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40 Jahre Jazzclub Unterfahrt Der Jazz am Ende des Tunnels

Sie ist die große Konstante des Jazz in München und ganz weit darüber hinaus. Die Unterfahrt wird 40 Jahre alt. Vom Jazzclub unter vielen hat sie sich zu einer der bedeutendsten Kulturinstitutionen Europas entwickelt. BR-KLASSIK gratuliert!

Mark Turner Quartet in der Unterfahrt | Bildquelle: Ralf Dombrowski

Bildquelle: Ralf Dombrowski

Im Jahr 1984 sah alles noch etwas anders aus:
"Nach dem Live-Musik-Aus für zum Beispiel die Drehleier und die Vielharmonie, muss man ein Um-sich-Greifen des Jazzclub-Sterbens befürchten. Noch gibt es das Jazzlokal Unterfahrt in Haidhausen, wo wir am 31. August 1984 die Gruppe 'Clocks' belauschten."
Noch gibt es die Unterfahrt, sagte Jazzmoderator Joe Kienemann in seiner "Jazz-Club München"-Sendung im Herbst 1984. Und es gibt sie heute noch. Andere Clubs und Spielstätten sind gekommen und gegangen, sie ist geblieben. Und sie hat immer mehr an Strahlkraft gewonnen.

Die Heimat des Jazz

Besondere Spielorte haben eine ganz eigene Aura. Die kann man nur ganz subjektiv erleben. Etwa so: Als ich das erste Mal die Unterfahrt betrat, hatte ich das Gefühl, einen sagenumwobenen Ort zu besuchen. Ich war einfach nur Konzertbesucher und trotzdem war ich nervös. Hatte ich schon genug Jazz gehört und mich schon intensiv genug mit dieser Musik auseinandergesetzt, um hier Musik anhören zu dürfen? Im Jahr 2001 war das. Es spielte die Band des legendären Schlagzeugers Louis Hayes, und ich saß ganz hinten am Notausgang auf einem Barhocker und trotzdem fühlte ich mich mittendrin. Ich kannte kein Stück, wusste nichts über die anderen Musiker, aber ich spürte eine packende Atmosphäre, die der Ort und die Musiker ausstrahlten. Hier hat Jazz eine Heimat, das war mir nach dem Konzert klar. Hier muss ich öfter hin. Da war die Unterfahrt schon in ihrem neuen Zuhause: 1998 hatte sie Räume des heutigen Einstein-Kulturzentrums - ehemalige Brauereikeller in der Einsteinstraße 42 - bezogen.

Geboren in der Kneipe

Der Geburtsort der "Unterfahrt" ist aber ein anderer. Die Eisenbahnerkneipe "Zur Unterfahrt" am Haidenauplatz, irgendwo zwischen halbschickem Haidhausen und kargem Industriegebiet hinter dem Münchner Ostbahnhof, da wo die Trambahn unter den Bahngleisen eine "Unterfahrt" vollzieht, war das erste Zuhause des Clubs, gegründet im Jahr 1978.
Musiker der Münchner und der Bayerischen Szene, aber auch europäische Avantgarde-Jazzer, traten hier auf. Free Jazz erklang und erhitzte die Gemüter.

Im Jahr 1980 gründete sich der "Förderkreis Jazz und Malerei München e.V." und wurde Trägerverein der Unterfahrt. Dieser stellte auch die Verbindung von Kunst und Jazz sicher. Die Unterfahrt ist nicht nur Konzertraum, sie ist immer auch Ausstellungsraum für moderne Kunst. Von Fotografie bis zu abstrakten Gemälden, alles findet in der Unterfahrt einen Platz.
Schnell stieg das Ansehen des Clubs und im Jahr 1983 lobte Jazzmoderator Joe Kienemann die Unterfahrt mit den Worten:

Münchens konsequentester und progressivster Jazzclub
Joe Kienemann

Die Unterfahrt wurde zu Münchens Dreh- und Angelpunkt für die Jazzszene Deutschlands und die international tourenden Musiker. Die Gründe dafür sind ebenso vielfältig wie das Programm der Unterfahrt.

Gründe des Erfolgs

Gitarrist Wolfgang Mutspiel, Bassist Larry Grenadier und Schlagzeuger Brian Blade im Jazzclub Unterfahrt | Bildquelle: Ralf Dombrowski Bildquelle: Ralf Dombrowski Die Unterfahrt hat im Einstein einen Ort gefunden, der die Erwartungen des Publikums an eine "Jazzclub-Atmosphäre" erfüllt. Die Tische stehen dicht zusammen, alles fokussiert sich auf die Bühne. Es ist eng, heiß, konzentriert. Es gibt eine perfekte Club-Gastronomie mit einigen Speisen und den passenden Getränken dazu. Die niedrige Bühne hebt die Musiker nur leicht hab, es herrscht wenig Distanz zwischen denen, die hören, und denen, die tönen. Geht man als Besucher aus dem Konzert, hat man das Gefühl, einen Abend mitgestaltet zu haben, gemeinsam mit allen anderen Anwesenden.


