Bayreuther Festspiele
24. Juli - 27. August 2024
Die Bayreuther Festspiele haben ihre eigenen Gesetze. Wie Sie den Weg auf den Grünen Hügel finden, was in und um das Festspielhaus zu beachten ist und wie man in den Pausengesprächen glänzen kann – Tipps mit einem Augenzwinkern von unserer Bayreuth-gestählten Reporterin Antonia Goldhammer.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Insider-Tipps für die Bayreuther Festspiele
Richard Wagner wollte das so
Eine Reise zum Grünen Hügel mit dem Zug kann durchaus eine Herausforderung sein. Deshalb am besten zeitig aufbrechen.
Steigen Sie in Nürnberg in den richtigen Teil des Zuges! Klar, Hof und Marktredwitz sind schön, aber dort gibt’s halt kein Musikdrama. Bayreuth ist irgendwie am Ende der Welt, aber genau darum geht’s ja: Sie sollen wegen der Festspiele wohin fahren, wo Sie sonst nie hinwollen würden. Richard Wagner wollte das so.
Timing ist in Bayreuth alles – auch der Gang zur Toilette. Im Festspielhaus sollten Sie Toilettendame Sieglinde in ihrem Schattenplätzchen unbedingt einen Besuch abstatten, bevor sie nächstes Jahr in Rente geht.
Gehen Sie in den Einführungsvortrag. Lesen Sie das Libretto vorher. Es gibt keine Übertitel. Und die sind auch uncool, die würden die Illusion brechen, und wir sind hier für die Illusion (Richard Wagner wollte das so). Die Profis wissen also schon vorher alles über das Stück und stürzen sich überladen mit Wissen in die Vorstellung. In der Pause belehren sie dann ihre Sitznachbarn.
Ihr Revier nennt sie gerne das Schattenplätzchen: 2019 macht Toilettendame Sieglinde letztmalig vor der Rente ihr Geschäft im Festspielhaus. | Bildquelle: BR/Antonia Goldhammer Timing ist alles: kommen Sie am Tag vorher (Richard Wagner wollte das so). Kalkulieren Sie das Fassungsvermögen ihrer Blase, am besten schon Wochen vorher in Testläufen: vormittags viel trinken, nach 15:00 Uhr nichts mehr. Besuchen Sie in jeder Pause Sieglinde. Ja, so heißt die Toilettendame der Bayreuther Festspiele wirklich. Und ja, besuchen Sie sie nicht erst zum Ende der Pause. Apropos Timing in der Pause: Die Fanfaren sind schön, aber wer in Loge, Balkon oder Galerie – kurz im "Turm" – sitzt, muss spätestens nach der zweiten Fanfare los – vorausgesetzt, er will nicht mehr zu Sieglinde. Wenn die Türen zu sind, sind sie zu. Da kommt keiner mehr rein. Richard Wagner wollte das so.
In Bayreuth sitzen (fast) alle in der (fast) ungepolsterten Holzklasse. Und ein zuverlässiges Deo gehört zur Grundausstattung ...
Holzklasse für alle | Bildquelle: Bayreuther Festspiele GmbH / Foto: Jörg Schulze
Generell gilt: Handyfotos sind uncool. Vor allem, wenn irgendwas auf der Bühne fotografiert wird, und sei es nur der Schlussapplaus. Lassen Sie es einfach.
Es wird eng drinnen. Also lassen Sie die Taschen draußen. Im eigenen Interesse: Eine Tasche könnte bereits leichte Luftzüge aufhalten, und Sie werden jeden, wirklich jeden leichten Luftzug wollen. Denn ja, es wird heiß. Sehr heiß. Darum gilt auf allen Plätzen: Ausziehen ist erlaubt, ignorieren Sie die Etikette, weg mit dem Jackett! Wählen Sie leicht ausziehbare Schuhe – aber Vorsicht, sie müssen bequem sein, denn die Füße schwellen während der Vorstellung in der Hitze an. Nicht, dass Sie dann am Ende eines Aufzugs nicht mehr reinkommen in die Schuhe. Und bitte: Wir wissen, dass es ungesund ist, aber bitte, bitte, im Sinne der anderen 1973 Zuschauer: Sparen Sie nicht am Antitranspirant. Dieseln Sie sich richtig ein – Aluminium, ja bitte!
