Auf der Suche nach neuen musikalischen Wegen trafen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei bisher beinahe vollkommen getrennte Welten aufeinander: Die künstlerisch-ästhetische Welt der Musik und die naturwissenschaftliche Welt der Physik und – relativ neu – der Elektrotechnik. Bisher hatten Komponisten wie Arnold Schönberg, Anton Webern oder Alban Berg mit neuen Kompositionstechniken versucht, aus dem engen Korsett der spätromantischen Musik mit ihrer funktionellen Harmonik und dem typischen Orchesterklang auszubrechen.
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Heraus kam dabei unter anderem die Dodekaphonie, also die Musik, in der alle 12 Töne vollkommen gleichberechtigt behandelt werden. Aber mit den neuen Technologien, die auf den Weltmarkt drängten, wie zum Beispiel dem Telefon, dem Phonograph, Grammophon oder Mikrophon, war klar, dass auch die Musik sich über Kurz oder lang an den neuen Erfindungen bedienen würde.
Erste Versuche, sich der Elektrizität zu bedienen, existierten bereits weit vor der Jahrhundertwende, wie zum Beispiel das "clavecin electrique" von Jean Baptiste Delaborde, aus dem Jahre 1759, bei welchem Glöckchen durch elektrischen Strom klingend gemacht wurden. Besonders kurios klingt die Erfindung des amerikanischen Juristen und Tüftlers Dr. Thaddeus Cahill aus dem Jahr 1897.
Sein Teleharmonium oder Dynamophon nutzte für jeden Halbton einen riesigen dampfgetriebenen Mehrfachstromerzeuger, der ihm die sinusförmigen Ausgangsspannungen lieferte. Kein Wunder also, dass das Gerät die Größe eines Güterwaggons gehabt haben soll. Ferruccio Busoni muss das Teleharmonium gekannt haben, da er es in seinem "Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst" aus dem Jahr 1907 lobend erwähnt.
Das erste ernstzunehmende elektronische Instrument, das nachweislich den Weg hin zum Synthesizer geebnet hat, wurde zum ersten Mal 1924 der Öffentlichkeit vorgestellt. Lew Thermen, ein Physikstudent am physikalischen Institut in Leningrad hatte seit Beginn des 20. Jahrhunderts an seiner Entwicklung gearbeitet. Das Theremin basiert auf zwei Hochfrequenzgeneratoren die eine Differenzschwingung im hörbaren Bereich erzeugen.
Der eine Generator arbeitet auf einer feststehenden Frequenz, die Frequenz des anderen kann man verändern, durch einfache Bewegungen der Hand im elektrostatischen Feld.
Das Publikum war beeindruckt und der Siegeszug begann: Lew Thermen, der sich schon bald Leon Theremin nannte, ging zunächst auf Europatournee und folgte dann einer Einladung in die USA. Als aber RCA mit dem Schwebungssummer in Produktion ging und das Instrument im großen Stil vermarkten will, ist der Untergang bereits vorprogrammiert. Denn so leicht, wie in der Werbung angepriesen, ist das Instrument nicht zu spielen. Es erfordert absolute Körperbeherrschung, um die Töne im freien Raum um das Instrument herum zu produzieren.
Mit Clara Rockmore fand das mysteriöse Gerät dann seine Meisterin. Sie beherrschte die Spieltechnik wie keine zweite und blieb 20 Jahre lang die bekannteste Interpretin, die außerdem noch wusste, wie man aus dieser merkwürdigen Art zu spielen Kapital zog: Geisterhaft und völlig unbeweglich stand sie hinter dem Gerät und präsentierte sich dem Publikum als dämonische Meisterin der geheimnisvollen Klänge.
In Paris interessierte sich ein junger Musiker für die elektronische Tongewinnung: Maurice Martenot. Nachdem er sich 1923 mit Leon Theremin über dessen Erfindung ausgetauscht hatte, war sein Ehrgeiz geweckt und fasziniert von der Reinheit der Schwingungen experimentierte auch er mit dem Prinzip des Schwebungssummers.
Sein Vorteil: Er versah sein Instrument mit Tasten und machte es so wesentlich leichter spielbar. Mit Hilfe eines Seils, das mit einer Öse über die Klaviatur gespannt ist, und an einem Drehkondensator hängt, kann die Tonhöhe fließend verändert werden. Dadurch entstehen die typischen Glissandi über ganze fünf Oktaven. Ein kluger Schachzug verschaffte dem Instrument gleich einen guten Start. Maurice Martenot setzte seine hübsche Schwester Ginette an die Tasten und präsentierte beide einem staunenden Publikum. Viele bekannte Komponisten waren sofort begeistert und begannen, für die Ondes Werke zu komponieren. So entstanden über 50 Konzerte und am Pariser Konservatorium wurde sogar extra dafür eine Unterrichtsklasse eingerichtet.
In den Folgejahren wurden die Ondes Martenot immer bekannter und die Filmbranche begann sich für seine besondere Klangvielfalt zu interessieren. Bis heute sind die Ondes gerade durch die zahlreichen Kompositionen gelegentlich im Konzertsaal zu erleben.
