Der Baum, den der persische König Xerxes anschmachtet, ist ein Stück Holz, dass sich in etwas ganz anderes verwandelt hat: ein Skateboard. Das Nürnberger Staatstheater stellt für diese neue Barockopern-Produktion eine Halfpipe auf die Bühne.
Bildquelle: © Pedro Malinowski
Und das Skateboard, das am Anfang in der berühmten Arie "Ombra mai fu" in Nürnberg statt eines Baums besungen wird, bleibt: als Sinnbild für die verschlungenen und rätselhaften Wege der Liebe. Die gesamte Inszenierung der französischen Künstlergruppe Le Lab um Jean-Philip Clarac und Olivier Deloeuil ist im Skatermilieu angesiedelt, die Bühne wird dominiert von einer Halfpipe. Xerxes ist ein halbstarker Skater-Macho, und dieses Bild, das durchaus etwas abwegig wirken könnte, passt erstaunlich gut. Auch wenn Händels Gassenhauer gleich am Anfang zunächst einen etwas gefühlsduseligen Spinner vermuten lässt.
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Almerija Delic überzeugt vom ersten Ton an, den egozentrischen, launischen, macht- und selbstbewussten König der Skater verkörpert sie mit durchgängig großer Präsenz bis hin zur beeindruckenden Zorn-Arie gegen Schluss. Nicht mit einem Skateboard, sondern auf einem goldenen BMX-Rad fährt dann sein Widersacher und Bruder Arsamene auf die Bühne.
Bildquelle: © Pedro Malinowski Zvi Emanuel-Marial ist der einzige Counter-Tenor und soll wohl für etwas Barock-Feeling unter den Sängern sorgen. Allerdings wird seine Stimme vom Orchester manchmal etwas zugedeckt. Nicht zuletzt daran zeigt sich, dass die modernen Streichinstrumente der Staatsphilharmonie Nürnberg für eine barocke Klangästhetik doch etwas dick klingen. Wolfgang Katschner als musikalischer Leiter arbeitet die zeittypische Artikulation aber gewohnt souverän heraus und verstärkt das Ensemble mit einer authentischen Continuo-Gruppe, die nichts zu wünschen übrig lässt.
Auch Julia Grüter überzeugt in der Rolle der Romilda. Sie gibt an diesem Abend zusammen mit Zvi Emanuel-Marial ihr Debüt an der Staatsoper Nürnberg. Grüter verfügt über eine ganz natürliche Stimme, die niemals hart wird und dabei klar und tragfähig ist. Alle Figurationen kommen ganz selbstverständlich und mit großer Leichtigkeit, sind Ton-für-Ton verständlich und bestens mit dem Orchester koordiniert – und das stets im Dienst der Rolle, ganz ohne sängerischen Selbstzweck. Kein Wunder, das Xerxes der Stimme dieser Skaterbraut verfällt.
Bildquelle: © Pedro Malinowski Neben den Sängern rauschen auch echte Skateboardfahrer und ein BMX-Sportler zu den instrumentalen Zwischenspielen über die Bühne; Video-Statements von Nürnberger Skatern sind zwar witzig, kommen am Ende aber doch einmal zu oft. Der Plot von Händel wirkt in diesem Setting jedoch erstaunlich unaufgesetzt. Das temporeiche Verwirrspiel um die Liebe lässt sich tatsächlich mühelos in den Kontext einer Jugend- und Subkultur von heute versetzen – zumindest in dieser rundum gelungenen Aufführung. Ein kurzweiliger Abend.
Nächste Vorstellungen: 01./08./16./23./27./30.12.2018. Weitere Infos zu Terminen und Besetzung finden Sie auf staatstheater-nuernberg.de
Sendung: Allegro am 26.11.2018 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK.
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