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Thema der Woche Irving Berlin

Irving Berlin und Showstars | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Am Ende seines 101-jährigen Lebens standen als Bilanz 19 Broadway-Shows, darunter das weltberühmte Musical „Annie Get Your Gun“, 18 Hollywood-Filme mit Stars wie Fred Astaire, Ginger Rogers oder Judy Garland und über 1500 Songs, von denen viele zum amerikanischen Standardrepertoire gehören, wie z.B. „Alexander’s Ragtime Band“, „Always“, „Cheek To Cheek“, "I’ve Got My Love To Keep Me Warm“, „Let’s Face The Music And Dance“, „God Bless America“, „There’s No Business Like Showbusiness“ und natürlich „White Christmas“. Außerdem hatte er schon in jungen Jahren einen eigenen Musikverlag gegründet, ein Theater besessen und zusammen mit anderen die amerikanische Urheberrechtsgesellschaft ASCAP ins Leben gerufen. Jerome Kern sagte einmal über ihn: „Irving Berlin hat keinen Platz in der amerikanischen Musik – er istdie amerikanische Musik.“

Geboren wurde Irving Berlin allerdings nicht in den USA, sondern im heutigen Weißrussland in der Nähe von Mahiljou (bzw. Mogiljow). Andere Quellen nennen als Geburtsort eine Stadt namens Tjumen (Temun) in Sibirien. Israel Isidore Beilin, wie er eigentlich hieß, wurde am 11. Mai 1888 als jüngstes von acht Kindern des jüdischen Kantors Moses Beilin und seiner Frau Lena Lipkin geboren. Als Israel vier Jahre alt war, floh die Familie vor den antisemitischen Pogromen unter Zar Nikolaus II in die USA und landete, wie unzählige andere im jüdischen Viertel in der Lower East Side von New York.

Neue Welt

Vater Moses Beilin verdiente sein Geld in der neuen Heimat als Fleischbeschauer auf einem koscheren Fleischmarkt und gab Hebräisch- Unterricht. Er starb als Irving Berlin 13 Jahre alt war. Mit nur wenigen Jahren Schulbildung und schlechten Aussichten auf einen ‚ordentlichen‘ Beruf nahm der Teenager Israel Isidore Gelegenheitsjobs an, um die Familie zu unterstützen. Er arbeitete als Zeitungsjunge und sang in den Kneipen der Lower East Side populäre Balladen, die er auf der Straße gehört hatte. Durch diese Schule der Straße erkannte Berlin bald, welche Art Songs beim Publikum ankamen. Mit 18 wurde er singender Kellner in einem Café in Chinatown, wo er sich nach Feierabend im Hinterzimmer das Klavierspielen beibrachte. Es entstanden erste eigene Songs, anfangs noch mit Hilfe des Hauspianisten. Auf dem Notenblatt seines ersten veröffentlichten Songs „Marie From Sunny Italy“ stand als Autor I. Berlin statt Baline. Den Namen behielt er bei und aus Israel Isidore wurde Irving.
Der kometenhafte Aufstieg Irving Berlins begann mit dem Song Alexanders Ragtime Band, den er für die Revue „Friars Frolic of 1911“ geschrieben hatte und mit dem er eine regelrechte Ragtime-Welle verursachte. Mit „Watch Your Step“ folgte 1914 eine ganze Revue im Ragtime-Idiom. Eine Nummer darin hieß „Play a simple melody“, ein Titel, der zugleich Berlins Stil charakterisierte.

Stil

Irving Berlin erhält Ehrendoktor | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Seine Melodien waren einfach und gingen sofort ins Ohr. Er verwendete keine komplizierten Harmonien, was ihm, der nie eine formale Ausbildung genossen hatte, auch gar nicht lag. Im Vergleich mit den Songs von Kollegen wie Jerome Kern, George Gershwin oder Cole Porter waren seine Kompositionen weniger sophisticated, allerdings auch nicht so simpel, wie sie beim ersten Hören scheinen mögen. Irving Berlins erklärtes Anliegen war es, „die Herzen der Durchschnittsamerikaner zu erreichen“. Das könne man weder mit hochintellektuellen, noch mit anspruchslosen Songs. Als Berlin einmal einen Freund fragte, ob er Komposition studieren solle, antwortete dieser, die Theorie könne ihm zwar möglicherweise nützen, aber sie würde vermutlich seinen Stil verkrampfen.
Beim Aufschreiben seiner Melodien musste Irving Berlin Hilfe in Anspruch nehmen, da er keine Noten lesen konnte. Er konnte auch nur in einer Tonart – Fis-Dur – Klavier spielen. 1940 wurde für ihn extra ein Flügel mit Transponier-Mechanik gebaut.

