Ein akustisches Wunderwerk! So wurde die Elphilharmonie bei der Eröffnung 2017 gefeiert. Doch spätestens seit dem Eklat beim Konzert mit Jonas Kaufmann am 12. Januar 2019 - Zuschauer, die verärgert ihre Plätze verließen - wurden Zweifel laut. Auch Jonas Kaufmann selbst kritisierte die Akustik des Hauses. BR-KLASSIK hat in Hamburg nachgefragt: Was ist wirklich dran am Mythos vom glasklaren Klang?
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BR-KLASSIK: Joachim Mischke, Sie sind der Kulturreporter beim Hamburger Abendblatt und begleiten die Elbphilharmonie seit ihrer Eröffnung. Vor zweieinhalb Wochen war Jonas Kaufmann mit dem Sinfonieorchester Basel in der Elbphilharmonie - mit Mahlers "Lied von der Erde". Im Konzert gab es Publikumsbeschwerden. Leute haben sich andere Plätze gesucht, weil sie insbesondere Kaufmann schlecht gehört haben. Das passierte vor allem hinter der Bühne, wo ja auch bestuhlt ist. Über diese Art Reaktion hat sich der Tenor geärgert. Kaufmann kritisierte aber auch die Akustik der Elbphilharmonie. Ist diese tatsächlich nicht so gut wie ihr Ruf?
Joachim Mischke: So einfach ist die Frage nicht zu beantworten. Die Akustik ist schon ziemlich gut, sie ist aber auch ziemlich gnadenlos. Und an diesem Abend kam einiges zusammen, was dann diese Eskalation auslöste. Zum einen war da ein Orchester, was das erste Mal in der Elbphilharmonie gespielt hat. Es war dieses schwierige Stück "Lied von der Erde", groß besetzt. Dabei war es Kaufmanns Plan, alle Lieder zu singen - nicht nur die drei für Tenor geschriebenen. Und er hat vor dem Orchester gestanden, was mit dem großen Besteck aufgefahren ist. Und insofern war es ein Unglück, dass sich absehen ließ, weil verschiedene kleinere Faktoren sich zu einem größeren Problem häuften.
Die Akustik ist gut, aber auch gnadenlos.
BR-KLASSIK: Aber auch bei Ihnen, beim Hamburger Abendblatt, sind Stimmen von Konzertgängern eingegangen, Beschwerden darüber, dass der Sänger nicht gehört wurde. Das ist dann doch eher ein akustisches Problem. Oder wollen Sie sagen, dass Herr Kaufmann technisch etwas falsch gemacht hat?
Der Saal hat seine Tücken.
Die Grundkonstellation war also eine andere. Und man hat gemerkt, dass das deutlich besser funktionierte, weil der Sänger über das Orchester 'rüberkam mit der Stimme. Auch die Sängerinnen kamen 'rüber. Also: Der Saal hat seine Tücken, aber das ist jetzt nicht erst seit drei Wochen bekannt. Wenn man alles hört, hört man alles. Oder: Man hört im Zweifelsfall nicht genug, wenn der arme Solist, der singt, vom Orchester hinter ihm zugefönt wird. Also, bei bestimmten Stücken gibt es Schwierigkeiten, die gibt es aber auch in anderen Sälen.
BR-KLASSIK: Sie sprechen über spätromantisches Repertoire, wo Gesangssolisten mit dabei sind?
BR-KLASSIK: Sie würden jetzt also nicht sagen, dass der Saal in der Elbphilharmonie umgebaut werden muss - zum Beispiel mit Holz verkleidet. Jonas Kaufmann meinte ja, das täte der Akustik gut.
Joachim Mischke: Das glaube ich nicht. Umbauen wird schwierig, und grundsätzlich kann man den Saal jetzt natürlich nicht ummodeln und da eine Schuhschachtel reinschrauben. Das wird nicht funktionieren. Es ist einfach ein Lerneffekt, der dort viele Orchester erwischt. Die generelle Erfahrung aus diesen ersten zwei Jahren ist: je besser das Orchester, je routinierter und je mehr Säle es schon erlebt hat, desto besser ist das Ergebnis.
Bilder von der berühmten "weißen Haut" - ein Akustikwunder?
Wenn die Balance nicht stimmt, dann stimmt sie nicht.
Der Saal ist nicht einfach, das war aber auch nie die Ansage. Es war immer nur die Ansage, dass er extrem gut funktionieren soll. Das tut er für sehr viel Repertoire. Bei einigem Repertoire hakt es ein bisschen, aber man kann deswegen nicht kategorisch sagen, der Saal sei schlecht. Ich hab auch mal geschrieben: "Kein Saal kann transportieren, was nicht in ihn hineingespielt wird." Wenn die Balance nicht stimmt, dann stimmt sie nicht.
Joachim Mischke: Ich hätte damit kein Problem. Vielleicht hat die Buchhaltung damit ein Problem, dass es einfach weniger Einnahmen gibt. Aber so ist es dann. Es ist ja nicht abzusehen, dass dieser Saal in den nächsten vier Wochen leer steht - bei all den Konzerten, die da auf dem Plan stehen. Von daher ist das ein theoretisches beziehungsweise ein Buchhaltungsproblem. Und das hat keinerlei Einfluss darauf, wie ein Sänger sich auf der Bühne im Zweifelsfall fühlt, oder wie er akustisch ankommt.
BR-KLASSIK: Jetzt haben Sie schon gesagt, wie sich ein Sänger fühlt. Wie fühlt sich denn so ein Orchester? Darum geht es ja auch. Das ist doch unbequem, wenn einem da haufenweise Augenpaare im Nacken sitzen.
Joachim Mischke: Es gibt solche und solche Abende. Ich habe Orchester erlebt, die das toll finden und sich extrem freuen, wenn sie sich dann am Ende beim Schlussapplaus umdrehen können, und der Applaus kommt dann von hinten. Das Phänomen des Weinbergsaals ist ja hier auch nicht einzigartig. In Berlin ist so ein Saal, in Los Angeles ist so ein Saal. Es gibt viele davon. Und es ist in der Regel nicht so, dass ein Orchester zum ersten Mal in seinem kollektiven Leben in so einen Raum reinspaziert. Aber es ist schon eine spezielle Atmosphäre, weil man wirklich nah dran ist. Und der Saal in der Elbphilharmonie ist ja auch im Vergleich zu Berlin wirklich steil. Bei Solisten, Klavierabenden und Soloauftritten ist es auch nochmal sehr spannend, wenn dann der jeweilige Virtuose durch die Tür kommt und sagt: hoppla, 2.073 Menschen so nah, Donnerschlag! Also: Es ist eine spezielle Atmosphäre in dem Raum, und die macht sich schon bemerkbar. Das kann aber auch ein Ansporn sein.
Sendung: Leporello am 29. Januar 2019 ab 16:05 auf BR-KLASSIK