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Kritik - Webers "Freischütz" auf Gut Immling Klare Kante und wohliger Grusel

Giuseppe Verdis "Don Carlo" und Giacomo Puccinis "Bohème” haben sie diesen Sommer schon erfolgreich gestemmt – die Festivalmacher auf dem idyllischen Gut Immling im Chiemgau, zwischen Wasserburg und dem Chiemsee. Seit mehr als 20 Jahren bietet Intendant Ludwig Baumann seinem Publikum hochwertige Opernfestspiele ein wenig abseits der großen Musikzentren. Am 14. Juli hatte die dritte Produktion dieser Saison Premiere: Carl Maria von Webers finster-dämonischer "Freischütz". Szenisch wie musikalisch blieben wenig Wünsche offen.

Bildquelle: Nicole Richter

Die Kritik - Webers "Freischütz" auf Gut Immling

Klare Kante und wohliger Grusel

Volkstümliche Idylle und schwarzer Zauber; Gottvertrauen und Teufelspakt, Hell und Dunkel – alles scheint so einfach in Webers "Freischütz". Die Rollen klar definiert, die Welt geteilt in Gut und Böse. Dutzende von Geweihen schmücken die Kulisse des Immlinger Festspielhauses, von ganz klein bis ziemlich gewaltig. Sie hängen an stilisierten Baumgerippen, durch die sich die Menschen auf den Schauplatz zwängen – und die Untoten in schwarzen Ganzkörperanzügen, die sich sofort auf der Bühne breitmachen, wenn die Menschen sich zurückziehen. Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.

Magische Momente

Regisseurin Verena von Kerssenbrock skizziert (zusammen mit ihrem Bühnenbildner Nikolaus Hipp) das Forsthaus mit wenigen Stellwänden und gruppiert sie auf der Bühnenmitte im Halbkreis um eine große, schräggestellte schwarz-weiße Schießscheibe. Sie ist sinnfällige Metapher in dreierlei Hinsicht: für Agathes behütete Welt, ihren engen Aktionsradius und ihre Funktion als Jagdbeute. Katja Bördner spielt sie verhalten, manchmal vielleicht etwas zu neutral. Da fehlt die Verstörtheit einer jungen Frau, die gerade von geheimnisvollen Mächten aus der Bahn geworfen wird. Stimmlich sorgt sie für die magischen Momente dieser Aufführung: so zart, so schön – bei ihren Arien hält das Haus den Atem an.

Die Inszenierung in Bildern

Unbeteiligter Max

Katja Bördner (Agathe) und Ensemble | Bildquelle: Nicole Richter Katja Bördner (Agathe) und Ensemble | Bildquelle: Nicole Richter An Katja Bördners Seite: ein entzückendes Bühnentier als Ännchen – keck, liebenswert, mitfühlend. Mit jubelnden Spitzentönen schickt Josefin Feiler ihre Zuversicht und Lebensfreude in den finsteren "Freischütz"-Wald. Gegen dieses Duo haben es die Herren schwer: Großartig allerdings der noble Modestas Sedlevicius in seinem kurzen, aber prägnanten Auftritt als Ottokar. Dem zwar dramatisch auftrumpfenden, aber schauspielerisch ein wenig unbeteiligten Max des schwedischen Tenors Johan Weigel scheinen die geheimnisvollen Geschehnisse nicht sonderlich an die Nieren zu gehen. Verdient er Agathe überhaupt?

Fliegendes Nachtgetier

Voll bezaubernder Innigkeit die Brautjungfern, stimmstark und wuchtig der Immlinger Festspielchor. Die rhythmische Feinabstimmung mit dem Orchester wird in den Folgevorstellungen sicher noch zunehmen. Die Münchner Symphoniker unter Leitung von Evan Alexis Christ begleiten farbig und sensibel; manchmal wünschte man sich mehr Kante, mehr Power, mehr Dämonie. Dann hätte auch der C-Dur-Jubel am Schluss eine noch größere Berechtigung. Für wohligen Grusel sorgt eine fabelhafte Lichtregie samt allerhand effektvoll an den Bühnenhimmel projiziertem fliegenden und vorbeihuschenden Nachtgetier. Das Festival Immling kann musikalisch und szenisch seit Jahren schon sehr, sehr viel. Jetzt kann es auch noch Videokunst. Respekt!

Mehr zum Stück

Immling Festival 2018
Der Freischütz
Oper von Carl Maria von Weber

Musikalische Leitung: Evan Alexis Christ
Inszenierung: Verena von Kerssenbrock

Informationen zu weiteren Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Festivals.

Sendung: "Allegro" am 16. Juli 2018, 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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