In diesem Jahr ist Frank Castorfs "Ring" zum letzten Mal bei den Bayreuther Festspielen zu sehen - im kommenden Jahr müssen die Wagner-Fans auf die Tetralogie verzichten, lediglich die "Walküre" gibt es dann noch einmal zu erleben. Am 3. August sorgte Castorfs "Götterdämmerung" als "Ring"-Abschluss für begeisterten Beifall - und wenige, aber lautstarke Buhrufe.
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Diese Götterdämmerung spielt im geteilten Berlin der 80er Jahre: Gunthers Gibichungenhalle ist eine Dönerbude in Kreuzberg, direkt an der Mauer gelegen. Sein intriganter Halbbruder Hagen kann sie jederzeit durch eine Geheimtür passieren und landet dann in einem grauen Ostberliner Mietshaus mit der Leuchtreklame "Plaste und Elaste aus Schkopau" darüber.
Brünnhildes Walkürenfelsen sieht aus wie der vom Künstler Christo verhüllte Reichstag mit einem silberglänzenden Wohnwagen davor, der auch schon im "Rheingold" und im "Siegfried" als Behausung diente. Gegen Ende dann, wenn die blutige und brutale Geschichte um den gestohlenen Ring des Nibelungen neben Siegfried noch weitere Opfer gefordert hat, wird das große Gebäude enthüllt und entpuppt sich als New Yorker Börse.
Als die entehrte, rächende Brünnhilde schließlich den Rheintöchtern den fluchbeladenen Ring zurückgibt, geht weder Walhall in Flammen auf, noch tritt die Spree über ihre Ufer. Statt Weltenbrand und Erlösung sieht man in einer Filmsequenz, wie der tote Hagen in einem Boot liegend aufs Wasser hinausgestoßen wird.
Marek Janowski, der den Bayreuther Ring im zweiten Jahr dirigiert, hat nach Abstimmungsschwierigkeiten im "Rheingold" ab der "Walküre" Tritt gefasst und gestaltet den Wagner-Klang in der "Götterdämmerung" souverän. Zusammen mit dem hervorragenden Festspielorchester schafft er im letzten Teil der Tetralogie ein recht ausgewogenes dynamisches Klanggewebe mit leichter Tendenz zum volltönenden Orchestertutti. Janowski lässt die motivreiche Musik jetzt organisch strömen.
Sängerisch ist die "Götterdämmerung" - wie der ganze Ring - eine Glanzleistung. Allen voran ist die Britin Catherine Foster in der Rolle der Brünnhilde zu nennen, die auch den stärksten Applaus bekam. Foster ist eine vollendete Darstellerin der gefallenen, verschleppten und verratenen Walküre. Mit ihrer Stimmkultur, die über makelloses Piano ebenso verfügt wie über unangestrengtes Forte, ist die dramatische Sopranistin eines der Kraftzentren dieses Rings.
Heldentenor Stefan Vinke als Siegfried schonte sich nicht und hielt seinen kraftvollen Fortegesang bis zum Ende des Abends durch. Bass Stephen Milling als Hagen ist ein richtig böser, stimmgewaltiger Ränkeschmied, der Siegfried und seinen Halbbruder Gunther brutal mit dem Baseballschläger ermordet. Ungewöhnlich überzeugend war auch Markus Eiche als Gunther. Er verlieh der Figur, die häufig als schwach und leicht beeinflussbar dargestellt wird, mit seinem zornigen Bariton eine neue, überraschende Note. Und auch der Männerchor der Gibichungen sang mit schneidender, angsteinflößender Aggressivität.
Viel Beifall gab es zum Abschlus dieses sängerisch und szenisch starken Rings. Nur Regisseur Frank Castorf musste auch einige lautstarke Buhrufe einstecken. Aber - das war nichts im Vergleich zu dem Buhgewitter, das er im ersten Ring-Jahr 2013 durchzustehen hatte.
Samstag, 19. August 2017, 18.05 Uhr
in Surround in einem Mitschnitt vom 3. August 2017
Musikalische Leitung: Marek Janowski
Regie: Frank Castorf
Siegfried: Stefan Vinke
Gunther: Markus Eiche
Hagen: Stephen Milling
Alberich: Albert Dohmen
Brünnhilde: Catherine Foster
Gutrune: Allison Oakes
Waltraute: Marina Prudenskaya
Sendung: Allegro, 04. August 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK