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Kommentar: Eine Frage der Interpretation Warum Mozart so empfindlich ist

Liebe macht verletzlich. Das gilt auch für die Musik. Wenn man einen bestimmten Komponisten ganz besonders mag, ist man auch besonders empfindlich gegen Interpretationen, die man nicht mag. Und vielleicht sind auch manche Komponisten empfindlicher als andere. Mozart zum Beispiel. Unter Musikern gibt's das Sprichwort: "Mozart ist zu leicht für Kinder und zu schwer für Erwachsene." Was ist damit gemeint? Und warum ist das so?

Wolfgang Amadeus Mozart | Bildquelle: picture-alliance/dpa Montage: BR

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Ich muss Ihnen etwas gestehen: Ich habe ein Problem mit Mozart. Nichts gegen seine Musik! Die kann unglaublich glücklich machen. Aber sie tut es dann doch zu selten – leider. Jedenfalls gemessen an den unglaublichen Glücksgefühlen, die diese Musik auslösen könnte - wenn sie nur so gespielt würde, wie sie gespielt werden müsste. Sie merken schon: Ich liebe Mozarts Musik nicht zu wenig, sondern zu viel. Er ist selbstverständlich, und bitte fangen Sie jetzt keine Diskussion an, der Allergrößte. Aber da liegt auch mein Problem: Ständig bin ich unzufrieden mit der Interpretation. Seine Musik ist so oft so viel besser, als sie gespielt wird. Und das Seltsame ist: Mit Bach geht es mir nicht so.

Auf das 'WIE' kommt es an

Klar, auch bei Bach bin ich enttäuscht, wenn ich finde, dass er zu langsam, zu lieblos oder zu langweilig gespielt wird. Aber ich leide nicht so. Wenn ich finde, dass Mozart schlecht gespielt wird, werde ich ganz nervös. Bach im halben Tempo und mit fettem Klang? Unschön, aber eigentlich fast eher komisch als wirklich schlimm. Jedenfalls noch lange kein Grund, die gute Laune zu verlieren. Bachs Musik ist schwer kaputt zu kriegen. Vielleicht liegt das daran, dass Bachs Musik – verglichen mit Mozart – relativ komplex ist. Mozart ist so viel durchsichtiger. Es sind oft scheinbar ganz einfache Melodien, bei denen aber jede Note unendlich viel sagt. Da kommt es viel mehr auf das "Wie" an.

Nicht zufällig sind Bach-Bearbeitungen so beliebt. Ob mit romantischem Riesenorchester oder historischen Instrumenten, ob mit Saxophon, Synthesizer oder singender Säge: Bach bleibt Bach, eine Fuge bleibt eine Fuge. Die Struktur hält. Aber Mozart? Lasst mir bloß die Finger davon – da gibt's nix zu bearbeiten.

Zwischen den Zeilen lesen

Nur eines ist bei Mozart noch schlimmer, als von den Noten abzuweichen: Wenn jemand stur nur das spielt, was schwarz auf weiß dasteht. Um Mozart zu spielen, muss man exakt zwischen den Zeilen lesen. Man braucht eine präzise Phantasie. Eigentlich widersprüchlich. Ich gebe zu: Bei Mozart kann man's mir schwer recht machen. Zuviel Druck im Ton, zu viel Vibrato – schon verloren. Zu wenig Sinnlichkeit – auch falsch! Zu glatt durchgespielt? Ungenügend. Künstlich interessant? Thema verfehlt.

Der Weg ist das Ziel

Gott sei Dank passiert es trotzdem immer wieder, dass man beschenkt wird mit tollen, phantastischen Mozart-Interpretationen, für die man auf den Knien danken möchte. Nur: Restlos glücklich wird man nie. Aber vielleicht ist gerade das sein genialster Trick. Vielleicht wollte er es so: Ist diese permanente Unzufriedenheit am Ende ein Grund, warum Mozart so süchtig macht? Man wird jedenfalls einfach nicht fertig mit seiner Musik. Und ich bin mir sicher, dass ich mein ganzes Leben nach der vollkommenen Mozart-Interpretation suchen werde. Dass ich sie nie finden werde, wird mich zwar unbefriedigt lassen, aber immer weiter dazu verführen, mich mit seiner Musik zu beschäftigen. Bei keinem andern Komponisten passt der Satz besser: Der Weg ist das Ziel.

Sendung: "Allegro" am 22. Januar 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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