Man kennt ihn aus Konzerten des Popsängers Sting, aus aufregend temperamentvollen Jazzkonzerten – und aus Auftritten mit Symphonie-Orchestern: Der Saxophonist Branford Marsalis ist ein musikalischer Überwinder von Grenzen. Am 4. März gastiert er in München.
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Ein Marsalis-Porträt zum Anhören
Er versteht es, auf Anhieb zu fesseln. Seine Töne sind Statements – und nie selbstgenügsame Kunst. Man spürt sofort: Der Saxophonist Branford Marsalis, geboren 1960 in New Orleans, will die Zuhörer packen. Und er kann dies auch wie nicht viele andere seines Metiers. Branford Marsalis, Bruder des Trompeters Wynton Marsalis – und noch einiger weiterer hochbegabter Jazzmusiker, die weltbekannt wurden –, ist seit den 1980er Jahren einer der weltweit meistbeachteten Jazzmusiker. Und seit fast so langer Zeit auch in der klassischen Musikwelt bekannt.
Branford Marsalis | Bildquelle: Branford Marsalis Über seinen Einstieg ins klassische Geschäft findet er heute allerdings vor allem kritische Worte. Nach den großen Erfolgen seines ein Jahr jüngeren Bruders Wynton, der als Jazz-Solist und zugleich als Interpret der großen klassischen Trompeten-Literatur von Händel über Haydn bis Hummel gefeiert wurde, trug man auch an Branford Marsalis ein Projekt mit Stücken aus der E-Musik heran. 1986 erschien "Romances for Saxophone" mit langsamen Stücken von Debussy bis Ravel – und heute sagt er: "Das war keine wirklich gute Platte, aber die Leute mochten sie". Um dann noch hinterherzuschicken, das er vom Spieltechnischen her heute Vieles an dieser Aufnahme völlig anders machen würde. Außerdem: "Die langsamen Stücke schön zu spielen, das war das, was ich damals konnte – aber ich war noch längst kein guter klassischer Interpret".
Das wurde er aber mit der Zeit. 2016 etwa war Branford Marsalis im Münchner Nationaltheater zu hören mit dem Bayerischen Staatsorchester unter Dirigent Kristjan Järvi und etwa mit Stücken von Darius Milhaud und dem zeitgenössischen niederländischen Komponisten Jacob Ter Veldhuis. Und da zeigte er in einem Spiel von Temperamt und Tonschönheit, was für ein feiner Könner er auch in der klassischen Welt ist. Auf Darius Milhaud beruft er sich überhaupt gern: "Die Melodie ist das, was überdauert", sagt er mit Verweis auf ähnliche Aussagen Milhauds – und wenn ein Stück eine starke Melodie habe, dann interessiere es ihn viel mehr als Stücke voller abstrakter harmonischer und rhythmischer Kniffe.
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In einem ausführlichen BR-Klassik-Interview im Januar 2016 sagte Branford Marsalis auch einen Satz, der Jazzfans vermutlich erst einmal vor den Kopf stößt: "Die Leute mögen keine Soli, sie mögen Songs. Wenn der Song gut ist, dann tolerieren sie ein Solo.
Sehr gut gesagt. Der Satz könnte fast von Branfords Bruder Wynton stammen, der gern die fortschrittlich denkende Fraktion unter Jazzmusikern und -fans mit sehr zugespitzten Aussagen provoziert. Mindestens bei Branford Marsalis muss man sich ein leichtes Lächeln dazudenken – das aber im Gespräch seine Lippen nur in feinster Dosierung umspielt. Und wenn man diesen Musiker dann auf seinen Platten oder im Konzert Soli spielen hört, ist es gar keine Frage, ob man Soli möge oder nicht. Seine kann man gar nicht "nicht-mögen". Marsalis ist zu kantig-zeitgenössischem Ausdruck fähig und zugleich zu sinnlich ungemein schönem Klang. Er gibt seinen Tönen stets eine enorm klare Kontur – und baut musikalische Phrasen beim Improvisieren so auf, dass sie eine zwingende Logik ergeben. Er schält aus den Motiven eines Themas Klanggebilde heraus, die sich sofort erschließen – und die Lust machen auf immer noch mehr Töne.
Sowohl auf dem Tenorsaxophon als auch auf dem höheren Geschwister-Instrument, dem Sopransaxophon, ist Branford Marsalis ein packender Musiker. Das bei vielen Jazzern oft etwas näselnde und gern etwas harsch und schneidend klingende Sopransaxophon spielt er wie vielleicht kaum ein anderer Jazzkollege. Zum Dahinschmelzen sind seine Kantilenen da, das Sopransaxophon zeichnet unendlich weiche Linien. Und doch schmiegt es sich so gut wie nie einem allzu lieblichen Klang an: Pure Intensität spürt man auch in Momenten noch so schöner Tongestaltung bei Marsalis – egal, ob er einen Klassiker des Oldtime-Jazzers Sidney Bechet spielt, der aus New Orleans stammte und einst nach Paris ging. Oder ob Marsalis in Stings "Englishman in New York" das Sopransaxophon ungemein elegante Tänze über den Harmoniewechseln vollführen und schon mal einen elegischen Ton über mehrere Takte spannt und ihn dann in zarten Girlanden ausklingen lässt.
Sein Gastspiel in der Elbphilharmonie am 9. März ist längst ausverkauft – zuvor kann man das Branford Marsalis Quartet aber noch in München erleben.
Branford Marsalis spielt am 4. März, 20:00 Uhr, im Münchner Prinzregententheater.
Als Begleiter sind angekündigt: Joey Calderazzo, Klavier, Eric Revis, Bass, Justin Faulkner, Drums.
Sendung: "Allegro" am 1. März 2019 ab 6:05 auf BR-KLASSIK