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80. Geburtstag Klaus Doldinger "Zu Melodien gehört auch Mut"

Klaus Doldinger, TV- und Filmmusik-Komponist ("Tatort", "Das Boot") sowie Jazz-Saxophonist und Bandleader ("Passport") wird am 12. Mai 80 Jahre alt. BR-KLASSIK hat die deutsche Jazz-Legende mit der Kamera in seinem Studio besucht.

Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Klaus Doldinger zum 80. Geburtstag

Studiobesuch bei einer Legende

Er hat Musik geschrieben, die man sofort erkennt: Ein einziger dramatischer Instrumenteneinsatz – und man ist sofort am Tatort einer fast fünf Jahrzehnte währenden deutschsprachigen Fernsehgeschichte. Eine beunruhigende Kantilene aus der Tiefe: Schon ist man mit im "Boot". Eine schier unendliche Geschichte sind die berühmten Filmmusiken des in der Nähe von München lebenden Klaus Doldinger. Der Komponist und bekannte Jazz-Saxophonist, in dessen Langzeit-Band "Passport" einst die Pop-Schnodderschnauze Udo Lindenberg am Schlagzeug saß, wird am 12. Mai dieses Jahrs 80.

Über 4000 Konzerte, fast 40 Alben

Klaus Doldinger hat in einer mittlerweile sechs Jahrzehnte andauernden Karriere über 4000 Konzerte gegeben, rund 2000 Stücke geschrieben und allein mit "Passport" fast 40 Alben veröffentlicht. Klaus Doldinger wurde 1936 in Berlin geboren und wuchs unter anderem in Wien, im bayerischen Schrobenhausen und in Düsseldorf auf. In Düsseldorf studierte er am Konservatorium Klavier und Klarinette – beides klassisch. Aber er kam früh mit dem Jazz in Berührung. Dies schon durch die amerikanischen Truppen in Bayern:

Für mich war das ein völlig neues Erlebnis, dass da eine Band so mit wilden Tönen um sich warf.

Bereits 1953 trat Klaus Doldinger in der von Freunden gegründeten Dixieland-Band "The Feetwarmers" auf, die zwei Jahre später ihre erste Schallplatte einspielte. Später gründete er ein eigenes Quartett, mit dem er dem modernen "Bebop"-Stil frönte, jener Musik, die ein bisschen kantiger und hektischer ist als der Swing. Mit dieser Band konnte er dann 1963 bei dem Label "Philips" eine Platte machen, die "Doldinger – Jazz made in Germany" hieß.

Damit kam der Erfolgsweg dieses Musikers richtig in Gang. Doldinger wurde schnell zum Trendsetter mit dem Gespür für Moden. Eine hippe Brille mit dickem schwarzem Rand trug er in den Sechzigern, weißes Hemd, dunklen Schlips, und er sah ziemlich cool aus. Und sein schon zur Gründungszeit seines Quartetts bevorzugtes Instrument, das Saxophon, war ohnehin ein Symbol hippen neuen Lebensstil. Es war das bedeutendste Instrument jener Musik, die nach 1945 in Deutschland zum Soundtrack der wiederentstehenden Demokratie geworden war. Und: Es war ein Blas-Rohr von Freiheit und Neu-Aufbruch. Wirtschaftswunder, schicke Autos, rau röhrende Töne. Der Jazz war vor dem Rock’n’Roll der Sound der Jugend. Oder wie Doldinger sagt:

Der Jazz war unsere treibende Kraft.

Und diese für damalige Verhältnisse ungewohnt ekstatische, von Blues und Gospel beseelte Musik, war ein Klang mit deutlicher Wirkung. "Als die Doldinger-Vier 1965 beim Ball des Düsseldorfer Amateur-Jazz-Festivals den neuen Klang erstmals erprobte, mussten ohnmächtige Mädchen aus dem Saal getragen werden", stand im September 1965 im Nachrichten-Magazin "Der Spiegel". Weiter hieß es da: „Dezenter war das Entzücken, das Doldinger vorletzte Woche auf einer Party im Hause der Düsseldorfer Waschpulver-Gattin Gabriele Henkel weckte; zwischen Gedichtvorträgen blies er milder.“

