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Saxophonist Klaus Doldinger Ein Interview von Robert Eckert

Schüler des Günter-Stöhr-Gymnasiums in Icking haben sich einJahr lang im Musikunterricht dem Jazz angenährt. Dazu haben sie Interviews mit Jazzmusikern gemacht. Robert Eckert hat den Saxophonisten und Komponisten Klaus Doldinger getroffen.

Der Saxophonist und Komponist Klaus Doldinger | Bildquelle: Peter Hönnemann

Bildquelle: Peter Hönnemann

Robert Eckert: Erst mal herzlichen Dank, dass ich hier sein darf, Herr Doldinger.

Klaus Doldinger: Willkommen, gerne mal gebe ich auch ein Interview für jemanden, der noch nicht ein Leben lang Interviews führt… ist doch schön

Robert Eckert: Ja das ist das erste mal und Sie sind ja sehr bekannt und berühmt, das ist für mich natürlich eine große Ehre. Sie haben ja dieses Jahr ihren 80. Geburtstag und bei Ihren Konzerten ist mir aufgefallen, dass Sie sind noch sehr lebhaft und sehr fit sind. Würden Sie behaupten, dass die Musik eigentlich so eine Art Medizin ist?

Klaus Doldinger: Ja kann man so sehen. Klar, ist ja nicht nur die Musik sondern das ganze Drum und Dran natürlich, wenn man sein Leben lang musiziert hat, die Musik an seiner Seite hatte, verschiedene Phasen durchlebt hat. Ich fing ja an mit Dixieland in den frühen 50er Jahren, dann die Modernjazzgruppe, meine erste Platte mit meinem persönlichen Namen kam dann 1963 raus, das Klaus Doldinger Quartett „Jazz made in Germany“ und mit Sigi Loch, der das produzierte und mit welchem ich auch heute noch sehr befreundet bin, nahm dann alles seinen Lauf. In den 60er Jahren kam Filmmusik dazu und für das Theater habe ich gearbeitet, also kreuz und quer, ich war nie festgelegt auf eine spezielle Richtung, außerdem habe ich obendrein jedes Jahr meine Tourneen gemacht, die ja nicht nur Deutschland beinhalteten, sondern auch USA-Reisen. Meine erste war on Tour 1960, damals war ich als Preisträger eines Festivals in Düsseldorf und später, 1964, war ich in Nord Afrika, Marokko etc., und davor haben wir auch in Frankreich gespielt. Also ich war ab 1960 ständig weltweit unterwegs.

Robert Eckert: Ihren Namen „Klaus Doldinger“ verbindet man ja sofort mit Jazz, wann und wie ist diese Leidenschaft entstanden, wann war Ihr aller erster Kontakt mit Jazz?

