Mit seiner singenden und jauchzenden Klarinette und der Klezmer-Musik ist Giora Feidman berühmt geworden. Dass er am 25. März 80 Jahre alt wird, merkt man dem glatzköpfigen, verschmitzt lächelnden, immer charmanten Musiker nicht an: "80 ist nur eine Zahl, aber eine wunderschöne. Wer wird schon 80 Jahre alt und bleibt gesund dabei?"
Bildquelle: Felix Bröde
Musikalischer Völkerverbinder
Porträt Giora Feidman zum 80. Geburtstag
"Zeit hot mir gegeben so viele Sachen in Lejben, immer gesungen, ich spiel sechs Konzert jede Woche und is schee. I tell you, If I look my life, I’ll be very rich man." - Wenn er auf sein Leben zurückblicke, stellt Giora Feidman in seinem unverwechselbaren jiddisch-englisch-deutschen Sprachen-Mix fest, dann sei er ein reich beschenkter Mann.
Anlässlich seines 80. Geburtstags ist Giora Feidman zur Zeit zusammen mit dem Rastrelli-Cello-Quartett auf Jubiläums-Tournee. Eine Station ist die Stadtkirche in Darmstadt. Wie immer steht Giora Feidman am Anfang nicht auf der Bühne, sondern schleicht sich von hinten mit seiner Klarinette in den Raum: Mit leisen, klagenden Klezmer-Tönen zieht er die Zuhörer peu à peu in seinen Bann. Vorne angekommen, feiert Giora Feidman mit seinem Publikum zweieinhalb Stunden lang ein Musikfest. Giora Feidman spielt in Mannheim, Aschaffenburg, Dortmund und Erfurt, aber auch in der Carnegie Hall, vor 800.000 Gläubigen beim Weltjugendtag, auf dem Kreuzfahrtschiff Europa, in Synagogen, Kirchen und Schulen. Musik ist für Giora Feidman die Sprache der Seele. Die Klarinette ist dabei nur das Mittel zum Zweck, wichtig sei es, die innere Stimme hörbar zu machen.
"Bublitschki" ist ein traditionelles Klezmer-Lied. Von klein an hörte Giora Feidman seine Mutter die jiddischen Lieder singen - in Argentinien. 1905 flüchtete die Familie wegen der beginnenden Judenpogrome aus dem moldawischen Kischinau nach Buenos Aires, wo Giora am 25. März 1936 geboren wurde. Musikalisch lebt er heute in vielen Welten: der des argentinischen Tango, der der Klassik und der der jiddischen Lieder aus dem Shtetl, der jüdischen Gemeinschaften Osteuropas: "You don’t speak jiddisch, you sing jiddisch. Und mei Mutter hot gesungen jiddisch so schee."
Am 25. März 2016 um 18.05 Uhr steht Giora Feidman anlässlich seines 80. Geburtstag im Mittelpunkt der Sendung "Klassik-Stars".
Giora Feidman lernte klassische Klarinette und kam mit 18 Jahren ins Orchester des berühmten Teatro Colon in Buenos Aires. Zwei Jahre sammelte er dort Erfahrungen, aber mit zwanzig fasste er einen folgenreichen Entschluss: Giora Feidman kündigte und wechselte als Bassklarinettist zum Israel Philharmonic Orchestra. Es war mehr als ein neues Orchester, es war die bewusste Entscheidung, als Jude in Israel leben zu wollen: In Argentinien sei er Jude gewesen, in Israel aber – unter vielen anderen Juden - Israeli.
Giora Feidman scherzt gern über seine Wahlheimat Israel: "I tell you: It’s not easy to live with seven million Juden zusammen, es ist schrecklich." Ohne den berühmten jüdischen Humor, sagt er, ginge dort gar nichts. 18 Jahre lang war Giora Feidman Mitglied beim Israel Philharmonic Orchestra, es war die klassische Phase seiner Karriere. Die größten Dirigenten und Solisten kamen nach Israel, Giora Feidman erlebte beispielsweise Jascha Heifetz, Gregor Pjatigorsky oder Artur Rubinstein. Trotzdem wurde ihm der Orchesteralltag mit der Welt von Beethoven und Brahms zu eng. Anfang der 70er-Jahre zog Giora Feidman vorübergehend nach New York und begann eine Karriere als Klezmer-Klarinettist. Damals waren die jiddischen Lieder ein fast vergessenes Gut und außerhalb der jüdischen Gemeinden kaum jemandem wirklich vertraut. Ein ganzes Konzert, gar ein ganzes Musikerleben damit zu bestreiten, war damals ein mutiges Unterfangen. Dem Argentinien seiner Kindheit blieb er musikalisch trotzdem treu.
Neben Argentinien und Israel ist dem Klezmer-Musiker Giora Feidman ausgerechnet Deutschland ans Herz gewachsen - die Versöhnung von Juden und Deutschen ist sein Lebensthema: Er liebe Deutschland und fühle sich dort zu Hause, so Feidman. Denn die Deutschen und die Juden seien für ihn zu einer Familie zusammengewachsen – ein "Wunder der Geschichte". Der Vater habe ihm schon früh beigebracht, sich nicht selbst in den Mittelpunkt zu stellen, sondern der Gesellschaft zu dienen. Oft fällt das Wort "Shalom": mal zufrieden und zuversichtlich, mal verzweifelnd und fragend. Die Spannungen im eigenen Land zwischen Israelis und Palästinensern reiben ihn auf. Feidman schüttelt den Kopf über das, was aktuell in der Welt geschieht. Er ist ratlos und es wurmt ihn sichtlich, dass er nicht noch mehr für Aussöhnung und Miteinander tun kann. Dennoch ist er auch zufrieden und glücklich über das Erreichte, darüber, dass er mit seiner Klarinette und den alten und neuen Klezmer-Geschichten Juden und Deutsche einander angenähert hat. Dass er dabei den Klezmer in die Konzertsäle der Welt gebracht hat, ist für ihn eine schöne Nebensache: "I know, I was an element for healing-process between the Juden and die Deutsche. I say, I was, because today is schön."