Ebenso geht es den Musikern, sie sind nah dran an ihren Adressaten. Ihre Musik muss keine Gräben überwinden, sie kommt schnell an und ihre Wirkung wird direkt zurückgespiegelt. Der - im Jazz so wichtige - Austausch mit dem Publikum funktioniert hier. Aber auch der Austausch unter den Musikern klappt, da die akustischen Verhältnisse sehr gut sind. Man hört sich auf dieser Bühne. Außerdem ist sie technisch hervorragend ausgestattet und wird von einfühlsamen und versierten Technikern betreut, wie etwa Robert Huber, der schon seit Jahren für den guten Ton dort sorgt.

Brad Mehldau | Bildquelle: www.bradmehldau.com Bildquelle: www.bradmehldau.com Der Förderverein als Träger der Unterfahrt und seine Mitglieder sind stark für die Zusammensetzung des Publikums verantwortlich. Hier kommen interessierte, neugierige Hörer. Ein Publikum, das einerseits weiß, was es hören will, andererseits offen ist für Überraschungen. Die Anzahl der Mitglieder spricht auch eine deutliche Sprache des Erfolgs: Ende der achtziger Jahre noch nicht mal 30, sind es heute 1280.
Drei Konzerte pro Woche gab es zu Beginn, heute ist an sechs Tagen die Woche ein Konzert, am siebten Tag Jamsession. Regelmäßig geschlossen hat die Unterfahrt nur am Karfreitag und an Silvester.

Das Programm spiegelt die ganze Vielfalt des Jazz wieder. Innerhalb einer Woche kann man dort einen amerikanischen Superstar, ein Weltmusik-Jazz-Projekt, eine Swingband, Pop-Jazziges, oder Elektro-Jazz hören, dazu jeden Montag Bigband-Musik.

Menschen machen es aus

Der vielleicht wichtigste Faktor ist aber, dass die Unterfahrt persönlicher Bezugspunkt von Musikern und Jazzfans gleichermaßen ist. "Mehr als ein Club, ein Ort an dem ich immer größte Inspiration haben kann", sagt der französische Saxophonist Matthieu Bordenave. "Das Herzblut von allen schlägt für eine gemeinsame Sache, für die Musik beziehungsweise den Jazz", so beschreibt es die Sängerin Veronika Zunhammer, und der Pianist und Bigbandleiter Christian Elsässer bezeichnet die Unterfahrt als sein "musikalisches Wohnzimmer".

Das hängt stark mit den Personen zusammen, die als Macher die Unterfahrt prägten. In den ersten Jahren war das Lisl Geipel, sie wird als Wirtin, Organisatorin und "Mädchen für alles" beschrieben und war für Musiker und Gäste die gute Seele der "alten Unterfahrt". Oder natürlich Christiane Böhnke-Geisse, die 2014 als Programmgestalterin der Unterfahrt aufhörte. Mit unzähligen Musikern hat sie telefoniert, E-Mails geschrieben, Gagen verhandelt, in der Garderobe vor und nach dem Konzert geplaudert. Saß man bei ihr im Büro, klingelte ununterbrochen das Telefon und es konnte passieren, dass sie auf das Display schaute und sagte: "Das ist New York, da muss ich drangehen". Und Michael Stückl. 1987 kellnerte er in der Unterfahrt, 1989 wurde er dann in den Vorstand gewählt und seit Jahren ist er als erster Vorsitzender des Fördervereins aktiv. Neben seiner Arbeit als Mediziner kümmert er sich um die Belange der Unterfahrt. Er ist ein Getriebener, der sich für diesen Club kompromisslos zerreißt. So war er in unterschiedlichen Funktionen an der Organisation von über 10.000 Konzerten beteiligt.

Joey DeFrancesco live im Jazzclub Unterfahrt 19.07.2017 | Bildquelle: Rita Mbeba Bildquelle: Rita Mbeba Eine schier unendliche Zahl an Stunden meist ehrenamtlicher Arbeit stecken in dem ganzen Gebilde "Unterfahrt". Dieser Jazzclub ist eine Herzensangelegenheit für ganz viele Menschen. Auch für die Stadt München, die die Unterfahrt seit Jahren unterstützt und weiß, was sie an diesem Club hat.
Dieses hohe Ansehen in der Szene steigerte aber auch den Druck auf die Unterfahrt. Sie spielt in der Champions League und hat ihrem selbsterarbeiteten Ruf gerecht zu werden. So manche turbulente Zeit hat sie schon überstanden und sicher ist es eine dauerhafte Bewährungsprobe, im internationalen Kulturbetrieb auf höchstem Niveau zu bestehen.

In diesem Keller am Ende des Tunnels hat der Jazz seine Heimat, hier dürfen ihn Musiker und Publikum gleichermaßen feiern und genießen.

Seit 2001 war ich unzählige Male in der Unterfahrt. Aber der Reiz dieses Ortes, dieses langen Tunnels, dieser Bühne ist nicht weniger geworden. Ganz unterschiedliche Musikerinnen und Musiker habe ich auf die Bühne gehen sehen, aber immer hat es geprickelt, bei mir und ich glaube auch bei ihnen.

Celebrating Fourty Years of Finest Jazz

Das 40-jährige Bestehen der Unterfahrt wird am Wochenende vom 15. bis zum 18. März mit Sonderkonzerten gefeiert, BR-KLASSIK überträgt live am Freitag, 16. März, ab 22.05 Uhr die Konzerte der Band "Oregon" und des "Shinya Fukumori Trios".

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