Lionel Hampton | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Klaus Doldinger: Der allererste Kontakt war natürlich eine Überraschungsbegegnung, da war ich neun Jahre alt. Ich bin gebürtiger Berliner, danach von 1940-1945 in Wien und anschließend war meine Familie, meine Mutter, mein Bruder und ich auf der Flucht vor der russischen Armee. Dann sind wir erstmal von Wien nach Bayern gefahren, Schrobenhausen eine gewisse Zeit und dann hat uns mein Vater, weil er damals schon in Düsseldorf lebte, alle nach Düsseldorf geholt. In Nordreinwestfalen habe ich meine wichtigsten Jahre verlebt, also mit Gymnasium, Konservatorium, Gründung verschiedener Bands und der Rockclub Düsseldorf war ein Treffpunkt für Jazzliebhaber jener Tage und ich muss sagen, das hat sich so peu a peu entwickelt. Den ersten Jazz habe ich jedenfalls gehört kurz nach Einmarsch der Amerikaner in Schrobenhausen. Da hat eine Band geprobt und ich hatte so etwas nie gehört und war total von den Socken, dass es so etwas überhaupt gibt und da bin ich der Sache näher gerückt. In war Glen Miller zum Beispiel und später die vielen Musiker des Jazz ,die dann nach und nach auch in Deutschland bekannt wurden. Mein erstes Jazzkonzert war die „Lionel Hampton Bigband“, das war 52 in Düsseldorf, wunderbare Bigband und Hampton war natürlich der Jazzmusiker per se. Er konnte da auf der Bühne eine Show durchbringen, das war sensationell. Es war einfach hinreißend.
Als ich aufs Gymnasium kam, war ich ja auch Schüler am Robert-Schumann-Konservatorium und habe Klavier studiert bis zum Abitur. Später habe ich dann bisschen weiter studiert als Tonmeister, aber jene Jahre haben dann bei mir bewirkt, dass ich mich dem Jazz als Musiker zugewandt habe, was in der Zeit nicht üblich war. Damals war Jazz eher verpönt und besonders in den Kreisen der Klassikmusiker, sprich Konservatorium, aber das hat mir nie etwas ausgemacht. Ich habe das anders wahrgenommen und habe mit späteren Kollegen geprobt: Da waren zunächst als Schülerband die „Feetwarmers“ in Düsseldorf. Wir haben Dixieland gespielt und haben auch Riesenspaß gehabt, auf Tanzveranstaltungen und Jazzbandballs, so nannte sich das oder auf dem Rhein mit „Riverboardshuffle“.
Nach dem Abitur habe ich dann mal ein Jahr lang mit professionellen Combos gespielt in Nightclubs und später Anfang der 60er Jahre habe ich meine eigene Gruppe gegründet. Gleichzeitig habe ich mich auch mit sehr vielen anderen Bereichen beschäftigt. Mein erstes Alternativ-Projekt hieß „Motherhood“ und da haben wir zwei Langspielplatten aufgenommen, auf eine bin ich jetzt erst kürzlich wieder gestoßen. Vor drei Jahren kam der Film „Ocean`s 13“ raus und die haben einen Titel von mir für das Nachspiel genommen. „Soultown“ hieß der und den habe ich spaßeshalber aufgenommen mit meiner jetzigen Band auf dem neuen Album, dass jetzt raus kommt.

Robert Eckert: Ja das habe ich gehört. Was bewirkt Musik eigentlich bei Ihnen?

Klaus Doldinger: Ja, das ist so eine emotionale Geschichte. I habe ja auch einen Bezug zur klassischen Musik, ich bin ja mit Bach, Schuhmann, Beethoven und so aufgewachsen. Als Jazzmusiker waren meine Bezugspersonen ganz anders. Ich war eher dazu geboren selber Spaß am Musizieren zu haben und die Leute eben auch positiv zu unterhalten, also nichts wäre mir fremder gewesen, als ausschließlich geistig Anspruchsvolles zu schreiben, obwohl ich damit aufgewachsen bin. Ich habe zwischendurch für Orchester geschrieben und die ein oder andere Filmmusik ändert auch diesen Anspruch, aber in letzter Konsequenz war es mir eine Herzensangelegenheit, eher eine Richtung zu spielen, die Musik als Lebensbejahendes Vergnügen spürbar macht

Robert Eckert: Letztes Jahr in der Schlossberghalle in Starnberg haben sie erwähnt, dass dieses Konzert sehr durch einen Auslandsaufenthalt inspiriert wurde. Sie haben ihren Liedern ja auch afrikanische Titel gegeben. Da würde ich gerne wissen, in welchem afrikanischen Land sie am meisten lernen konnten?

Klaus Doldinger: Afrika ist ja ein Kontinent und da sind viele Länder, die unterschiedlich sind. Das Land, das mich in Afrika am meisten inspiriert hat, war sicherlich Marokko, aber unterm Strich muss ich sagen, würde ich das nicht verallgemeinernd aussprechen wollen. In den frühen Jahren haben mich auch unsere Südamerikatourneen sehr inspiriert. Da hieß ein Album „Klaus Doldinger in Südamerika“, da waren wir praktisch in allen südamerikanischen Ländern. Brasilien hat mich besonders inspiriert, damals war gerade Samba und Bossa-Nova neu erfunden worden. Da haben wir auch sehr viele Stücke in dieser Stilistik gespielt.

Robert Eckert: Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben? Können Sie das?