Und überhaupt, auch in Bayreuth gilt: Seien Sie nett zueinander! Testen Sie ihre Hustenbonbons vorher auf ihre klanglichen Qualitäten. Im Zweifel schlägt eine kurz klappernde Schachtel ein Minuten lang knisterndes Papier. Und wenn es doch mal knistert: Verdreschen Sie nicht jeden, der fächert, jede, die auf dem trotz Kissen unbequemen Sitz hin und her rutscht, um die Bandscheiben wieder zu ordnen, oder jeden, der mal hustet oder flüstert. Wobei: Flüstern Sie überhaupt nicht! Die Akustik ist wirklich gut. (Richard Wagner wollte das so.)
Picknicken und kneippen auf dem Grünen Hügel – so kommen Sie in den ausgiebigen Pausen wieder zu Kräften und machen sich fit für den nächsten Aufzug im Festspielhaus.
Kühltasche und Picknickdecke schlagen Sektempfang: Im Smoking auf der Wiese, im Ballkleid auf der Motorhaube - Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Richard Wagner wollte das so. Ja, Freunde, es hat Gründe, warum der Meister kein Foyer geplant hat, machen Sie das Beste draus.
Die Pausen in Bayreuth sind lang – eine gute Gelegenheit, beim Smalltalk mit Wagner-Wissen zu glänzen. Im Zweifelsfall liegen Sie mit "Richard Wagner wollte das so" immer richtig.
Tannhäuser
"Pariser oder Dresdner Fassung?
Der fliegende Holländer
"… is halt 'n Einakter …"
Tristan und Isolde
"Der Tristan-Akkord …"
Parsifal
"Ich verweigere die Indienstname einer missinterpretierten Geste Richard Wagners (die mitnichten dem Liebesmahl im ersten Aufzug eine sakrale Bedeutung, womöglich noch im Sinne eines arisierten Christentums, zuschreiben, sondern lediglich andeuten wollte, dass Wagner, der Theaterkonvention folgend, keinen Applaus bei der Generalprobe, weder nach den Aufzügen, noch nach der Vorstellung wünschte) und sehe mich als kritischer Wagnerkenner in der Pflicht, mich deutlich und hörbar von der in der Bayreuther Geschichte allzu lang praktizierten fatalen Vermischung von Kunst, Politik und Religion zu distanzieren – also klatsche ich nach dem ersten Aufzug."
Die Meistersinger von Nürnberg
"Der dritte Akt ist halt schon sehr lang und der Text ist aus heutiger Sicht kritisch, aber die Musik ist halt so gut."
Rheingold
"Aber der Chereau-Ring ...”
Walküre
"Aber der Chereau-Ring ...”
Siegfried
"Aber der Chereau-Ring ...”
Götterdämmerung
"Aber der Chereau-Ring ...”
Lohengrin
"Ich muss endlich mal nach Neuschwanstein!"
Allgemein
"Die Akustik ist wirklich einzigartig!"
"Das heißt hier ja Aufzug, nicht Akt."
"Aber ich fänd‘ ja die Frühwerke schon mal interessant ..."
Und das absolute Totschlagargument mit dem Sie immer, aber auch immer im Recht bleiben werden: "Richard Wagner wollte das so."
Sendung: Allegro am 24. Juli 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK.
Kommentare (3)
Donnerstag, 01.August, 13:14 Uhr
Tim K.
Großartiger Text, insbesondere die Smalltalk-Empfehlung zum Parsifal. Vielen Dank, Frau Goldhammer!
Freitag, 26.Juli, 22:43 Uhr
Sonja van Kleef-Hilzinger
Richard Wagner wollte das so.....
Köstlich!
Lange nicht mehr so gelacht!
Leider als Witwe keine Lust mehr, alleine, nach B. zu kommen:
es tut weh....
Freitag, 26.Juli, 14:51 Uhr
Liebau
RW
Als RIchard Wagner in Zürich zu Gast war, hat er sich sehr schlecht benommen und seinem Gastgeber nur Probleme bereitet. Er war der grösste Schnorrer und Schürzenjäger der Stadt, durch die ein allgemeines Aufatmen ging, als er endlich wieder gen Norden verschwand.