Zum 10. Mal wurden beim diesjährigen ARD-Musikwettbewerb Trompeter ausgezeichnet. Insgesamt starteten 39 Teilnehmer und kämpften um einen der begehrten Preise. Dabei waren nicht nur spielerische Fähigkeiten entscheidend, sondern auch Nervenstärke und die richtige Einteilung der Kräfte. Denn das Trompetespielen ist ein Extremsport für die Lippen und nicht alle Musiker konnten dem enormen Wettbewerbsdruck bis zum Ende standhalten.
Bildquelle: Daniel Delang
Ich gebe es zu: Im Vorfeld des Wettbewerbs hatte ich starke Bedenken, ob so eine geballte Ladung Trompetenmusik auf Dauer nicht etwas anstrengend, gar ermüdend wird. Schließlich begleite ich den Wettbewerb als Reporter von Anfang bis Ende, von morgens bis abends, alle vier Durchgänge, zehn Tage lang. Doch meine anfänglichen Befürchtungen blieben völlig unbegründet, verwandelten sich schon am ersten Tag in Neugier und fesselten mich als begeisterten Zuhörer an meinen Sitz im Carl-Orff-Saal.
Das lag in erster Linie an den richtig guten Musikern, aber auch an dem vielfältigen Programm, das die 39 Teilnehmer präsentierten: Neben Werken aus dem Spätbarock bzw. der Frühklassik, mussten sie der Jury auch beweisen, dass sie die moderne, französische Trompetenliteratur genauso im Repertoire haben, wie Neue Musik von Luciano Berio oder György Ligeti. Viele der Kandidaten haben von der Existenz mancher zeitgenössischen Werke überhaupt erst erfahren, als sie sich die Repertoireliste für die einzelnen Durchgänge durchgelesen haben.
Die Folge: Monatelanges Üben von früh bis spät. Während ich den Jahrhundertsommer bevorzugt an der Isar verbracht habe, beim Radfahren durch Europa oder mich in Eisdielen wieder auf Normaltemperatur heruntergekühlt habe, haben sich die Teilnehmer in stickigen Übungszimmern eingeschlossen und sich mühsam die vielen neuen Stücke für den Wettbewerb erarbeitet.
Wer aber so viel Zeit, Mühe, Herzblut und Energie investiert, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, für den ist der innere Druck am Ende auch besonders hoch. Klar, keiner hat sich all die Arbeit gemacht, um nach der ersten Runde schon wieder nach Hause zu fahren. Und so war die Nervosität bei den Kandidaten entsprechend groß. So vielfältig wie das Programm, schienen mir auch die Methoden zu sein, mit denen die jungen Musiker gegen die Aufregung anzukämpfen: Singen, Yoga-Übungen, meditatives Schminken und Hairstyling, Auf- und Abgehen im Raum, ritualisiertes Einspielen auf verschiedenen Trompeten. Ich könnte die Liste noch lange fortsetzen.
Da in diesem Jahr viel Repertoire abseits der bereits ausgetretenen Pfade gefordert war, spürte ich bei den Musikern einen starken Entdeckergeist, die sich auch auf mich als Hörer übertrug. Gerade bei den ungewöhnlicheren Werken, war die die Spielfreude besonders deutlich. Zum Beispiel als Aleksander Kobus in der ersten das Konzert von Léon Stekke spielte. Léon wer? Schockiert musste Aleksander feststellen, dass ihm nicht einmal gestandene Trompeter darauf eine Antwort geben konnten, bei denen er vor dem Wettbewerb Meisterkurse besuchte. Selbst die Meister kannten das Werk schlicht und ergreifend nicht. Der fordernde Wettbewerb endete für ihn dramatisch – im Semifinale musste er aus gesundheitlichen Gründen abbrechen.
Bildquelle: Daniel Delang Auch der zweite Durchgang von Selina Ott ist mir in Erinnerung geblieben. Mit gerade einmal zwanzig Jahren war die Österreicherin eine der jüngsten Teilnehmerinnen. Sie startete als eine von nur fünf Frauen in den Wettbewerb. Mit ihrer 18-minütigen Solo-Performance von Luciano Berios Sequenza X widerlegte sie eindrucksvoll das häufig noch vertretende Vorurteil, dass die Trompete ein Männerinstrument sei, für das man möglichst hochgewachsen und kräftig sein muss. Für ihre überragende Leistung in allen vier Durchgängen bekam sie zu Recht den ersten Preis. Ein historischer Moment: Denn in der Geschichte des ARD-Musikwettbewerbs gab es bislang noch nie eine erste weibliche Preisträgerin im Fach Trompete. Außerdem teilten sich am Ende Celestin Guerin und Mihály Könyves-Tóth den zweiten Preis. Der Ungar zeigte für mich die eigenständigste Interpretation des Auftragswerks von Olga Neuwirth im Semifinale und wurde dafür zu Recht mit dem entsprechenden Sonderpreis ausgezeichnet. Auch die Sympathien des Publikums galten im Finale vor allem ihm – den Publikumspreis bekam er obendrauf.
In diesem Jahr war ich den Kandidaten beim ARD-Musikwettbewerb noch näher. Es war spannend die Musiker, ihren Hoffnungen und Ängste so hautnah mitzuerleben. Ich habe nicht nur viele gute Musiker, sondern auch interessante Menschen getroffen. Mein Respekt gilt nicht nur den Finalisten, sondern auch den 36 anderen Teilnehmern, die sich ja auch auf alle Runden vorbereitet mussten. Ich ziehe den Hut vor der Opferbereitschaft und der Hingabe für ihr Instrument. Chapeau!
Die Preisträger des ARD-Musikwettbewerb hören Sie in Konzerten am 19., 20. und 21. September. BR-KLASSIK überträgt live im Radio und als Videostream unter brklassik.de.