Klaus Doldinger: Ja, weltumspannend. Es gibt Stücke, die haben eher einen besinnlichen, fast klassischen Charakter, das hat sich auch als Filmmusik ergeben. Wenn ich daran denke: „die unendliche Geschichte“, das Orient Thema, das wir gelegentlich spielen, es könnte auch ein Klassik-Werk aus der Zeit der Romantik sein. Wo hingegen andere Stücke mehr „Rythm and Blues“-Charakter haben. Das hat natürlich auch bisschen damit zu tun, dass ich bei meinem ersten USA-Aufenthalt in New Jersey auch mal Sonntagsmorgen auf einem Gospelservice war, der mich total hingerissen hat und dann hatte ich in den Jahren danach auch immer wieder mal Begegnungen mit schwarzen Musikern, die eben genau aus dieser Ecke kamen und das hat mich bis heute sehr gepackt und ich würde auch sofort immer wieder mit Blues-Musikern auf die Bühne gehen und spielen wollen, was sich bei mir auch gottseidank oft genug ergeben hat.

Robert Eckert: Also sind sie so ein Allrounder?

Klaus Doldinger: Allrounder, das klingt so bisschen, als würde man Knöpfchen bedienen. Mach mal dieses, mach mal jenes. Verallgemeinert kann man schon sagen, dass bei mir immer das Herz mit eine Rolle spielt, also das alles was ich spiele gefühlsmäßig untermauert ist. Also ich würde sagen, ob ich jetzt eine Ballade spiele, ein UP-Tempo-Stück, das ist alles mit Gefühl gespielt und das ist der entscheidende Punkt. Bei Musik ist es ja wirklich so, es kommt sehr auf die Art und Weise an, wie man etwas interpretiert.

Robert Eckert: Sie können auf 63 Jahre Bühnenkarriere zurückschauen, was war eigentlich ihr spannendstes oder lustigstes Erlebnis? Können Sie sich daran erinnern?

Klaus Doldinger: Das sind zu viele, die gibt es eigentlich immer wieder…

Robert Eckert: Sticht da irgendetwas heraus?

Klaus Doldinger: Also in dem Beruf wird von Haus aus viel gelacht. Aber ich muss sagen, jede Tour und jedes Konzert ist auch wieder mit Stress verbunden.

Der Saxophonist und Komponist Klaus Doldinger | Bildquelle: picture-alliance / dpa Bildquelle: picture-alliance / dpa Als Erinnerung fällt einem manchmal immer wieder mal was ein: kürzlich wurde ich mal gefragt, ob ich nicht eine Anekdote wüsste über Udo Lindenberg, der ja bei mir getrommelt hat in der ersten „Passport“-Besetzung. Das war 1969, es gab damals keine echten Roadies, heute haben wir ja auf Tour immer Techniker dabei, die auf- und abbauen, uns hin und her karren. Das gab es damals noch nicht und da habe ich mir einen kleinen Ford-Bus gekauft und wir hatten einen Auftritt in Prag und hinten drinnen im Bus war das Schlagzeug vom Udo, ich saß am Steuerrad und der Udo saß neben mir und süffelte an so einem kleinen Fläschchen Schwarzwälder Kirsch und wir fuhren Richtung Prag und erzählten nicht enden wollende Geschichten. Aber da gibt es unzählige kleine Storys, die man erzählen könnte, aber so was herausragendes, wo man jetzt lachen könnte direkt fällt mir jetzt momentan nicht ein, da müsste ich jetzt noch bisschen nachdenken…

Robert Eckert: Also ich würde auch nochmal gerne in die Vergangenheit zurückschauen wollen. Wenn Sie jetzt nochmal am Anfang Ihrer Karriere stehen würden, könnten Sie sich dann vorstellen sich auch für eine andere Musikrichtung zu entscheiden?

Klaus Doldinger: Nein, das ist ja nichts Beliebiges. Das ist natürlich schon eine Herzensangelegenheit, auf die ich mich eingelassen habe und die begleitet einen ein Leben lang und ich kann mir da nichts anderes vorstellen.

Robert Eckert: Ihr Vater war ja Diplomingenieur und er war am Anfang erstmal gegen Ihre Musikkarriere. Wenn das also mit der Musik nicht so geklappt hätte, könnten Sie sich dann auch einen anderen Beruf vorstellen wie zum Beispiel Diplomingenieur?

