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Schlagzeuger Curt Cress Ein Interview von Julius Renner

Schüler des Günter-Stöhr-Gymnasiums in Icking haben sich einJahr lang im Musikunterricht dem Jazz angenährt. Dazu haben sie Interviews mit Jazzmusikern gemacht. Julius Renner hat Schlagzeuger Curt Cress getroffen.

Schlagzeuger Curt Cress | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Julius Renner: Wie sind Sie dazu gekommen, Schlagzeug zu spielen? Haben Sie damals irgendwelche Idole gehabt und haben Sie dann gesagt, ich will auch Schlagzeug spielen und haben dadurch besonders viel geübt?

Curt Cress: Ne das war anders. Also Schlagzeug war eigentlich das dritte Instrument. Zuerst war die Flöte, dann die Trompete und dann kamen die „Beatles“ raus und mein Opa hat schon Schlagzeug gespielt und dann war bei uns eine große Bassdrum, aus dem 2. Weltkrieg und ein altes Becken und dann habe ich mir das Becken an die Decke gehängt, weil wir keine Ständer hatten und die Snare auf den Stuhl gelegt und gegen die Bassdrum getreten, weil es keine Fußmaschine gab und dann haben wir so getan als würden wir mitspielen. Aber mit elf hatte ich schon ein Schlagzeug und habe gemerkt, dass fällt mir am leichtesten von allem. Da muss ich halt ein Talent gehabt haben und hab dann mit drei Mädchen eine Band gegründet, die hieß lustiger Weise „The last“. Da haben wir einen Auftritt gehabt und danach war ich dann schon in einer regional bekannten Band drin. Es ging alles sehr schnell. Damals musste man auch noch nicht so toll sein, wie heute, wenn man auf die Bühne geht. Da wurde einem viel verziehen, vor allem als kleinem Kerl mit elf oder zwölf sowieso. Insofern konnte ich mich da in Ruhe entwickeln und musste nicht gleich der große Profi sein.

Julius Renner: Sie sind ja den ganzen Tag mit Musik beschäftigt, wenn Sie privat Musik hören, welche Art von Musik hören Sie da?

Curt Cress: Wenn ich im Auto sitze, dann höre ich überhaupt keine Musik. Es nervt, weil ich hab mein Leben lang Musik um die Ohren. Die ganze Zeit. Da bist du froh, wenn du mal nichts hörst. Und ich muss auch sagen, nicht weil ich schon so uralt bin, sondern weil ich einfach eine tolle Zeit erlebt habe, in der wahnsinnig viel entstanden ist, von den Beatles bis zu Pink Floyd oder Prince bis zu Miles Davis und in diesen ganzen Entwicklungsphasen, war ich dabei. Von den 60er Jahren bis heute. Das ganze beeinflusst einen ja. Ich hab unfassbar viel gesehen und mitgemacht und mit vielen Top-Bands gespielt, was sehr lehrreich war, weil man auch den Aufbau der Songs kennenlernt. Vor allem, weil man sich sehr viel merken musste, es ging ja nicht alles nach Noten. Deswegen reizt mich heute nichts mehr so wahnsinnig viel. Es gibt ganz selten mal etwas. „Nirvanna“ war das letzte für mich, wo ich gedacht habe: „was ist das denn“. Es war schon ungewöhnlich, wie er (Kurt Kobain) gesungen hat. Vor allem nach den 88ern kam dann plötzlich so ein Typ, wo nicht mehr alles so voll war mit Chören und vielen Gitarren und wahnsinnig lauten Trommeln. Plötzlich war das alles so ein bisschen einfacher und das hat mich wieder mehr angesprochen. Da ich aus der Zeit komme von Hendrix und der Soul-Zeit. Also nicht, dass ich was gegen Maschinen hab. Auch mit den Maschinen hab ich viel gearbeitet. Mit Schlagzeugmaschinen, weil mich das interessiert hat und es immer noch tut. Nur die Popmusik heute, wird dann doch extrem industriell hergestellt und unglaublich geplant. Es ist eine Maschinerie einer Vermarktung. Das war früher manchmal von Zufall geprägt. Manchmal sehr individuell interessant, dass jemand mal so hoch kommen konnte. Im Nachhinein, hab ich erst bei manchen die Originalität entdeckt. Damals, wenn man jung ist, sagt man, das finde ich toll. „ABBA“ ging gar nicht. ABBA so ein Blödsinn. Aber im Nachhinein muss man dann doch anerkennen, dass die kompositorischen Leistungen doch toll war. Trotzdem bin ich jetzt kein ABBA-Fan. Ich bin eher Hendrix-Fan. Später wird man im Alter ein wenig milder, was sowas angeht. Aber ich habe jetzt z.B. Lady Gaga, muss ich schon sagen, was die macht ist sehr geplant und wahnsinnig gut gemacht. Nur originell, im Sinne von Erfindung, ist es auch wieder nicht. Sie holt sich halt bei Woody Allen und „ABBA“ die Mittel und treibt diese auf die heutige Zeit, mit vielen Producern und Textern. Wahnsinnig professionell mit der Kleidung und so. Nur dann sehe ich sie Jazz singen mit einer Bigband, live, und dann bin ich doch extrem umgefallen, weil das war doch so toll. Das war so gut, dass ich ständig Gänsehaut hatte. Wenn jemand so singen kann, dann kann er auch den größten Blödsinn der Welt machen. Wenn jemand so jung ist und sich so gut auf die Bühne darstellen kann, dann muss ich schon sagen, dann zieh ich den Hut. Es gibt schon einige. Bruno Mars ist für mich schon ein ganz toller Künstler und Sänger. Da gibt es schon einige so. Aber an Bands reißt mich nicht mehr so viel vom Hocker.

Julius Renner: Glauben Sie das der klassische Jazz in ein paar Jahren ausgestorben ist?

Curt Cress: Das glaube ich nicht, einmal der klassische Jazz sowieso nicht, weil er immer wieder fasziniert. Ich glaube, sowas wie die „Beatles“ wird immer gehört werden. Ich denke, jemand wie Lady Gaga wird man in 20 Jahren nicht mehr hören. Ich weiß aber nicht warum das so ist, vielleicht weil es damals neu erfunden wurde und heute alte Sachen genommen werden und neu verpackt werden, aber ich denke diese Originale wird man immer wieder spielen und das die zukünftigen Generationen spüren werden, was für eine Energie da drinnen steckt.

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