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50 Jahre Montreux Jazz Festival Wo Miles lachte und Claude kochte

Ein halbes Jahrhundert wird das berühmteste Jazzfestival Europas in diesem Jahr, und ein Mann hat es geprägt wie sonst keiner: Claude Nobs, auch bekannt unter seinem Spitznamen "Funky Claude". Er leitete und lenkte die Geschicke des Festivals von der Gründung im Jahr 1967 bis zu seinem Unfalltod im Januar 2013.

Impressionen vom Montreux Jazz Festival | Bildquelle: © 20xx FFJM Vincent Bailly

Bildquelle: © 20xx FFJM Vincent Bailly

In den 60er Jahren arbeitete Nobs als stellvertretender Direktor des Fremdenverkehrsamtes in Montreux und reiste nach New York. Als Netzwerker durch und durch knüpfte der Schweizer Kontakte zu Labelchefs und spann Fäden, die jahrzehntelang halten sollten. So kamen zur ersten Montreux-Ausgabe gleich namhafte Künstler, die bei der Plattenfirma "Atlantic" unter Vertrag waren: Saxophonist Charles Lloyd und seine Band, in der Keith Jarrett - damals noch ein junger, aufstrebender Pianist - mitwirkte.

Nicht nur Jazz in Montreux

Das Montreux Jazz Festival war geboren, auch auf Initiative des Pianisten Géo Voumard und des Radio-Journalisten Lance Tschannen, Claude Nobs war natürlich der Organisator. Was nun in den nächsten 50 Jahren in Montreux unter dem Namen "Jazz" auf die Bühne treten sollte, war weit mehr als man landläufig unter diesem Begriff versteht. Soul-, Pop- und Rockstars waren und sind hier ebenso gern gesehene Gäste, wie die ganz Großen des Jazz. Musik aus aller Welt, mit einer leichten Vorliebe für Lateinamerika, war außerdem von Anfang an ein großes Thema.

Impressionen vom Festival

"Smoke on the Water"

Eine legendäre Rockband, die - außerhalb des Montreux Jazz Festivals - im Dezember 1971 am Genfer See Plattenaufnahmen machen wollte, verpasste Nobs seinen Spitznamen. "Deep Purple" waren Zeugen des verheerenden Brandes im Casino in Montreux. Ihr Hit "Smoke on the Water" beschreibt, wie die Rauchschwaden über den See ziehen. Claude Nobs war mittendrin im Geschehen und half, wo er konnte. So heißt es im Lied übersetzt: "Funky Claude rennt rein und raus, zerrt Kinder auf den Rasen". Aber auch ohne diese Textzeile wäre "Funky" Claude Nobs eine Legende: Seine Programme für das Jazzfestival präsentierten nicht nur die großen Stars, sondern machten aus Nobodys gefragte Musiker.

Alles auf Film

Anekdoten und Legenden gibt es viele aus Montreux, auch unsterbliche Musikmomente, die sich oft Claude Nobs' freundlicher Beharrlichkeit verdanken. Er konnte durchsetzen, dass alle Konzerte audiovisuell aufgezeichnet wurden. So entstand zum Beispiel der einzige Konzertmitschnitt von Soulsänger Marvin Gaye. Nobs zeigte ihm die Aufnahmen von Aretha Franklin aus früheren Jahren und sagte: "Wenn wir Aretha filmen durften, können wir Dich doch auch filmen, oder?" Mehr als 4.000 Konzerte wurden im Laufe der Zeit aufgezeichnet, und sie wurden 2013 ins Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen.

BR-Klassik-Jazzredakteur Roland Spiegel über Claude Nobs:


"Er war ein weltoffener Grandseigner der Musikwelt. Ein sympathisch-listiger Verkäufer und ein Musikförderer mit weitem Horizont - einer, der mit dem Blick über den Genfer See hinweg immer Perspektiven fand, die für viele Geschmäcker interessant waren. Starke musikalische Rauchzeichen über dem Wasser der Improvisationskünste. Dazu ein ungemein freundlicher Zeitgenosse mit ganz viel lächelnder Überredungskraft."

"Funky Claude" jammte mit!

Claude Nobs Gründer des Montreux Jazz Festivals | Bildquelle: © Lukas Mäder Claude Nobs, der Gründer des Montreux Jazz Festivals | Bildquelle: © Lukas Mäder Auch Trompeter Miles Davis ist auf diesen Aufnahmen zu sehen. Eine wurde rund drei Monate vor dessen Tod gemacht und sie ist mehr als außergewöhnlich. Eigentlich spielte der Neuerer des Jazz nie alte Konzertprogramme. Aber für Nobs und den ewigen Montreux-Dauergast und Bigbandleiter Quincy Jones drückte er ein Auge zu und spielte Musik aus den Alben "Birth of the cool" oder "Sketches of Spain", begleitet von Orchester und Bigband. Im Konzertvideo sieht man eine seltene Geste des Trompeters: Miles Davis winkt beim Schlussapplaus mit dem Handtuch und lächelt ins Publikum. So etwas war nur am Ufer des Genfer Sees möglich, denn die Stars fühlten sich in dieser atemberaubenden Umgebung mit Seepromenade und Alpenblick wohl - und tun dies nach wie vor. Wichtiger Bestandteil in Montreux: die Jamsessions. Böse Zungen behaupten übrigens, Claude Nobs habe auf die spontanen Zusammenspiele der unterschiedlichen Musiker nur so viel Wert gelegt, um selbst seine Mundharmonika zücken und zusammen mit Santana und Al Jarreau oder auch mit Jethro Tull spielen zu können.

Die Tradition wird fortgeführt

Im Januar 2013 starb Claude Nobs völlig überraschend nach einem Unfall beim Langlaufen. Als Vater des Montreux Jazz Festival wird er, mitsamt seiner Mundharmonika, schmerzlich vermisst. Festival-Leiter ist seit 2013 Mathieu Jaton; er wurde schon zu Lebzeiten von Claude Nobs als Nachfolger auserkoren.
"Wir wollen so weitermachen, wie Claude es gefallen würde, mit offenem Geist und Herzen", sagt Quincy Jones in der Dokumentation "50 Jahre Montreux Jazz Festival" von Guillaume Delaperrière. Quincy Jones selbst ist natürlich zur 50. Ausgabe auch wieder dabei.

Infos zum Programm

Das Montreux Jazz Festival findet in diesem Jahr vom 1. bis 16. Juli statt.
Zu den Top Acts zählen Herbie Hancock, Patti Smith, Van Morrison, Neil Young und Quincy Jones.

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