Tragischer Einschnitt

Nach seinem ersten Welterfolg mit “Alexander’s Ragtime Band“, 1922, hatte Irving Berlin die damals 20 jährige Dorothy Goetz geheiratet. Ein halbes Jahr später starb sie auf der Hochzeitsreise nach Cuba an Typhus. Dieser Schicksalsschlag, von dem er sich nur langsam erholte, bewirkte musikalische eine Abwendung von den bisher bevorzugten Ragtimes und eine Hinwendung zu emotionalen Balladen.
1924 lernte Berlin dann seine zweite Frau, Ellin Mackay, kennen, die Tochter des millionenschweren Direktors einer Telegraphen-Gesellschaft, der die Verbindung seiner Tochter mit dem jüdischen Einwanderersohn mit allen Mitteln zu verhindern suchte. Die beiden waren 63 Jahre bis zu Ellins Tod im Jahr 1988 verheiratet.

Hollywood

Irving Berlin und Showstars | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Nach den Erfolgen in New York lockte eine neue Karriere in Hollywood. Sie fiel zusammen mit der Geburt des Tonfilms. In „The Jazz Singer“ von 1927 sang Al Jolson „Blue Skies“, ein Song, den Berlin zur Geburt seiner ersten Tochter geschrieben hatte. Die 30er-Jahre waren in Hollywood die Jahre der großen Revue-Musikfilme mit Fred Astaire und Ginger Rogers, Judy Garland u.a. Irving Berlin schrieb dafür Songs wie „Top Hat“ und „Follow The Fleet“, wie „Cheek To Cheek“, I’ve Got My Love To Keep Me Warm“  oder „Let’s Face The Music And Dance“. Auch Irving Berlins bekanntester Song, „White Christmas“, stammt aus einem Hollywood-Film. Bing Crosby sang ihn 1942 in „Holiday Inn“. Er ist unzählige Male gecovert und millionenfach verkauft worden.  

Patriotismus

Irving Berlin hat sein ganzes Leben lang bei allen möglichen Anlässen seine Verbundenheit mit Amerika geäußert. Diesem Land hätte er, das Einwandererkind, alles zu verdanken. Schon im ersten Weltkrieg hatte Berlin patriotische Lieder und Shows geschrieben, deren Erlös der US-Army zu Gute kamen. Ein Song, der damals in der Schublade geblieben war, wurde 20 Jahre später anlässlich der Feier zum Jahrestag des Endes des zweiten Weltkriegs, wieder daraus hervorgeholt: „God bless Amerika”. Nach dem Kriegseintritt der USA wurde es zur inoffiziellen zweiten Nationalhymne.
Sofort nach dem Angriff auf Pearl Harbour schrieb Irving Berlin wieder patriotische Lieder. 1942 entstand im Auftrag der Armee die Revue „This Is The Army“, deren Einnahmen selbstverständlich in die Kriegskasse flossen. 1943 wurde die Show verfilmt, u.a. mit dem damals 32-jährigen Ronald Reagan, dem späteren US-Präsidente

Annie Get Your Gun

Irving Berlin und Annie-Darstellerin Ethel Merman | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Eine Hymne ganz anderer Art als „God Bless America“ komponierte Irving Berlin für das Musical „Annie Get Your Gun“: Eigentlich sollte gar nicht er, sondern Jerome Kern die Musik komponieren. Aber dieser starb, noch bevor Berlin mit der Arbeit beginnen konnte. Richard Rodgers und Oscar Hammerstein, die das Musical produzierten, überredeten Berlin daraufhin, die Aufgabe zu übernehmen. Die Nummer „There’s No Business Like Showbusiness“ ist bis heute die Hymne an das Showbusiness schlechthin.

Irving Berlin kam als russisch-jüdischer Immigrant mit vier Jahren aus dem heutigen Weißrussland in die USA und lebte den amerikanischen Traum. Er starb vor 25 Jahren, am 22. September 1989 im biblischen Ater von 101 Jahren in New York.

Irving Berlin, Komponist, Songtexter, Verleger

* 11.05.1888
+ 22.09.1989

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