Nach zuletzt 2013 war in diesem Jahr beim ARD-Wettbewerb wieder das Klaviertrio an der Reihe. Insgesamt 17 Teilnehmer gingen an den Start. Das Niveau war außergewöhnlich hoch. Und dennoch konnten sich drei Teilnehmer klar ins Finale absetzen. Ihr Erfolgsrezept: ein Ensemble aus Solisten. Unser Reporter Tobias Stosiek hat den Wettbewerb von Anfang an begleitet.
Bildquelle: © Daniel Delang
Ich hasse Wettbewerbe. Sie erinnern mich an unruhige Nächte und zittrige Hände. Mit einem Wort: an panische Auftrittsangst. Und ich rede von "Jugend Musiziert". Für einen jugendlichen Möchtegernpianisten, wie ich damals einer war, natürlich eine große Sache. Aber nicht zu vergleichen mit dem Wettbewerb in München. Hier ist ein Preis oft der Startschuss einer internationalen Karriere; ein frühes Ausscheiden schlägt womöglich eine unschöne Kerbe in die Vita.
Bildquelle: © Daniel Delang Umso erstaunlicher, wie entspannt die jungen Klaviertrios mit diesem Druck umgegangen sind. Gut, "tiefenentspannt" wäre vielleicht das falsche Wort. Aber wenn ich mir anhöre, was meine Reporterkollegen aus den anderen Fächern so erzählen – von nervösen Sängern und aufgekratzten Bratschern – da ging es bei mir doch anders zu: Fokussiert, ja, aber relaxed. Zugegeben, kurz vor dem Auftritt (oder – schlimmer noch – vor der Bekanntgabe der Juryentscheidung), da blickte man schon in das ein oder andere blasse Gesicht. Aber spätestens im Saal war von Aufregung nichts mehr zu spüren.
Vielleicht stimmt es ja, dass drei Schultern den Druck besser abfedern als so ein einsamer Solistenrücken. Wobei – Solisten gab es auch in meinem Fach einige. Denn so viel habe ich gelernt: Ein Klaviertrio ist kein Streichquartett, wo der Zusammenklang quasi der heilige Gral ist, hinter dem alle zurückstehen müssen. Die Konzertagentin Sonia Simmenauer, mit der ich während des Wettbewerbs gesprochen habe, hat das eigentlich am besten auf den Punkt gebracht: Im Streichquartett sei eine Einheit nötig, beim Klaviertrio dagegen eine Mehrheit möglich. Also auch drei Einzelkönner, Solisten eben, die mit ihrer musikalischen Persönlichkeit nicht hinterm Berg halten.
Aber auch hier ist die Balance wichtig. Das haben die ersten zwei Durchgänge gezeigt. Ein toller, inspirierter Pianist, öfter: Pianistin, macht eben noch kein tolles Trio. Wenn schon Solisten, dann bitte drei davon – und nicht nur einen. Das ging vielleicht noch beim Haydn in der ersten Runde, der dem Klavier den roten Teppich ausrollt, die Geige aber nur ab und an zu Wort kommen lässt und dem Cello gerade mal erlaubt, den Bass mitzuspielen. Aber spätestens bei Beethoven im Semifinale, da waren drei selbstbewusste Solisten gefragt: das Trio Marvin zum Beispiel. Für mich eines der aufregendsten Ensembles im Wettbewerb. Allein, was die drei aus Beethovens "Geistertrio" gemacht haben: Ecksätze wie unter Starkstrom. Drei Musiker, die die musikalischen Themen nicht nur ergreifen, sondern sich nachgerade darum balgen. Dass im Eifer des Gefechts auch mal was schiefgeht – geschenkt!
Einer der für mich schönsten Moment im Wettbewerb war sogar ein Fehler. Ein falscher Ansatz der Geige. Wohl in der Notenzeile verrutscht. Kann passieren. Und darf passieren, wenn die Kollegen so gedankenschnell reagieren. Eine Millisekunde Irritation und sofort sind sie zur Stelle, fangen die Geige wieder auf. Das ist für mich ideale Kammermusik: miteinander streiten, wenn es die Noten verlangen, aber wenn einer strauchelt, sofort füreinander da sein.
Das Aoi Trio aus Japan | Bildquelle: © Daniel Delang Im Finale reichte es letztlich für einen dritten Platz, den sich das Trio Marvin mit dem koreanischen Trio Lux teilt. Mit Abstand gewonnen hat ein anderes Ensemble: Trio Aoi. Ein Überraschungspaket aus Japan. Bis zum Wettbewerbsbeginn ein weißer Fleck im Teilnehmerfeld. Meine Internetrecherche: ergebnislos. Eine Facebook-Seite gibt es zwar, aber mein Japanisch ist nun mal nicht das beste. Umso überraschender dann der Auftritt in der ersten Runde. Haydn, C-Dur-Trio: wunderbar runder Klang, perfektes Timing und eine unglaubliche Gestaltungsfreude. Nichts undeutlich oder unentschieden. Bei keinem anderen Ensemble konnte man so klar verfolgen, was die Musiker vorhaben. Im Finale gab’s dann einen wenig dramatischen, dafür schwungvoll-heiteren, ja, swingenden Schubert. Eine rundum runde Sache. Für meinen Geschmack ein bisschen zu rund.
Der Pianist und Juror Stefan Mendl, mit dem ich nach dem Finale gesprochen habe, klang fast ein wenig überrumpelt vom Auftritt des Aoi Trio: Nie würde er so spielen und sei dennoch begeistert von den dreien. Vielleicht das schönste Kompliment, das man diesem Trio machen kann.