Der englische Gitarrist John McLaughlin hat in den mehr als 50 Jahren seiner Laufbahn musikalische Fusionen geschaffen, die stilistische und spieltechnische Grenzen überwinden. Als ewig Lernender empfindet er sich dabei und sagt: "Music is home".
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Seit 1969 hat der Musiker, der akustische und E-Gitarre gleichermaßen virtuos spielt, 52 Alben als Bandleader veröffentlicht. Darauf Stücke, in die man sich vertiefen kann und die bei jedem Hören etwas Neues zu bieten haben. Seine Fans weltweit kennen die spielerischen Besonderheiten des Gitarrenvirtuosen, den Sound seiner häufig spezialangefertigten Instrumente und die komplex ausgestalteten Bögen seiner Kompositionen oftmals bis in Detail.
Viel von dem, was er im Lauf seines Lebens mit unterschiedlichen Bands verwirklichte, beschäftigte John McLaughlin schon, als er in einem kleinen Ort in Yorkshire aufwuchs. Seine Mutter war Geigerin, zuhause wurde klassische Musik gehört, und sein erstes Instrument war das Klavier. Anfang der 50er Jahre entdeckte er den Blues für sich – legendäre Spieler wie Leadbelly und Big Bill Broonzy. Sie und die Jazzgitarristen Tad Farlow und Wes Montgomery waren für ihn gleichermaßen wichtig. Er war fasziniert von klassischer indischer Musik, die er in Radiosendungen der BBC hörte, und vom Flamenco, der damals in England höchst exotisch schien. Mit 17 wurde das Album "Kind of Blue" von Miles Davis für ihn ebenso zur Offenbarung wie das Spiel John Coltranes. Von solch unterschiedlichen Strömungen erfüllt, brach er Anfang der 60er-Jahre ins Swinging London auf und begann seine Laufbahn als professioneller Musiker.
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John Mclaughlin
Schon bald spielte John McLaughlin E-Gitarre in den Bands von Alexis Korner, Ginger Baker und Georgie Fame, die damals beachtliche Karrieren starteten. Auch mit Mick Jagger, Jack Bruce, Brian Auger und Eric Clapton traf er sich zu Sessions und war als Studiomusiker unter anderem bei Aufnahmesessions mit Petula Clark und Tom Jones gebucht. Es waren wilde Zeiten und für viele in der Musikszene gehörten Drogen dazu. John McLaughlin zog gegen Ende der 60er Jahre die Reißleine und begab sich auf die Suche nach Bewusstseinserweiterung ohne LSD. Er lernte Yoga und meditierte. Sein spiritueller Lehrer wurde der in New York ansässige Sri Chinmoy.
Kurz nachdem John McLaughlin 1969 in England seine erste Platte als Bandleader herausgebracht hatte – das ziemlich experimentelle Album "Extrapolation" – holte ihn der Schlagzeuger Tony Williams nach New York. Er hatte sein Engagement bei Miles Davis aufgegeben, um das Trio "Life Time" zu gründen. In dem spielte John McLaughlin mit rockiger Power, die manchmal an Jimi Hendrix erinnerte, mit dem er in London auch gejammt und aufgenommen hatte. Sein Idol Miles Davis wurde auf ihn aufmerksam und holte ihn als zweiten Engländer neben Bassist Dave Holland in seine neu formierte Gruppe: auf den Miles Davis Alben "Bitches Brew", "In a silent way", "On the corner" und "Big Fun" ist John McLaughlin zu hören.
I think I learnt more from Miles than from anyone.
1970 forderte ihn Miles Davis auf, nun endlich seine eigene Band zu gründen, und gab damit den Anstoß für das legendäre Mahavishnu Orchestra. Der indische Name, den ihm sein Guru gegeben hatte, setzt sich aus "Maha" – der Schöpfer, und "Vishnu" – der Bewahrer, zusammen. In Anlehnung daran wollte John McLaughlin in der Musik seines "Orchestras" in Quintettgröße die Stärke des göttlichen Gefühls zum Ausdruck bringen. Mit dem panamaischen Schlagzeuger Billy Cobham, dem irischen Bassisten Rick Laird, dem tschechischen Keyboarder Jan Hammer und dem amerikanischen Geiger Jerry Goodman spielte er vielschichtigen und virtuosen Jazz-Rock. Dessen Kraft war auch vom Blues gespeist, seine bisweilen fast meditative Qualität von regelrechten Rhythmus-Mantras.
