"Gechillt" fand Singer-Songwriter Star Clueso die Atmosphäre beim Nürnberger Open-Air Event am 4. August. Zusammen mit Max Mutzke und anderen hochkarätigen Musikerfreunden des Schlagzeugers Wolfgang Haffner begeisterte er 60.000 tiefenentspannte Menschen mit einer umwerfenden, Jazz und Pop vereinenden Show. BR Studio Franken und BR-KLASSIK waren dabei!
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Am Vorabend des Konzerts hatten die Nürnberger Symphoniker im Luitpoldhain ihr Programm "Europa über alle Grenzen" präsentiert. 50.000 Menschen fanden sich da schon zum 20. Jubiläum dieses Open-Airs ein, das bei freiem Eintritt zwanglos Zugang zur als Hochkultur definierten Klassik für alle ermöglicht. Während sie ihre mitgebrachten Picknicks, aber doch vor allen Dingen die Musik von Wagner, Tschaikowsky, Berlioz und Verdi genießend, auf den Wiesen und sanften Hügeln des Luitpoldhains im Südosten Nürnbergs lagerten, gingen in nächster Nähe, in einem Tagungsraum des Kongresszentrums Meistersingerhalle, die Proben der Jazz- und Popfraktion für den nächsten Tag langsam zu Ende. Nach herzlichen Begrüßungsszenen, freundschaftlichen Witzeleien, konzentriertem Feilen an Details im Zusammenspiel der gefeaturten Stars und der German All Star Big Band unter der Leitung von Jörg-Achim Keller, nach spontanem Beifall für die Energie, die seine zündenden Arrangements in den Proben entfalteten und der sich einstellenden Gewissheit, wie viel Spaß man damit im Konzert haben würde, waren alle ein bisschen k.o., aber glücklich und voller Vorfreude auf das gemeinsame Bühnen-Happening, auf das man dank der Einladung des fränkischen Weltklasseschlagzeugers, Komponisten und Bandleaders Wolfgang Haffner zusteuerte.
Wolfgang Haffner bei der Probe für "Stars im Luitpoldhain" | Bildquelle: www.uwe-niklas.com Der Weltklassespieler - 1965 in Wunsiedel geboren und in Rummelsberg aufgewachsen - ist in der Jazz- und Popwelt in aller Munde - und das seit mehr als 35 Jahren. Als er 18 war und die fränkische Jazzszene schon ein paar Jahre mit seinem umwerfenden Spiel befeuert hatte, holte ihn der legendäre Jazzposaunist Albert Mangelsdorff in sein Ensemble, Klaus Doldinger schloss sich dann direkt mit "Passport" an. In beiden Bands spielte Wolfgang Haffner um die 20 Jahre. Chaka Khan, Pat Metheny, die Fantastischen Vier, Manhattan Transfer, Gregory Porter, Till Brönner, Nils Landgren und viele, viele mehr schworen und schwören auf seinen immensen Groove und sein musikalisches Einfühlungsvermögen. Auf mehr als 400 Alben ist er zu hören und hat 16 unter eigenem Namen herausgebracht. Seine 2015 erschienene CD "Kind of Cool" landete dabei übrigens nicht nur auf Platz 1 der Jazzcharts, sondern hielt sich auch 5 Wochen lang in den Popcharts.
Glücklich am Drumset: Wolfgang Haffner | Bildquelle: www.uwe-niklas.com
Wer einen Drummer haben möchte, der "kickt und den Laden zusammenhält" (O-Ton Clueso) oder einen geschmackvollen Produzenten, wendet sich vertrauensvoll an Wolfgang Haffner.
Zusammen mit dem Leiter des Projektbüros im Kulturreferat Nürnberg, Andreas Radlmaier, hat der heimatverbundene Weltreisende in Sachen Musik, der in den Tourpausen regelmäßig seinen Rückzugsort im mittelfränkischen Altdorf aufsucht und sicher auch noch einen Koffer auf Ibiza hat, wo er zwischendurch einige Jahre gelebt hat, das Konzept für die "Stars im Luitpoldhain" entwickelt und – nach 2015 und 2017 – in diesem Jahr zum dritten Mal umgesetzt.
