Weigle ging recht forsch und flott an die Arbeit, fast schon hemdsärmelig. Statt im Detail die philosophischen Abgründe auszuloten und sich dafür die nötige Zeit zu lassen, setzte er auf einen straffen Zugriff, ohne dabei freilich jemals effekthascherisch zu werden. Ein metaphysisches Hör-Abenteuer war es somit nicht, aber dafür überraschend unterhaltsam, textverständlich und bühnentauglich.
Rachel Nicholls (Isolde) und Vincent Wolfsteiner (Tristan) | Bildquelle: © Barbara Aumüller Gefeiert wurde Tenor Vincent Wolfsteiner als Tristan für seine beeindruckende konditionelle Leistung über alle drei Aufzüge hinweg. Als Schauspieler hätte er noch eine Spur leidenschaftlicher sein können, stimmlich und bei der Artikulationsgenauigkeit blieben keine Wünsche offen. Sehr überzeugend auch Andreas Bauer Kanabas als König Marke und Claudia Mahnke als Brangäne, beide verschluckten nicht eine Silbe. Für die britische Sopranistin Rachel Nicholls als Isolde galt das nicht: Kaum ein Wort von ihr war verständlich, ihre Stimme wirkte durchgehend überanstrengt, verhärtet und nervös. Den warmströmenden, "mild und leise" klingenden Ausdruck ließ sie völlig vermissen. Insofern ein durchwachsener Opernabend in Frankfurt, aber Buddhisten wissen natürlich: Nirwana ist das Schwerste.
Sendung: "Leporello" am 20. Januar 2020 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Informationen zu Terminen, Besetzung und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage der Oper Frankfurt.
Kommentare (1)
Montag, 20.Januar, 20:38 Uhr
T.M.
Tristan-Premiere in Frankfurt
Eine übellaunige Rezension, die dem großen Opernabend nicht gerecht wird. Es mus einem nicht alles gefallen haben, man fragt sich aber schon, was der Rezensent da 5 Stunden gesehen und vor allem gehört hat. Der SWR urteilt fairer und ausgewogener. Unbedingt sehens- und v.a. hörenswert!