Der BR-KLASSIK-Jazzprofessor Helge Schneider war auf Bayern-Tournee. "LASS KnACKEN, OPPA!" hieß es am 8. und 9. Mai in Kempten und Neu-Ulm und vom 12. bis zum 15. Mai im Münchner Circus Krone. Kritische Beobachtungen vom letzten München-Konzert.
Bildquelle: imago/Future Image
Jazz am Cembalo
Helge Schneider in der Instrumentenwerkstatt
Helge geht. Er war da. Sechs Konzerte in Bayern: Kempten, Neu-Ulm, und viermal München, Circus Krone.
Gerade hat er noch die Wendung von cis-Moll nach E-Dur gespielt. Mondscheinsonate, Beethoven, eine kleine Wolke Kunstnebel. Das wars. Standing Ovations. Und Helge packt noch schnell zusammen: Trompete, Rassel, Melodika, Äffchen-Handpuppe, Panflöte, dann noch das Tenorsaxophon, das alte Selmer Mark VI, mit dem fetten Sound. Die rote Showtreppe hoch. Noch einmal umgedreht, ins Publikum geschaut und dann an Vibraphon und Schlagzeug vorbei. Runter von der Bühne. Nach gut zweieinhalb Stunden Show mit allem, was zum guten Helge-Ton gehört.
Doch von vorne: Helge Schneider, der BR-KLASSIK-Jazzprofessor, , startet sine tempore, also überpünktlich. Die Band mit den üblichen Verdächtigen wie Schlagzeuger Willy Ketzer, Bassist Kai Struwe, dem armen Percussion-Peter, dessen Tempofestigkeit vom Chef einfach aus guter Gewohnheit verspottet wird, und mit noch weiteren illustren Gestalten an Gitarre, E-Piano und Saxophon. Dazu natürlich Helges Bühnendiener, die Bühnentee, also Wasser, liefern. Diesmal sind sie sogar zu zweit: Bodo und Franco. Sowie der unverwüstliche, grazile, elfengleiche und schwebebarttragende Sergej Gleitmann: Spezialist für Ausdruckstanz in Ganzkörperleggins.
Helge selbst tritt im ersten Set im weißen Einteiler auf die Bühne, und in Leggins mit den Grundfarben lila und rosa im zweiten. Aber Äußerlichkeiten sind hier nur Randerscheinungen, bei Helge geht es gleich ans Herz. "Wurstfachverkäuferin" ist ein Start in den Abend, der die treuen Helge-Fans beglückt. Seine alten Hits ziehen sich durch. Schon im ersten Teil denkt der Meister an die Kinder, denn nachdem die Pappmaschee-Katze passenderweise schon vom präzise verstimmten Flügel gesegelt war, durfte "Katzenklo" zur Freude der ganz jungen Gäste erklingen, mit zartem Publikumschor und Vibraphon-Einlage.
Überhaupt der Flügel: Da hatten wir doch ein anderes Tasteninstrument erwartet! Größe D, gekauft in Unterfranken. Im Circus Krone steht aber ein kleinerer, dafür mit aufgemalten Augen. Macht nichts, wenigstens die genaue Stimmung des Oberthulbarer-Meisterinstruments wurde im Circus Krone liebevoll reproduziert.
Weiter: Chinesisches Schlaflied, spanischer Schmachtfetzen, mexikanische Trompete, bei der in der ersten Reihe sicher wieder ein Hörgerät ausgefallen ist, die Busreise über den Mount Everest. "Da steigt man da hoch im Winter in kurzen Hosen und am Gipfel denkt man: Leck mich am...". Genau. "LASS KnACKEN OPPA!"
1/7
Bildquelle: Till Oellerking
2/7
Bildquelle: Till Oellerking
3/7
Bildquelle: Till Oellerking
4/7
Bildquelle: Till Oellerking
5/7
Bildquelle: Till Oellerking
6/7
Bildquelle: Till Oellerking
7/7
Bildquelle: Till Oellerking
Hier und da der improvisierte Hänger, der grandiose Musikclown, der virtuose Solist, der beachtliche Sänger, der wirklich begnadete Entertainer. Helge in Bestform. Der Schneider weiß aber auch, wo er steht: "Klaus Doldinger ist 80 geworden, Udo Lindenberg 70 (stimmt nicht ganz, wird er erst am 17. Mai), und ich bin 60. Wer ist denn überhaupt noch 50?" Dazu passend gibt es - "Willkommen im Altersheim" - den funkelnden Schlagerschmarrn von "Chunderttausend Rosen".
Außerdem wird auf der E-Gitarre in Heavy-Metal-Optik der Blues gespielt, auf der Farfisa-Orgel alleinunterhalten, auf dem Saxophon gegrooved, am Schlagzeug mit Willy Ketzer gebattled und beim letzten Lied, "Es gibt Reis", darf nicht nur das schöne Mädchen im Lied sein Haupthaar schütteln, auch Helge entledigt sich des Zweithaars und wirbelt mit seiner Naturmähne.
Dass danach nur noch Beethoven gepaart mit Bühnennebel alles toppen kann, ist klar, zumindest für Helge. Er ist halt auch ein echter Klassiker, und zwar ein ganz Großer!
Kommentare (0)