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Zum Tod des Regisseurs Hans Neuenfels Einfallsreicher Provokateur

Hans Neuenfels galt als Altmeister des deutschen Regietheaters. Blieb bis zuletzt auch ein großer Streitbarer: Oft gab es Ärger, wenn er auftauchte. Sein Berliner "Idomeneo" oder der Bayreuther "Lohengrin" polarisierten wie wenig andere Opern. Dabei gaben seine Inszenierungen vor allem dem Unterschwelligen und Zwischenzeiligen Raum. Jetzt ist Hans Neuenfels im Alter von 80 Jahren in Berlin verstorben. BR-KLASSIK erinnert an den großen Theater- und Opernregisseur.

Hans Neuenfels | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Ein Provokateur blieb Hans Neuenfels zeitlebens. Aufregung gab es nicht nur bei seiner spektakulären Lohengrin-Inszenierung im Jahr 2010 in Bayreuth. Skandale begleiteten schon seine frühen Theaterarbeiten. Hans Neuenfels inszenierte damals vom "Living Theatre" beeinflusste Bühnenhappenings – darunter ein Jazz- und Lyrikhappening 1965 in Trier, für das er mit Flugblättern mit dem Aufdruck "Helfen Sie mit den Trierer Dom abzureißen?" warb.

Neuenfels' Anfänge: vom Happening zur Oper

Hans Neuenfels und Kirill Petrenko bei den Vorbereitungen zur UA von Miroslav Srnkas Oper "South Pole" | Bildquelle: Wilfried Hösl Hans Neuenfels (l.) und Kirill Petrenko | Bildquelle: Wilfried Hösl In seiner Jugend war Hans Neuenfels zeitweilig Sekretär des Malers Max Ernst und hatte sich bereits als Schauspielregisseur einen Namen gemacht, bevor er 1974 mit seiner ersten Opernregie, dem "Troubadour" in Nürnberg,  Aufsehen erregte. Schon in dieser Produktion zeigte sich seine spezifische, eigenwillige Sichtweise auf das Opernrepertoire, die dem Unterschwelligen der Musik und dem Zwischenzeiligen der Texte nachspürte und so oft überraschend neue, ja zuweilen verstörend ambivalente Perspektiven auf die Werke eröffnete.

Immer neugierig und als großer Kenner der Operngeschichte, der sogar selber einige Libretti verfasste, wandte sich Hans Neuenfels auch entlegeneren Werken des Repertoires zu. So inszenierte er 2010 in München beispielsweise die nahezu unbekannte "Medea" des Deutschitalieners Giovanni Simone Mayr.

Neuenfels Regie verändert den Blick auf vertrautes Repertoire

Viele Opern sieht man Dank der Regiearbeiten von Hans Neuenfels heute anders. Über Jahrzehnte prägte er die Entwicklung des Musiktheaters entscheidend mit. Gefeiert und beschimpt wurde sein "Macbeth" 1976 in Frankfurt. Wütende Publikumsproteste gab es auch 1981 bei seiner inzwischen legendären Frankfurter "Aida", die er als suggestive "Archäologie des Unbewussten" gestaltet hatte.

Aufsehen erregten auch seine "Macht des Schicksals" 1982  an der Deutschen Oper Berlin. Im Jahr 1998 erhielt die Staatsoper Stuttgart für die Produktion von Mozarts "Entführung aus dem Serail", die Neuenfels als komplexes Spiel der Verdoppelungen inszeniert hatte, den Bayerischen Theaterpreis. Seine umstrittene Deutung von Verdis Widerstandsoper "Nabucco", mit der er im Jahr 2000 Parallelen zum Holocaust zog, feierte die Wochenzeitung DIE ZEIT als "Opern-Coup" der Saison.

Neuenfels' umstrittenste Produktion: der Berliner "Idomeneo"

Hans Neuenfels | Bildquelle: dpa-Bildfunk Neuenfels bei der Probe in Bayreuth | Bildquelle: dpa-Bildfunk Zu einem regelrechten Eklat führte im September 2006 die Wiederaufnahme seiner Idomeneo-Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin. In dieser Regiearbeit hatte Neuenfels der Mozart-Oper einen Epilog angehängt, in dem Idomeneo als Zeichen seiner Befreiung einen Sack mit den abgeschnittenen Häuptern von Poseidon, Jesus, Mohammed und Buddha auf die Bühne wirft. Wegen der religionskritischen Symbolik dieser Inszenierung, die auch vor dem Islam nicht halt macht, befürchtete das Berliner Landeskriminalamt unkalkulierbare Sicherheitsrisiken durch islamistische Proteste. Kirsten Harms, die Intendantin der Oper, setzte die Aufführung daraufhin ab, was eine Welle des Protests bei Künstlern und Politikern auslöste. Gegen Ende des Jahres 2006 wurde die Produktion dann doch noch zweimal aufgeführt.

Provokateur mit nachhaltigem Einfluss

Geschont hat sich Hans Neuenfels nie. In seinem künstlerischen Anspruch war er kompromisslos – vor allem sich selbst gegenüber. Vielleicht lag hierin auch ein Grund für seine zahlreichen, von Alkoholexzessen begleiteten körperlichen und seelischen Zusammenbrüche. Als einfallsreicher und provokativer Opernregisseur, der an der Rezeptions- und Interpretationsgeschichte des Musiktheaters entscheidend mitgeschrieben hat, wird Hans Neuenfels in Erinnerung bleiben.

Sendung: "Leporello" am 7. Februar 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Mittwoch, 09.Februar, 21:31 Uhr

euphrosine

ziemlich ambivalent...

Seine Einstellung zu der im Artikel erwähnte "Medea" war wohl auch eher sowas wie "Ich verschrott´dich schon weg, du Schnepfe", was ihm leider ziemlich gut gelang. Der alte Kummer. Wenn die Regiessuer*innen halt zuweilen gar zu ungehemmt das Werk unter ihren Obsessionen ersticken (und umso betrüblicher, wenn es sich dann um etwas kaum Gespieltes handelt).
Ganz anders dagegen sein "South Pole", ebenfalls in München: gerade in der Zurückhaltung meisterhaft zum Leben erweckt!

Dienstag, 08.Februar, 00:21 Uhr

Der Beleuchter

Backstage

Die Aussenwirkung ist zweifelsohne gigantisch und da geht ein wirklich Großer! Aber fragt auch mal jemand wie die Arbeit mit ihm war? Rauchen trotz Rauchverbot, besoffen etablierte Sängerinnen mit „lauf schneller du Schnepfe“ beschimpfen, morgens in der Probe schlecht gelaunt weil verkatert, Mittags ging es und Abends schlecht gelaunt weil besoffen… es war kein Spaß mit ihm arbeiten zu müssen!

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