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Zum Tod des Sängers und Pianisten Bob Dorough The World's Greatest Living Room Entertainer

Bob Dorough war ein Sänger, Pianist und Komponist der es verstand sein Publikum zu begeistern und der immer eine Geschichte zu erzählen hatte. Am 23. April ist der amerikanische Jazzmusiker im Alter von 94 Jahren gestorben. Im Interview spricht der Münchner Saxophonist Michael Hornstein über diese besondere Persönlichkeit.

Sänger und Pianist Bob Dorough | Bildquelle: Jan Roeder

Bildquelle: Jan Roeder

BR-KLASSIK: Michael Hornstein, wie und wann haben Sie herausgefunden, dass ein Verwandter von Ihnen ein so berühmter Jazzmusiker ist?

Michael Hornstein  und  Bob Dorough | Bildquelle: Jan Roeder Bildquelle: Jan Roeder Michael Hornstein: In den späten 70er und frühen 80er-Jahren wusste man das nicht. Es gab kein Internet, und Bob Dorough war nicht bei einem großen Plattenlabel. Den kannte hier keiner. Irgendwann erfuhr ich, dass die Schwester meiner Patentante nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA gegangen war und dort mit dem Jazzmusiker Bob Dorough verheiratet war. Ich schrieb ihm einen Brief, in dem ich mich beschrieb, und dass ich Jazzmusiker werden wollte. Er antwortete: Komm 'rüber in die USA. Dann holte er mich am Flughafen ab, kam viel zu spät und sah aus wie ein Hippie. Wir sind dann nach Pennsylvania rausgefahren, wo er auf einer baufälligen Farm gelebt hat. Dass er ein weltberühmter Musiker war, merkte man nicht. Es gibt diesen schönen Ausdruck über ihn: "The Worlds Greatest Living Room Entertainer". Das bringt es auch auf den Punkt. Er machte eine ganz intime Wohnzimmermusik. Er hat mit Saxophonist Phil Woods, seinem Nachbarn, in dessen Wohnzimmer vor zwanzig Leuten nächtelang gejammt. Es hat aber eigentlich Jahrzehnte gedauert, bis ich begriffen habe, welche Rolle er für den Jazz gespielt hat und ich habe erst bei unserer allerletzten Zusammenarbeit vor vier oder fünf Jahren richtig verstanden, wie wahnsinnig gut er ist.

BR-KLASSIK: Wie kann man die spezielle Musik von Bob Dorough beschreiben?

Michael Hornstein: Seine Musik erzählt immer eine Geschichte, und sie ist immer zutiefst emotional. Er hat seine Texte nicht nur vorgetragen, er hat diese Geschichten gespielt wie ein Schauspieler. Er sang ein Wort, und sein Gesicht hat alles ausgedrückt. Wenn er auf die Bühne ging und ins Publikum lächelte, haben die Leute ihn geliebt. Er hatte das gewisse Etwas, dieses Charisma.

BR-KLASSIK: Bob Dorough war in den 50er-Jahren in New York im Bebop-Zirkel um Charlie Parker präsent, nahm mit Miles Davis und anderen Stars der Zeit auf, aber seine Musik wirkt doch immer sehr eigen. Wie war sein musikalischer Werdegang?

Sänger und Pianist Bob Dorough | Bildquelle: Jan Roeder Bildquelle: Jan Roeder Michael Hornstein: Bob hat oft von seiner Jugend in Arkansas erzählt, wie er da am Radio hing und die Swingbands hörte, mit denen ist er großgeworden. Er hat dann in den 40er Jahren bei der Army Musik studiert und als Beruf erlernt. Die Bigbands waren der Brotjob und Bebop war die Kunst, und er hat nach dieser Kunst gegriffen. Aber er hatte eine wahnsinnig solide Ausbildung und ganz unterschiedliche Dinge gemacht: Sänger begleitet etwa, Sugar Ray Robinson zum Beispiel, bei dessen Tanzrevue, die der Boxer während seiner Auszeit vom Ring organisierte. Das musste Bob machen, um zu überleben.

BR-KLASSIK: In den 70er-Jahren komponierte Bob Dorough die Musik für die amerikanische Kinderserie "Schoolhouse Rock". Das sind Cartoons in denen Lerninhalte kindgerecht vermittelt werden, vielleicht vergleichbar mit der "Sendung mit der Maus" in Deutschland. Wie kam es dazu?

Michael Hornstein: Das war eigentlich ein Zufall. Der Sohn eines Freundes hatte große Schwierigkeiten mit Mathematik und der Freund dachte, wenn man dem Sohn diese Inhalte in Form von damals modernen Rocksongs erklären würde, dann würde er Mathematik viel besser lernen. Bob hat angefangen, diese pädagogischen Rocksongs zu schreiben und dann hat er das jahrelang für den Fernsehsender ABC gemacht. Diese Songs waren ganz akribisch und handwerklich sehr gut komponiert. Für die Leute, die in den 70er und 80er-Jahren jung waren, hat Bob mit dieser Musik zu "Schoolhouse Rock" eine unglaubliche Bedeutung.

BR-KLASSIK: Gibt es für Sie ein Erlebnis auf der Bühne mit ihm, das Sie nie vergessen werden?

Michael Hornstein: Jeder einzelne Moment. Ich habe selten jemanden mit so einer Ausstrahlung erlebt. Er hat die Leute unglaublich berührt und er war immer zeitlos. "I never cared about Age", er hat nie über das Alter nachgedacht. Alle seine Freunde um ihn herum sind gestorben, aber er ist immer positiv geblieben, das war beeindruckend.

Bob Dorough auf BR-KLASSIK

Classic Sounds in Jazz am 25. April 2018

Musik des legendären Tenorsaxophonisten und fünffachen Vaters Dexter Gordon sowie des "family projects" von Bandoneonspieler Dino Saluzzi und der Marsalis Family sowie eine musikalische Erinnerung an den vor kurzem verstorbenen Sänger und Pianisten Bob Dorough

Moderation und Auswahl: Ulrich Habersetzer

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