An der Basis dieses Konzepts steht die Freundschaft, die Wolfgang Haffner mit allen beteiligten Musiker*innen verbindet, und seine Lust daran, mit ihnen zusammen einen spannenden musikalischen Bogen für ein einmaliges Konzertereignis zu kreieren. Dass seine "Stars" dabei auch erst noch kommende Stars sein können, macht die Sache besonders sympathisch. In diesem Jahr stellte er zum Beispiel den Pianisten, Keyboarder und Hammond B3 Spieler Simon Oslender vor - ein Ausnahmetalent und mit 21 der Benjamin der Band - und die nur zwei Jahre ältere Sängerin Alma Naidu. Mit ihnen und Gitarrist Daniel Stelter, Vibraphonist Christopher Dell, Bassist Claus Fischer und Perkussionist Rahni Krija begann Wolfgang Haffner den Konzertabend ganz atmosphärisch mit vier ineinander übergehenden, eigenen Kompositionen. Beschwörende Kantilenen, hypnotische Grooves, lyrische Melodien, und subtil aufgebaute Dynamiken aus dem Entschleunigungsmodus heraus öffneten den musikalischen Horizont für die 60.000 erwartungsfrohen Menschen im Luitpoldhain. Noch von der Abendsonne beschienen dann: Auftritt Oli Rubow. Oder genauer gesagt: zuerst mal Auftritt seines Drumsets, das ebenerdig vor das auf einem Podest stehenden von Wolfgang Haffner geschoben wurde. Der machte für die nächsten drei Nummern eine kleine Pause, um dann gemeinsam mit dem Schlagzeuger der vor 20 Jahren in Heidelberg gegründeten Band DePhazz mit deren Sängerin Pat Appleton und Sänger Karl Frierson noch den unverschämt gut gelaunten Lounge Jazz Hit "Jim the Jinn" zu swingen - eingebettet in den großen Sound der German All Star Big Band. In ihrem Bläsersatz versammelt: Musiker, von denen die meisten auch in ARD Rundfunk Bigbands spielen, beim HR, WDR und SWR: Die Trompeter Wim Both, Frank Wellert, Ruud Breuls und Torsten Maaß, die Posaunisten Günter Bollmann, Ulrich Plettendorff, Jürgen Neudert und Achim Hartmann, die Saxophonisten Paul Heller, Oliver Leicht, Heinz Dieter Sauerborn, Andreas Maile und Edgar Herzog. Dieser beeindruckende Klangkörper ist eine konstante Größe bei den "Stars im Luitpoldhain". Für ihn maßgeschneidert sind die Arrangements des Bandleaders Jörg-Achim Keller. Je acht Jahre war er Chefdirigent der hr-Bigband und der NDR Bigband. Er versteht es wie kaum ein anderer deutscher Arrangeur, den Jazz auf die Stärken seiner bandeigenen Solisten zuzuschneiden und zugleich die stilistische Charakteristik der musikalischen Vorlagen herauszuarbeiten.
Die German All Star Big Band mit Saxophonist Bill Evans | Bildquelle: www.uwe-niklas.com So auch bei den Kompositionen des amerikanischen Saxophonisten Bill Evans, dem nächsten Gast bei den "Stars im Luitpoldhain". In ganz jungen Jahren hat er Anfang der 80er in der Band von Miles Davis reüssiert und im Anschluss eine phänomenale Solo-Karriere hingelegt, bei der es ihm immer ein Anliegen war, den improvisationsstarken Jazz mit viel Seele zu spielen und für alle Hörer*innenkreise zu öffnen. Das spiegelt sich auch in den Namen seiner wichtigsten Bandprojekte wider: "Soulbop" und "Soulgrass". Zum Nürnberger Freundschaftstreffen von Wolfgang Haffner, den er übrigens durch Trompeter Randy Brecker kennenlernte und mit dem er jetzt das Quartett "Spykillers" am Start hat, brachte Bill Evans neben einigen seiner Jazzklassiker wie "Cool Eddie" auch ein Stück aus seinem aktuellen Programm mit, bei dem er singt und sich am Klavier begleitet: "Bones in the ground", eine Ballade im Stil der, die Liedformen der Countrymusik aufgreifenden "Americana". Damit verbunden eine Ansage, in der er den dringenden, und mit viel Beifall quittierten Rat gab, sich an der einenden Kraft der Musik zu orientieren statt an den Verwerfungen der derzeitigen Weltpolitik.
