Wenn die Orchester und Opernensembles in die Sommerpause gehen, wenn sich Konzertsäle in den Metropolen leeren, dann strömen die Musikfreunde aufs Land, in die Pfarrhöfe, Schlossgärten, Kaisersäle, Scheunen, Klöster und Kirchen. Es ist Festivalzeit! In der Mittagsmusik stellen wir eine kleine (aber feine!) Auswahl bayerischer Sommerfestivals vor.
Jetzt im Sommer, während der Festivalzeit kommt die Musik auch dorthin, wo sie sonst selten oder gar nicht stattfindet, in Bootshäusern, kleinen Kapellen, Scheunen und natürlich "open air". Mit viel Engagement, Einfallsreichtum und künstlerischem Enthusiasmus bieten bayerische Festivalveranstalter interessante und anspruchsvolle Programme. Eine kleine Auswahl dieser Festivals stellen wir diese Woche in der Mittagsmusik vor:
Fast wäre er der Abrissbirne zum Opfer gefallen – der im 18. Jahrhundert errichtete Pfarrhof von Wurz, einem Ortsteil der Oberpfälzer Gemeinde Pürchersreuth. Der barocke Gebäudekomplex diente einige Jahrzehnte dem Zisterzienser Stift Waldsassen als Sommerresidenz der Äbte, im 19. und 20. Jahrhundert wurde er dann als Pfarrhof genutzt. Mit Auszug des letzten Pfarrers 1972 sollte der Wurzer Pfarrhof mit seinen Nebengebäuden zu Gunsten neuer Bauplätze abgerissen werden, aber erfreulicherweise setzte sich die Idee der Erhaltung durch. Dr. Rita Kielhorn erwarb den Pfarrhof und restaurierte das barocke Kleinod. In der Absicht das Anwesen auch der Allgemeinheit zugänglich zu machen, initiierte sie 1988 die Wurzer Sommerkonzerte, die in diesem Jahr zum 28. mal stattfinden.
Programmatische Idee hinter diesem Festival ist der kulturelle Austausch in Europa, ein Brückenschlag zwischen Ost und West insbesondere mit den unmittelbaren östlichen Nachbarn. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Förderung junger, begabter Musiker gelegt. Den Wurzer Sommerkonzerten ist es gelungen zu einem wichtigen Faktor im Kulturleben der Oberpfalz zu werden und die Kammermusik in der ländlichen Region zu fördern.
Schwerpunkt ist in diesem Jahr die Alte Musik, so werden Ensembles wie Nexus Baroque, Harmony Prague, In Paradiso oder das Pleyel Quartett zu hören sein. Außerdem die tschechische Harfenistin Jana Bouskova, der Geiger Kolja Lessing und das Frauen-Vokalensemble VocaMe.
"Mit Festivo schaffen wir Begegnungen und halten einen Moment inne für den Dialog aus Musik, Künstlern und Publikum." So steht's im Leitbild des Kammermusikfestivals "Festivo", das seit mehreren Jahren das sommerliche Musikleben im Chiemgau bereichert. Mit seinen acht Konzerten bietet "Festivo" anspruchsvolle Kammermusikabende vom klassischen Streichquartett bis hin zu Mozarts "Entführung aus dem Serail" im Westentaschenformat. Am Eröffnungsabend präsentieren das renommierte "Concerto Köln" und die Sopranistin Julia Lezhneva eine Händel Gala zu dessen 330. Geburtstag.
Am Fuß des imposanten Schlosses Hohenaschau im oberen Priental gelegen, bietet den akustisch wie optisch geeigneten Rahmen für die Konzerte die Festhalle Hohenaschau, aber auch Räume des Schlosses werden genutzt oder die Sonnenalm auf der Kampenwand.
