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Bayreuther Festspiele

24. Juli - 27. August 2024

Kritik - "Walküre" bei den Bayreuther Festspielen Ausflug nach Aserbaidschan

Wie schon im "Rheingold" gibt es auch in der aktuellen Bayreuther "Walküre" viele Neubesetzungen bei den Sängern - einzig Catherine Foster als Brünnhilde ist seit dem Premierenjahr 2013 mit von der Partie und überzeugt auch heuer mit gut fokussiertem, dramatischem Sopran.

Zugegeben: Nach dem bunten, hitzigen und video-hektischen Auftakt im Rheingold im ranzigen Motel an der Route 66 tut ein wenig Beruhigung ganz gut. Frank Castorf springt für seine "Walküre" ins Aserbaidschan des späten 19. Jahrhunderts: Erdöl als grobe Klammer und Symbol für den Ring, hier mit Anspielung auf den Arbeiteraufstand bei frühen Ölförderungen. Das riesige Holzkastell, das Aleksandar Denić auf die Drehbühne gezimmert hat, kann Hundings Hütte sein und Walhall, die vielen Nischen und Zwischengeschosse werden überschaubar bespielt und nur selten mit Videos projiziert. Überschaubar auch die Personenregie, vor allem bei den großen Szenen zwischen Siegmund und Sieglinde im ersten sowie Brünnhilde und Wotan im dritten Aufzug. 

Catherine Foster als stimmgewaltige Brünnhilde

Bis auf Catherine Foster, die als Einzige seit 2013 als stimmgewaltige und mittlerweile sicherere Brünnhilde mit dabei ist, sind alle Partien neu besetzt, allerdings nur bedingt glücklich. Am stärksten fällt das bei Heidi Melton als Sieglinde auf - sie sprang zwar erst Anfang Juli für Jennifer Wilson ein, aber schon im ersten Aufzug lässt sie erkennen, dass sie die Höhe nur durch Lautstärke mit starkem Vibrato erreicht, was beim "hehrsten Wunder" im dritten Aufzug dann ins grenzwertiges Pressen driftet. Fragwürdig, warum man da keine andere Wahl gefunden hat, Sieglinden gibt es derzeit viele Bessere. Fragwürdig auch, warum Marek Janowski dann auf seinen enorm schnellen Tempi beharrt und damit noch mehr als ohnehin für Kurzatmigkeit sorgt. Das bekommt dann auch ein gestandener Siegmund wie Christopher Ventris zu spüren, der bei den berühmten "Winterstürmen" kaum hinterherkommt. Dafür vermag er aber seine Stimme ungleich klüger zu bündeln als seine Bühnenpartnerin, sein Tenor klingt warm und kräftig und erholt sich auch immer wieder nach zwischenzeitlichen Wacklern.

Der Wotan ist bei John Lundgren unterm Strich gut aufgehoben - in der Tiefe noch dünn, aber mit sehr präsenter und erdiger Vokalfarbe, nie schneidend oder kehlig - und mit guten Kraftreserven. Luxusbesetzt wiederum Georg Zeppenfeld als Hunding mit überragendem, wunderbar klarem, nicht-orgelndem Bass und bester Textverständlichkeit. Sarah Connolly hat sich als einzige Überbleibende unter den Sängern aus dem Rheingold gesteigert, könnte die Bögen und Höhe aber noch stärker fokussieren.

Janowski - ein Feind des Regietheaters?

Marek Janowski hat sich von der Abgeklärtheit und Geradlinigkeit im Rheingold freigemacht - schon der Tremolo-Auftakt zu Beginn hat mehr Feuer als die Reise nach Nibelheim einen Tag zuvor. Insgesamt legt er über die gesamte Strecke ein Tempo vor, das es in sich hat. Da gelingen zwar tolle Akzente und Farben zwischen den Instrumentengruppen, was man vorher vermisst hat, Manches aber gerät verwackelt zwischen Graben und Sängern oder lässt keinen Gefühlsteppich zu, frei nach dem Motto: gleich weiter. Aber vielleicht ist das auch sein Ziel: Das, was auf der Bühne passiert, dürfte den Regietheaterfeind Janowski ohnehin wenig interessieren, da will er also die Musik klar trennen, als (von Wagner ja auch so komponierte) Bildersprache für sich. Aber ganz ohne Mitatmen geht’s natürlich auch nicht.

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