Musik verbindet Menschen und hilft, schwierige Situationen zu überstehen. Davon ist der Syrische Friedenschor in München überzeugt. Die Chorsänger sind alle aus ihrer Heimat Syrien nach Deutschland geflüchtet, leben in Asylbewerberheimen und möchten durch arabische und deutsche Lieder zum interkulturellen Austausch anregen. BR-KLASSIK-Reporterin Helena Stössel hat eine Chorprobe begleitet.
Bildquelle: Syrischer Friedenschor
Ihre Lieder erzählen von der syrischen Heimat, von besseren Zeiten vor dem Krieg und der Flucht nach Deutschland. Einmal wöchentlich treffen sich die 15 Sänger des Syrischen Friedenschors in einem Klassenzimmer der Münchner "SchlaU"-Schule für junge Flüchtlinge. Stühle und Tische sind zur Seite geschoben, die Sänger stehen im Kreis. Der 21-jährige Chorleiter Ahmad Abbas gibt das Tempo vor.
Viele Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sitzen untätig in ihrer Unterkunft. Wir wollen mit ihnen auf der Bühne singen und einfach Spaß haben.
Ahmad war vor vier Jahren einer der ersten syrischen Flüchtlinge, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben. Schwere Brandnarben im Gesicht und an den Armen zeugen noch von dem Granateneinschlag in Ahmads Elternhaus im Frühjahr 2012. Wäre er nicht in Deutschland operiert worden, hätte er wohl nicht überlebt. Manchmal, erzählt er, fällt ihm das Einschlafen schwer. Dann hilft nur Musik. In Deutschland hat er Kantaten und Opern für sich entdeckt.
Die Musik lässt mich in eine bessere Zukunft schauen.
Dieses positive Gefühl, selber Musik zu machen, möchte er auch seinen Sängerkollegen mitgeben. Ihm geht es nicht um perfekte Töne, sondern um einen gemeinsam gestalteten Klang und ein Vertrauen innerhalb der Chorgruppe. Damit sich alle wohlfühlen, bringt Ahmad für die Proben Essen und Trinken mit. Und wenn es sein muss, kauft er einem Sänger auch mal eine Fahrkarte. Bis auf die zehnjährige Mona sind an diesem Probentag alle Chorsänger junge Männer. Doch im Chor sind alle willkommen, betont Ahmad, egal, ob Mann oder Frau. "Als ich am Anfang Frauen angesprochen habe, ob sie mitsingen wollen, meinten sie: Nein, wir möchten nicht auf der Bühne stehen. Sie müssen erst Vertrauen fassen."
Der Syrische Friedenschor auf der Bühne | Bildquelle: M.S. 2016 Syrischer Friedenschor Neben Liedern in arabischer Sprache sucht Ahmad Abbas auch immer wieder nach passenden deutschen Chorwerken. Das soll den Sängern helfen, ein besseres Gefühl für die deutsche Sprache und Kultur zu bekommen. Der zentrale Gedanke von Frieden und Freiheit zieht sich dabei durch alle Stücke. Gerade steht Beethovens "Ode an die Freude" auf dem Programm, unterlegt mit orientalisch angehauchten Klängen vom Keyboard. Die Akkorde am Keyboard hat sich Uday Alturk selbst beigebracht. In Syrien hatte er erst einige Monate Keyboard-Unterricht, als er seine Heimat verlassen musste. Inzwischen hat er sich in Deutschland ein neues Instrument gekauft. "Ich möchte weiter Musik machen und mich in Deutschland integrieren. Das ist auch eine Botschaft an meine Familie in Syrien", erzählt Uday und berichtet stolz, dass er im September seine Ausbildung zum Zahntechniker beginnen wird.
Singen erleichtert auch den Schmerz über das, was wir in Syrien erlebt haben.
In den Chorpausen spielt Uday Alturk einfach weiter. Orientalische Musik mag er am liebsten. Die anderen beginnen spontan, dazu zu tanzen. Der Syrische Friedenschor macht auch Hosam Karbotly neuen Mut. Er hat in Damaskus als Theaterwissenschaftler gearbeitet und kam vor vier Monaten nach Deutschland. "Die Musik lässt mich ein neues Leben leben, neue Kraft und Hoffnung schöpfen", erklärt er auf Arabisch. "Ich genieße es, im Kreis der Freunde singen zu können. Es erleichtert auch den Schmerz über das, was wir in Syrien erlebt haben."
Die regelmäßigen Auftritte im Großraum München sind ein wichtiger Teil der Chorarbeit. So kommen die syrischen Sänger mit in Deutschland Lebenden in Kontakt und können öffentlich ausdrücken, was sie bewegt. Für die Konzerte tragen sie weiße T-Shirts, auf die sie die Namen ihrer syrischen Heimatorte gedruckt haben: Damaskus, Homs, Hama. "Wir wünschen uns Frieden in unserem Land", so Ahmad Abbas. "Für diese Vision singen wir."
14. April 2016, 18 Uhr
SchlaU-Schule, Schwanthalerstraße, München
Vorstellung von Arbeiten syrischer Künstler
Aufführung eines kurzen Theaterstücks
Anschließend Austausch und Gespräch
23. April 2016, 18 Uhr
Gemeindehaus der Lutherkirche, Weinbauernstraße, München
LiteraturMenü: Syrien
Im Anschluss gemeinsames syrisches Essen
Weitere Termine des Syrischen Friedenschors