Helge Schneider gastiert in der Philharmonie in München. Mit altbekannten Helge-Standards, improvisierten Lebensweisheiten und ein "bisschen Jazz zwischendurch". Eine grandiose Vorstellung - findet Ulrich Habersetzer aus der BR-KLASSIK-Jazzredaktion.
Bildquelle: Till Oellerking
Da steht er nun, allein im "Holzloch". So nennt Helge Schneider die Philharmonie im Münchner Gasteig. Er blickt sich um. Im etwas zu großen und trotzdem irgendwie perfekt-sitzenden Anzug. Ein trauriger Clown mit dem Blues - und mit Mitteilungsbedürfnis.
Alles scheint zunächst träge bei Helge Schneider an diesem Abend. Wie er den Klavierstuhl verrückt, wie er den "langen Weg" zweimal um den Flügel geht, um sich doch wieder vors Publikum zu stellen. Oder wie er zu seiner Marshall-Box-Gitarren-Ecke wandert, erhöht aufgebaut auf einer Empore am hinteren Bühnenrand. Aber Helge bietet dann doch das punktgenaue Timing und eine rasende Geschwindigkeit in den Details seiner Witze. Der Meister alleine im "Holzloch", brillant!
Bildquelle: Till Oellerking Helge Schneider befindet sich gerade mitten in seiner Radio Pollepopp-Tour durch Deutschland. Eigentlich eine Solotournee. Doch er hat dann wie immer alte Bekannte mit dabei: Der Saxophonist Carlos Boes aus Helges großer Band darf, bekleidet mit einer Mischung aus Hausfrauen-Kittel und Kaftan, ein mit Kathedralen-Hall unterstütztes Blockflöten-Solo spielen. Sergej Gleitmann, in Gymnastikanzug und mit wehendem Haar, turnt zum Helge-Hit "Meisenmann". Und Diener Bodo Österling trägt Schlagzeugteile, und zwar für Helges langjährigen Freund und Special-Guest: Schlagzeuglegende Pete York.
"Sweet Georgia Brown" geben Helge und Pete zum Besten, im wahrsten Sinne des Wortes. Schneider an der Orgel vollführt Tänze über seine Fußpedale. Das ist aber nicht nur Show, sondern grooved perfekt. Vor allem haben York und Schneider einen großartigen Sinn für den dramaturgischen und dynamischen Bogen dieses Jazzstandards. Danach gibt es Jubel. Und Helge sagt: "Bisschen Jazz zwischendurch, auch nicht schlecht".
Helge Schneiders Auftritte haben ganz viel mit dem Jazz im Allgemeinen zu tun. Es gibt einen gewissen Kanon, der immer erklingt: "Katzeklo", "Meisenmann" oder "Es gibt Reis". Aber Schneider improvisiert in seinen Klassikern pointiert und fantasievoll. Er fügt im Text neue Passagen ein, er harmonisiert seine Stücke neu, baut die Phrasierung um, lässt barocke Stimmführungen einfließen, spätromantischen Pathos, impressionistische Klangwolken und immer wieder Swingendes, Ragtime-Begleitung. Mal perlende, mal kantige Läufe - irgendwo zwischen Jelly Roll Morton, Duke Ellington und Thelonious Monk.
Restkarten für die zweite Vorstellung von Helge Schneider in der Münchner Philharmonie für Mittwoch, 1. März 2017, gibt es an der Abendkasse im Gasteig. Beginn: 20.00 Uhr.
Bildquelle: Till Oellerking Mit "Radio" hat das aktuelle Programm nicht viel zu tun. Helge Schneider stellt die beiden historischen Apparate auf der Bühne zu Beginn der Show erst mal aus und kümmert sich um die herumstehenden Instrumente. Sein Jugendinstrument, das Cello, hat er auch mitgebracht. Nimmt es zur Hand, legt es wieder weg, spielt dann doch im zweiten Teil und zeigt auch hier: Dem Schneider geht alles locker von der Hand, was man aus im weitesten Sinne zu Musikinstrumenten zählenden Geräten herausholen kann. "Aufgeschreckter Vogelschwarm in der Savanne des Elsass" hieß eines der Cello-Stücke. Es klang genau wie das, was der Titel verspricht.
"Guten Tag, mein Name ist Helge Schneider und ich möchte Sie heute zum Lachen bringen!", so begrüßte der Musik-Clown sein Publikum. Und am Ende war es nicht nur das. Auch Staunen und Genießen konnte man in diesem Konzert. Ein Abend, der eines zeigt: Steht man als Künstler und Musiker über der Materie, hat man sie sich zu Eigen gemacht. Und beherrscht man sie perfekt, dann entsteht etwas Neues und Aufregendes. So ist es auch bei den besten Clowns dieser Welt. Und zu ihnen gehört Helge Schneider ohne Frage.