Mit seiner nächsten Band tauchte John McLaughlin tief in die Welt der indischen Ragas ein. Den Schlüssel dazu lieferte der in Kalifornien lebende Tablaspieler Zakir Hussain. Er lehrte ihn und machte ihn mit dem nächsten wichtigen musikalischen Partner bekannt, dem Violinisten Lakshminayarayan Shankar. Die Band mit ihm, dem Ghatamspieler Vikku Vinayakram und dem Mridangamspieler Ramnad Rhagavan nannte John McLaughlin "Shakti". Die Gottheit dieses Namens wird als Quelle gesehen, aus der alles entspringt: das universale Prinzip von Energie, Macht und Kreativität. Indische und Aspekte westlicher Musikkonzepte verschmolz dieses Quartett in einzigartiger Weise. Es bestand drei Jahre und erlebte danach einige Neuformierungen. Bis heute arbeiten Zakir Hussein und John McLaughlin regelmäßig zusammen.
I would love to see this Shakti going on as a collective meeting of the East and West
Bildquelle: picture-alliance/dpa Auch das nächste musikalische Format, das er Ende der 70er-Jahre aus der Taufe hob, dürfte das erste seiner Art gewesen sein: ein Trio mit dem spanischen Flamencogitarristen Paco de Lucia und dem amerikanischen Latin- und Fusiongitarristen Al Di Meola. Mit ihnen machte sich John McLaughlin zu virtuosen Höhenflügen auf und schuf zugleich Musik, für die sich viele Menschen begeisterten. Ihr 1981 eingespieltes Live-Album "Friday Night in San Francisco" verkaufte sich auf Anhieb einige Millionen mal. Das Trio trennte sich auf seinem Zenit und fand sich in den 90er Jahren noch einmal zu einem Revival zusammen.
In die Zeit des großen Erfolgs dieses Trios fällt auch die erste Zusammenarbeit John McLaughlins mit der französischen Pianistin Katia Labèque. Sie hat – vor allen Dingen gemeinsam mit ihrer Schwester Marielle – im klassischen Bereich einen großen Namen und war wie er an der Fusion von klassischen und Jazzelementen interessiert. Neben einer ganzen Reihe von Duetten nahm der Gitarrist mit ihr auch das erste symphonische Werk auf, das er komponierte. Das "Mediterranean Concerto" erschien im Jahre 1990 und es kam zu einer Reihe denkwürdiger Konzerte, unter anderem mit dem London Symphony Orchestra und den Münchner Philharmonikern. Vom klassischen Genre, seinem ursprünglichen Quell der Inspiration im Kindesalter, ließ sich John McLaughlin auch in den darauffolgenden Jahren immer wieder inspirieren, und komponierte eine weitere Suite namens "Thieves and Poets", die er im Jahr 2002 mit dem Orchester "I Pommeriggi musicali di Milano" unter Renato Rivolta aufnahm.
Bildquelle: Felix Heyder/dpa "The Heart of Things", "The Free Spirits", "Believer", "Industrial Zen" - die Namen seiner Bands und Projekte der letzten 20 Jahre deuten darauf hin, dass für John McLaughlin die spirituelle Dimension des menschlichen Daseins immer noch eine Rolle spielt, wenn er seinen virtuosen und melodiösen Fusion-Jazz spielt. "John McLaughlin & The 4th Dimension" heißt sein Quartett, dessen Debütalbum im Jahr 2010 von John Coltranes "A Love Supreme" inspiriert war.
Mit dieser Band war John McLaughlin bis 2017 regelmäßig unterwegs. 2018 brachte er ein Album mit dem Tabla-Spieler Zakir Hussain heraus, mit dem er in der Band "Shakti" zusammengespielt hatte, und im Sommer 2021 veröffentlichte er Musik, die er in den Lock-Down Zeiten der Corona-Pandemie komponiert und eingespielt hat. "Liberation time" heißt das Album und ist sein Befreiungsschlag in Musik. Stilistisch bleibt sich John McLauglin darauf auch mit 79 – so alt war er bei der Produktion – treu: Die Kompositionen sind komplex, die Tempi halsbrecherisch und beides wirkt – spieltechnisch virtuos – wie aus dem Ärmel geschüttelt. Typisch John McLaughlin eben!
Mittwoch, 4. Januar, ab 23:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Jazztime. News & Roots: John McLaughlin – Der Virtuose der Vielfalt wird 80
Musikauswahl und Moderation: Beate Sampson