Klaus Doldinger: Nein also diese Frage hat sich nie gestellt. Ich habe später erkannt, nachdem ich mich viele Jahre mit Urheberrechten beschäftigt habe, dass ich auch Jurist hätte werden können, aber da war ich schon 30 Jahre Berufsmusiker. Natürlich wenn es nicht geklappt hätte, aber ich kann mir eigentlich nichts anderes vorstellen.

Robert Eckert: Jetzt sagen Sie, dass eigentlich nie etwas anderes als Jazz in Frage gekommen wäre. Was ist eigentlich das beeindruckende und inspirierende an Jazz?

Klaus Doldinger: Das ist schon die rhythmische Umsetzung. Natürlich gibt es auch in der Klassik Stücke, die ganz schön vorantreiben, aber im Jazz hat das einen andern Groove. Wenn etwas swingt dann hat das einen triolischen Charakter, auch wenn es ein durchgehender vierviertel Takt ist. Die Art und Weise wie man es spielt, ist trotzdem anders als in der Klassik. Swingen ist wie eine Energie, die das Leben anfeuert und das hat bestimmt auch die anderen Jazzmusiker dazu gebracht zu swingen und zu musizieren.

Robert Eckert: Ist es für Sie immer noch schwierig nach all den Jahren auf der Bühne und mit der Erfahrung ein neues Stück zu Komponieren?

Klaus Doldinger: Das kommt ganz drauf an, was man sich vorgenommen hat. Manche Sachen passieren spontan, aber ich möchte nicht sagen, dass ich mich jetzt auf Anhieb hinsetzten kann und eine neues Stück komponieren kann. Das muss sich dann aus dem Moment heraus ergeben, wenn man zum Beispiel Klavier oder Altsaxophon spielt und einem ein gutes Motiv einfällt, dass man das hinschreibt und dann damit experimentiert. Stücke müssen sich also entwickeln. Es gibt aber auch Stücke, die sehr schnell entstanden sind.

Robert Eckert: Haben Sie sich im Laufe ihrer Karriere oder jetzt auch im höheren Alter überlegt aufzuhören?

Klaus Doldinger: Nein, das kam nie in Frage. Solange ich das verkraften kann sicherlich nicht. Erst wenn es dann im höheren Alter nicht mehr geht, dann sollte ich mir Gedanken darüber machen, aber im Moment bin ich ja zum Glück davon verschont.

Robert Eckert: Und hat sich der Jazz im Laufe Ihrer Karriere verändert? Gab es da einen Wandel?

Klaus Doldinger: Naja, der Jazz hat sich in eine relativ perfekte Richtung entwickelt und es gibt sehr viele hervorragende Nachwuchsmusiker, die sehr gut spielen. Es besteht natürlich auch die Gefahr, dass manches dann so abgespult wird, wozu wir noch größere Anstrengungen unternehmen mussten früher.

Robert Eckert: Ich bin der Meinung, dass Jazz immer weniger von jungen Leuten gehört wird. Sie sind ja schon sehr lange in dieser Szene tätig. Würden Sie meiner Aussage zustimmen, wenn Sie das zum Beispiel an Ihren Konzertbesuchern ausmachen?

Klaus Doldinger: Das kann ich so nicht befürworten. Es waren natürlich immer weniger Leute, gemessen am Gesamtvolumen der Menschen, die in Konzerte gehen. Aber ich würde sagen, es sind sogar mehr geworden. Ich würde auch sagen, die Zahl der Musiker ist mehr geworden. Deswegen ist es heute auch nicht leichter geworden mit der Musik einen Publikumserfolg zu haben, weil die Leute auch überfordert sind mitunter. Es gibt noch viele Leute, die in Konzerte gehen und auch so viele Musiker, die da in der Lage sind Konzerte zu spielen. Das Kräfteverhältnis hat sich erstaunlich entwickelt und das hat zur Folge, dass es auch schwieriger geworden ist mit Musik seine Brötchen zu verdienen.

Robert Eckert: Also sind Sie der Meinung, dass der Jazz eine gute Zukunft hat.

Klaus Doldinger: Es gibt keine Alternative dazu. Ich würde sagen, dass prozentual die Zahl der Jazzinteressierten nicht gesunken ist, sondern sogar etwas gestiegen ist. Es gibt heute bestimmt mehr Leute, die gerne etwas Jazz hören als vor 50 Jahren.

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