Parallel zu Theremin und Ondes Martenot wurde auch in Berlin fleißig getüftelt. An der Hochschule für Musik wurde eine Rundfunkversuchsanstalt eingerichtet, wo Elektroingenieur Friedrich Trautwein ein elektronisches Musikinstrument entwickeln sollte. Trautwein war schon lange von der Qualität der damaligen Mikrofone enttäuscht und suchte nach Möglichkeiten, Klänge direkt mit Verstärkerröhren oder Transformatoren zu erzeugen. Paul Hindemith erfuhr von dieser Idee und war gleich Feuer und Flamme. Trautwein solle ihm doch ein elektronisches Musikinstrument bauen!
Da ein Tasteninstrument das vorhandene Budget sprengen würde, wurde der Elektroingenieur besonders kreativ. Über eine Metallschiene spannte er einen Draht, der mit einem Oszillator verbunden war. Wenn nun ein Spieler mit dem Finger den Draht auf die Schiene drückte, wurde der Stromkreis geschlossen und erzeugte einen Ton. Die Höhe des Tones hing dann von der Länge des Stromkreises ab. 1930 war das Instrument soweit fertig. Doch die anfängliche Begeisterung für das neuartige Instrument, legte sich schnell wieder. Nachdem Telefunken das Trautonium serienmäßig in Produktion gab, musste dieses ehrgeizige Unterfangen nach nur 50 verkauften Geräten aufgegeben werden.
Nur Oskar Sala gab nicht auf! Er war nicht nur Kompositionsschüler von Hindemith, sondern auch Assistent von Friedrich Trautwein und war schon bei der Entwicklung des Prototypen maßgeblich beteiligt. Außerdem hatte er sich als Interpret unentbehrlich gemacht. In den folgenden Jahren entwickelte er das Instrument stetig weiter und ging damit auf Konzertreisen. Absoluter Höhepunkt war seine Zusammenarbeit mit Alfred Hitchcock für dessen Film "Die Vögel". Sala durfte mit seinem Trautonium den ganzen Film mit Vogel-Geschrei unterlegen.
Die Hammondorgel hat Theremin, Ondes Martenot und Trautonium an Popularität weit übertroffen: Voraussetzung hierfür war die Erfindung des Wechselstrom-Synchronmotors durch den US-Amerikaner Laurens Hammond im Jahr 1920. Ursprünglich für Uhren verwendet, suchte er ab den 30er Jahren noch weitere Verwendung für seinen Synchronmotor.
Zu jener Zeit gab es gerade eine große Nachfrage von Theater- und Kinoorgeln und ein befreundeter Organist gab ihm den nötigen Anstoß, doch in diese Richtung zu experimentieren und seinen Motor für den Betrieb eines Tongenerators in einer Orgel zu nutzen. Nach der allerersten Pressevorführung am 15. April 1935, fanden sich sofort begeisterte Abnehmer. Der Automobilhersteller Henry Ford bestellte sofort sechs Orgeln und die beiden Musiker George Gershwin und Count Basie zeigten sich auch interessiert.
Die Hammondorgel ist ein elektromagnetisches Instrument. Vereinfacht erklärt kann man sagen, dass es für jeden Ton in der Hammondorgel ein Tonrad aus Metall gibt, das unterschiedlich groß und unterschiedlich gezackt ist. Diese Tonräder drehen sich in einem elektromagnetischen Feld und produzieren dadurch Töne, die durch Röhren verstärkt werden. Der Generator, der die Räder zum Laufen bringt, wird von Laurens Hammonds Synchronmotor angetrieben. Die konstante Drehzahl ist nämlich immens wichtig, um die richtige Stimmung der Orgel zu halten.
Ursprünglich als Ersatz für die Pfeifenorgel gedacht, verbreitete sie sich zunächst in den nordamerikanischen Gemeinden in der Gospel-Musik und begann dann ihren Siegeszug im Jazz und in vielen weiteren populären Musikrichtungen.
Und dann kam der 16. Oktober 1964! An diesem Tag präsentierte der amerikanische Ingenieur Robert Moog den ersten Synthesizer mit Tasten, ein elektronisches Instrument, dessen klangliche Möglichkeiten die der alten Geräte bei weitem überschritten.
Und hier schließt sich der Kreis, denn Robert Moog begann Mitte der 50er Jahre seine Karriere mit dem Bau von Theremin-Bausätzen zusammen mit seinem Vater. Er kannte sich also aus mit den Möglichkeiten der elektronischen Klangerzeugung. Ausschlaggebend für Moogs neues Konzept war seine Begegnung mit dem Avantgardekomponisten Herbert Deutsch.
Der musste damals noch in mühevolle Kleinstarbeit Tonbänder zusammenschneiden, um die Klänge zu erzeugen, die er sich wünschte. Robert Moog erhielt von der Columbia University ein Stipendium von 200 Dollar und entwickelte in kürzester Zeit das neue Instrument.
Der Moog-Synthesizer war ein schrankwandgroßes Ungetüm aus Oszillatoren, Transistoren, Filtern und Verstärkern. Aber die Apparatur hatte Tasten! Damit war sofort klar, wie man damit Musik machen konnte. Und dieser Benutzerfreundlichkeit des Erfinders verdankte der Synthesizer seinen Siegeszug.