Die einen bewundern es, die anderen werfen es ihm gerne vor: Klaus Doldinger ist ein Musiker mit Gespür für Erfolg. Schon immer hat er unterschiedliche Dinge ausprobiert. Unter dem Pseudonym "Paul Nero" spielte er schon früh auch Popmusik, damals "Beat-Musik" genannt, Tanzmusik mit Blues-Einflüssen – immerhin elf LPs dieser Art machte er. In den 1960er Jahren kam dann auch Einstieg in die Filmbranche. 1969 schrieb er seine ersten Filmmusiken – eine für "Negresco" von Klaus Lemke und "Baal" von Volker Schlöndorff. Bereits 1970 komponierte er die Kennmelodie für die Krimiserie "Tatort", von der damals noch niemand wissen konnte, dass sie ein Fernseh-Dauerbrenner mit einer Tragfähigkeit von bisher 46 Jahren werden würde. Mit dem Regisseur Wolfgang Petersen begann er 1974 zusammenzuarbeiten, 1981 und 1984 entstanden dann die Renner "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte" mit den populär gewordenen Filmmusiken von Klaus Doldinger: Musiken von hohem Wiedererkennungswert, die sehr geschickt mit atmosphärischer Intensität und überraschenden Stimmungs- und musikalischen Lichtwechseln spielt.

Der Saxophonist und Komponist Klaus Doldinger | Bildquelle: Warner Music Germany Bildquelle: Warner Music Germany Parallel dazu hatte Klaus Doldinger seine Band "Passport" gegründet. Der Name war eher Zufall: Man brauchte eine gute Plattenhülle, ein Foto mit Pässen darauf passte dem Label gut ins Design-Konzept. Die Musik dieser Band, in deren Gründungsformation der spätere Solo-Star des deutschsprachigen Rock, Udo Lindenberg, am Schlagzeug saß, erkannte wieder sehr geschickt die Zeichen der Zeit. „Fusion“ nennt man die Mischung, für die Passport stand und steht: Jazz mit rockigen Rhythmen, sattem Sound und Zutaten aus anderen Klangwelten – wie afrikanische oder lateinamerikanische Percussion und schon auch mal Vogelgezwitscher aus dem Urwald. Stücke hießen denn auch zum Beispiel "The Cat from Katmandu" oder auch "Iguacu" nach den berühmten Wasserfällen in Südamerika. Und die LPs von Passport, oft mit Doldinger-Konterfeis auf der Hülle, die den Musiker mit riesiger Seventies-Tropfenform-Brille und Netzer-Mähne zeigen, trugen Titel wie "Garden of Eden", "Ataraxia", "Oceanliner" – und später "Passport to Paradise" oder "Passport to Morocco". Gewitzter Umgang mit Zeitkolorit und ein Gespür für das, was nicht nur einen engeren Hörerkreis interessiert - auch hier zeigt sich das.

Klaus Doldinger lebt seit Jahrzehnten auf dem Land in der Nähe von München - im "Oberland", wie er sagt. Und in seinem eigenen Studio, wo er viele seiner berühmten Aufnahmen gemacht hat, entstand auch die Sendung "Meine Musik" für BR-Klassik. Dafür hat Klaus Doldinger keine eigenen Filmmusiken ausgewählt, sondern sich ganz auf den Jazz konzentriert. Daneben spricht er über Klassiker von dem Klarinettisten und Sopransaxophonisten Sidney Bechet sowie den Trompetern Dizzy Gillespie und Miles Davis. Von Letzterem rutschte ihm dann aber doch eine Filmmusik hinein: ein Ausschnitt aus Miles Davis‘ Soundtrack zu Louis Malles französischem Film "Fahrstuhl zum Schafott". Er spricht darüber, wie exotisch-reizvoll der Klang des Jazz in seinen frühen Jahren im zerbombten Düsseldorf war.

Man muss wissen, dass es damals in den Schallplattengeschäften so gut wie keinen Jazz gab.

Und Doldinger schildert, wie ihn die Musikalität berühmter Kollegen wie Dizzy Gillespie mitriss. Auch die günstigen Zufälle von Begegnungen, wie etwa mit dem Filmemacher Wolfgang Petersen, lässt er am Mikrofon Revue passieren. Über seine Filmmusiken und gelegentlichen Ausflüge ins Schlagergeschäft sagt er unter anderem: Bei einfachen Melodien laufe man immer Gefahr, etwas zu komponieren, was es so ähnlich doch schon gebe, was ihm aber nie passiert sei: "Leichter ist es natürlich, etwas Abstraktes zu schreiben. Zum Beispiel bei Krimi-Musiken, die nur aus Klangeffekten bestehen. Als wenn man eine sangbare, erinnerbare Melodie schreibt: Dazu gehört auch Mut."

Das Talent für Glück

Glückwünsche zum Geburtstag gibt es hier mit einem Motto, das auf Klaus Doldinger besonders gut zu passen scheint. Der französische Komponist Hector Berlioz brachte im 19. Jahrhundert dies auf den Punkt: "Das Glück, Talent zu haben, genügt nicht; man muss auch das Talent für Glück haben." Doldinger hat beides, und die Musik- und Filmwelt erfreut sich daran seit Jahrzehnten.

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