Ein vergleichsweise junges Festival spielt sich im oberbayerischen Fünfseen-Land, genauer gesagt am Ammersee ab: die AMMERSEErenade. Zum zweiten Mal wird in diesem Sommer das Ufer des idyllischen Voralpensees zum Klingen gebracht. Dabei dienen so unterschiedliche Spielorte wie der Braunviehstall von Achselschwang, das Bootshaus in Utting, der Florianstadl von Kloster Andechs, die Klosterkirche von St. Ottilien oder das Herrschinger Kurparkschlösschen als Veranstaltungsräume. Auch programmatisch wird einiges geboten: Konzerte mit der Sopranistin Juliane Banse, dem Perkussionisten Alexej Gerassimez, den Singphonikern oder dem Janoska Ensemble aus Wien.
Als besonderes Schmankerl bietet das Festival zur Einstimmung am 2. August im Innenhof des Klosters St. Vinzent in Diessen ein Familien-Open Air: "Picknick mit Tschaikowsky". Zur Festivaleröffnung am 30. August stehen dann für musikalische Darbietungen aller Art die Türen zu den privaten Kapellen der Bauernhöfe und Landgüter rund um den Ammersee offen. Und auch junge Talente aus der Region bekommen ein Forum: in einer täglich stattfindenden "Happy classic hour" können sie sich dem Publikum präsentieren - am knallroten Steinway Flügel in einem umfunktionierten Kuhstall.
Im Lauten- und Geigenbau hat die Allgäuer Stadt Füssen eine lange Tradition. Auf dieses historische Erbe und auf diese Bedeutung für die europäischen Musikgeschichte bezieht sich der Name des Festivals „vielsaitig“. Die diesjährigen Konzerte stehen unter dem Motto „baRock“, was einerseits eine Referenz an den Hauptveranstaltungsort, das prächtige Barockkloster St. Mang ist, andererseits aber auch die breite Palette des Musikprogramms widerspiegelt. Eben viels(a)eitig.
Das Verdi Quartett eröffnet mit feiner Streichquartettkunst, das Freiburger Barockorchester widmet sich "Bach und seinen Kollegen", nach dem Rock im Barock sucht das Akamas Duo, Bachs "Kunst der Fuge" wird von vier unterschiedlichen Formationen realisiert und das David Gazarov Trio verwandelt Bachs Musik mit leichter Hand in mitreißende Jazzstandards. Zum Rahmenprogramm des Festivals "vielsaitig" gehören auch in diesem Jahr wieder Meisterkurse, Exkursionen, Führungen, Lesungen und Vorträge zum Festivalprogramm. Ein kulturelles Rundumprogramm.
Die Flötistin Dorothee Oberlinger | Bildquelle: Dorothee Oberlinger Die Aschaffenburger Bachtage gehören seit über einem Vierteljahrhundert zu den wichtigsten Konzertreihen in Unterfranken. In diesem Jahr lautet das Motto "Der junge Bach", ist also jenem noch ungestümen Musiker gewidmet, der in Arnstadt seine erste Anstellung als Organist antrat, der sich dort in seine erste Frau Maria Barbara verliebt hatte, der durch seine kreativen Eigenmächtigkeiten im Orgelspiel Aufsehen erregte, der sich unerlaubten Urlaub gönnte und der sich auf dem Marktplatz mit einem Musikschüler prügelte.
Musikalisch wird diesem "jungen Bach" u.a. von dem Organisten Christoph Emanuel Seitz, dem Cellisten Bonian Tian, der Flötistin Dorothee Oberlinger, dem Tenor Julian Pregardien oder dem Süddeutschen Kammerchor gehuldigt. Durch das pfiffig-freche Musical "Bach forever" werden Kindern und Jugendlichen Einblicke in Bachs Leben und Werk vermittelt.
Als stimmungsvolle Veranstaltungsorte dienen in diesem Jahr die Stiftsbasilika, die Christuskirche und die Sandkirche von Aschaffenburg sowie der Festsaal von Park Schönbusch.