Beste Stimmung auf der Bühne | Bildquelle: www.uwe-niklas.com Liebe und achte den anderen wie dich selbst, ist eine der Botschaften, die man aus den Textzeilen des entspannten Downbeat Dancefloor Jazz des DJs George Evelyn herauslesen kann. Der Engländer hat sein "Nightmares on Wax" Kollektiv schon Ende der 80er Jahre ins Leben gerufen und brachte den jungen Londoner Vokalisten Amadé Unuabona nach Nürnberg mit. Mit wunderbaren Falsetteinlagen krönte er die Musik, die - so stand es einmal in der "Times" zu lesen - wie in Flaschen abgefüllter Sonnenschein sei. Kein Wunder, lebt Evelyn doch seit vielen Jahren auf Ibiza, wo er auch regelmäßig mit Wolfgang Haffner zusammenarbeitete. Auf einer Couch im 70er Jahre Retrolook steuerte der Mann aus Leeds von der Bühnenmitte aus seine vorproduzierten Tracks an, die - nun unterfüttert von den satten Bläsersätzen der German All Star Big Band - das Publikum zu einer sanft die Hüften wiegenden, breit lächelnden Einheit verschmolzen, die wenig später mit großem Hallo die beiden nächsten Stargäste von Wolfgang Haffner begrüßte. Im letzten Viertel der dreistündigen Show zündeten die beiden deutschen Popstars noch ein Feuerwerk, in dessen Funkenflug sich die pure Lust am vertrauensvollen Miteinander in der Musik mit begnadeter Könnerschaft vereinte. Zunächst allein im Mittelpunkt des Geschehens, dabei alle auf der Bühne einbeziehend und immer wieder in den Vordergrund holend: Max Mutzke.
Seine Erfolgsgeschichte ist hinlänglich bekannt. Von Stefan Raab 2004 entdeckt und zum European Song Contest geschickt mit der Soulballade "Can´t wait til tonight", verschwand er nach Platz 8 eben nicht in der Versenkung, sondern profilierte sich als souliger Ausnahmesänger zwischen Jazz und Pop. Der ganz lange Atem ist also nicht nur Teil seiner beeindruckenden stimmlichen Ausstattung, mit der ihm alles möglich ist: vom kraftvoll rauen Shouten bis zum Jubilieren in den höchsten Höhen der Kopfstimme. Mühelos strömt durch seine perfekt geführten Tonfolgen purer Ausdruck. In deutschen Songs wie "So viel mehr" und "Magisch", oder Soulklassikern wie "Me and Mrs Jones" oder "Ain´t no sunshine when she´s gone". Max Mutzke ist auf der Bühne so verbunden mit der Band, dass jeder gestalterische Freiraum, den er sich nimmt, von allen aus dem Moment heraus mitgetragen wird: das spannungsvolle Verzögern der Time, das mit einer kleinen Geste angekündigte Pianissimo, das "Gib Gas, Nürnberg", mit dem er das mehr als willige Publikum zum Mitsingen einlädt, der aufgepeitschte Improvisations-Höhenflug. Er feuert an und ist im nächsten Moment überwältigt von den Soli der Musiker, aber auch vom Publikum, geht in den gesungenen Dialog mit ihnen - immer bei sich und gleichzeitig auf alle anderen zu. So geht Jazz, auch wenn man seine Songs diesem Genre nicht zuschreiben würde und ihn eher im Mainstream verortet, wo er ein paar Tage vor dem Auftritt in Nürnberg einen auf mediale Breitenwirkung ausgerichteten Gesangscontest als "Masked Singer" in Astronautenverkleidung gewonnen hatte. Spielerisch nehmen, was kommt und immer umwerfende Qualität abliefern, so geht Karriere. Sein erfolgreichstes Album "Durch Einander" klingt allerdings ziemlich jazzig, und produziert hat es Wolfgang Haffner. Das erzählte Max Mutzke im Video-Livestream des Konzertabends, bevor er - noch vor dem Auftritt mitten im Publikum auf dem roten BR-KLASSIK Sofa sitzend - zusammen mit Clueso davon schwärmt, wie herrlich es ist, mit einer Big Band vom Kaliber der German All Stars unter der Leitung von Jörg-Achim Keller aufzutreten.
