Wilhelm Killmayer war eine der eigenwilligsten Künstlerpersönlichkeiten mit einer charakteristischen Klangsprache fern jeglicher Schulen und Stile. Einer Musik, die bisweilen traditionell und romantisch klingt, trotzdem jedoch mit Brüchen und Überraschungen arbeitet. Am 20. August 2017 ist der Münchner Komponist einen Tag vor seinem 90. Geburtstag verstorben, wie BR-KLASSIK aus dem Familienkreis Killmayers erfahren hat.
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Konsequent gegen den Strom
Zum Tod des Komponisten Wilhelm Killmayer
Wilhelm Killmayers Musik vollzieht die Wende nach Innen und sucht die Nähe bei großen "Umnachteten" wie Schumann und Hölderlin. Vielgestaltig ist sein Oeuvre: Es umfasst Kammermusik, Ballette, Opern, Symphonien, Chorstücke und über 200 Lieder, darunter die international viel beachteten drei Hölderlin-Liederzyklen.
Zuerst wollte ich nur Dirigieren.
Schon als kleines Kind wollte Wilhelm Killmayer, der am 21. August 1927 in München zur Welt kam und an der dortigen Musikhochschule lange Zeit als Kompositionsprofessor wirkte, Musiker werden. "Zuerst wollte ich nur Dirigieren und habe dann viel Musik gehört", sagte Killmayer einmal in einem Interview. "Mein Vater war Lehrer und hat auf der Orgel gespielt. Und er hat auch manchmal Kinder und Schüler begleitet, die Trompete gespielt haben. Das hat mich alles sehr interessiert und das wollte ich eben auch machen."
Killmayer war vier Jahre alt, als der Vater starb - die Liebe zur Musik aber blieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er in seiner Heimatstadt Kontrapunkt, Harmonielehre, Dirigieren und Komposition. Er wurde Schüler von Carl Orff, der ihm riet, "nicht auf die anderen Leute zu hören". Killmayer wählte unbeirrt seinen eigenen Weg, galt schon früh als "Unzeitgemäßer", der den theoretischen Dogmen der seriellen Musik einen eigenen Personalstil entgegen stellte. Er schrieb eine Musik, die den Blick zurück ebenso wagt wie die konsequente Reduktion - eine Musik, die Vieles in sich vereint: Melancholie und Komödiantisches, gläsernen Stillstand und melodische Bewegung, Naturlaute, Tiefsinn und skurrilen Humor.
Für mich ist Musik individuell, es ist meine Sache: Das bin ich, der das schreibt, und fertig.
Seine Kollegen schätzten Wilhelm Killmayer als "einen der bedeutendsten Außenseiter der Musik seit 1945". Klarinettist und Komponist Jörg Widmann sagte über ihn: "Wir können uns gar nicht die Kraftanstrengung vorstellen, derer es bedurft hat, über Jahrzehnte diese Musik, und zwar, ohne sich jemals zu wiederholen, diese Stilistik, diese Ästhetik, an die er einfach geglaubt hat, durchzuführen."
Und Wilfried Hiller, der in den 1970er-Jahren mit seinem Ensemble "musik unserer zeit" manche Kammermusik Killmayers uraufgeführt hat, meint: "Man hat bei Killmayer, der ja diese Art des seriellen Komponierens total abgelehnt hat, neu gelernt, zu hören, der Musik zuzuhören, und das war unglaublich reizvoll." Auch Helmut Lachenmann und Wolfgang Rihm würdigen seine eigenständige Leistung als Komponist. Killmayer sei ein geistvoller Komponist gewesen, so Lachenmann, und im Grunde sei das entscheidend. Für Rihm war Killmayer ein genialer Liederkomponist, durch dessen Beispiel er überhaupt erst wieder ins Liederkomponieren gekommen sei. "Seine Anregung, das ist so was von einzigartig. Wenn ein Liederkomponist in unserer Zeit lebt, der genuin Lieder schreiben kann, dann ist es er."
Sendung: "Allegro" am 21. August 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Im BR Fernsehen gibt es den Dokumentarfilm über Wilhelm Killmayer: "Die Stille vor dem Ton" (1988) - in der Nacht auf Dienstag, 22. August 2017, um 00.05 Uhr.