Zwei Freunde auf der Bühne: Max Mutzke und Clueso | Bildquelle: www.uwe-niklas.com Clueso und Max Mutzke haben sich vor einigen Jahren backstage bei einem Festival kennengelernt und hatten gleich einen Draht zueinander, weswegen sie sich ad hoc entschlossen, ihre Songs ab und an gemeinsam zu präsentieren - Lieder über Zustände hochgradigen Verliebtseins, Trennungsschmerz und die immateriellen Werte, die das Menschsein ausmachen. Ihre Temperamente sind sehr unterschiedlich - der eine eher etwas zurückhaltender, fast schüchtern wirkend, dann liebenswürdig verschmitzt, der andere ganz das energiegeladene Kraftpaket. Und sie ergänzen sich perfekt. Mehr noch: sie stärken sich gegenseitig, was ihrem gemeinsamen Auftritt eine ganz besondere Kraft verlieh.
Clueso, der jungenhafte Singer-Songwriter aus Erfurt startete seine Laufbahn vor 20 Jahren und trifft mit seiner unverstellten Art, mit zugänglicher, aber dabei nicht platter Poesie und seinen eigentlich unspektakulären, aber durch die Hintertür dann doch schlicht ergreifenden Songs den Nerv einer großen Fangemeinde. Seine Alben sind Topseller und in den letzten Jahren verlässliche Charts-Spitzenreiter. In einer von Künstlichkeiten durchzogenen Popwelt ist er einer, der ganz natürlich und er selbst geblieben ist, sich auch mal zurückzieht. Sein derzeitiges Sabbatical hat er für den gemeinsamen Auftritt mit Max Mutzke in Nürnberg unterbrochen und ein paar seiner Lieblingshits mitgebracht: "Keinen Zentimeter", "Chicago", den Udo Lindenberg Song "Cello" und ein Stück, das er 2018 mit den Fantastischen Vier herausgebracht hat: "Zusammen".
Bariton Thomas Quasthoff und Schlagzeuger Wolfgang Haffner | Bildquelle: www.uwe-niklas.com Dieser Song funktionierte nicht nur als furioses (vorläufiges) Finale der Show, sondern lieferte mit seinem Titel auch den passenden Ausdruck für das Grundgefühl, das alle Beteiligten an diesem Konzertabend teilten: zusammen etwas wirklich Großartiges, Unvergessliches erlebt und mitgestaltet zu haben. Das gilt für die Musiker*innen und ihr Publikum, für die technische Crew und die Mitarbeiter*innen des Kulturreferats der Stadt Nürnberg, und für die Hörfunk-, Fernseh- und Redaktionsteams des BR. Man kann bei dieser "Night of Jazz and Friends" vom Glück sprechen, dabei gewesen zu sein. Und dann noch erlebt zu haben, wie der musikalische Gastgeber, Zeremonienmeister und Freundschafts-Fixpunkt Wolfgang Haffner als Zugabe ein Schlagzeugsolo spielte - das einzige des Abends übrigens! -, um im nächsten Zug Thomas Quasthoff auf die Bühne zu bitten, mit dem er 2011 das erste Mal ein Konzert auf der Bühne im Luitpoldhain gespielt hat. Der mit einer Conterganschädigung geborene Sänger hat 1988 den Internationalen Musikwettbewerb der ARD im Fach Bariton gewonnen und feierte in Folge jahrzehntelang internationale Erfolge als Lied- und Opernsänger. 2006 nahm er sein erstes Jazzalbum auf und arbeitete regelmäßig mit Wolfgang Haffner zusammen. Mit seinen Zugaben "You are so beautiful" und John Hiatts Rockklassiker "Have a little faith in me", bei dem die gesamte Band und alle musikalischen Gäste des Abends einstimmten, ging dieses denkwürdige Konzert in Nürnberg nach mehr als drei Stunden zu Ende. Wer nicht dabei sein konnte oder zwischendurch mal eine Auffrischung der dort freigesetzten Glücksgefühle braucht, kann auf br-klassik.de/concert und in der Mediathek des Bayerischen Fernsehens unsere Aufzeichnungen des Abends genießen.
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Der große Schlussapplaus
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60.000 glückliche Menschen bei Stars im Luitpoldhain
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Schlagzeuger Wolfgang Haffner - fränkischer Weltstar des Jazz
Bildquelle: BR/Stadt Nürnberg/Berny Meyer
Das Konzert gibt es in voller Länge auf br-klassik.de/concert und in der BR Mediathek.
Auf ARD-Alpha am Sonntag, 8. September, 20.15 - 21.55 Uhr (100 Minuten)
Im Hörfunk:
ARD Radiofestival am Sonntag, 30. August, 20.04 - 22.30 Uhr
Bayern 2 am Sonntag, 8. September im "radioMitschnitt aus Franken", 21.05 - 22 Uhr