Viele kennen ihn aus dem Fernsehen – wo der Sternekoch und Restaurantbesitzer Vincent Klink in Sendungen immer wieder am Herd steht. Manche kennen auch seine glänzend formulierten Bücher über Essen und anderes. Doch Vincent Klink macht auch Musik – er jazzt. Und BR-KLASSIK hat seine Töne aufgenommen.
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Vincent Klink, 1949 geboren und in Schwäbisch Gmünd aufgewachsen, wollte ursprünglich Künstler werden. Das redete sein Vater ihm aber aus – und Klink widmete sich dann dem Kochen, das bei ihm jedoch ebenfalls zu einer hohen Kunst wurde. Musik macht er ebenfalls schon lange. Er spielte unter anderem eine Zeitlang Querflöte. Dazu sagt er heute: "Das ist mir zu filigran. Dafür bin ich nicht der Typ." Heute greift er meistens zur Basstrompete - ein zu Wagner-Festspielzeiten nicht ganz unbedeutendes Instrument. Das liegt ihm mehr. Klink ist ein energiegeladener, barocker Mensch, der richtig was in der Hand haben will - und spürbar auch Töne mag, die einigermaßen kräftig sind. Vor kurzem trat Klink zusammen mit dem Pianisten Patrick Bebelaar, mit dem er schon länger Konzerte gibt, und dem Bassisten Günter Lenz - immerhin ein Weggefährte des großen deutschen Jazzmusikers Albert Mangelsdorff - im Jazzclub Birdland in Neuburg an der Donau auf. Das hatte eine ganz besondere Bewandtnis: Denn der Jazzclub in Neuburg kommt in Klinks aktuellem Buch vor. Das heißt "Ein Bauch spaziert durch Paris". Und da der Chef des Birdland Neuburg, Manfred Rehm, ein ausgemachter Paris-Kenner ist, flossen er und der Club in Klinks Buch mit ein " ein ziemlich ausführlicher Teil eines Kapitels ist ihnen gewidmet.
Bildquelle: BR/Roland Spiegel Wie schafft man das? Ein Restaurant betreiben, Fernsehsendungen drehen, Bücher schreiben - und dann auch noch ein Musikinstrument so üben, dass man es bühnentauglich spielen kann: Das passt nach landläufiger Vorstellung nicht alles in einen normalen Tag. Vincent Klink aber kriegt es doch in seinen 24 Stunden unter. Er betont, dass er ein äußerst gut organisierter Mensch sei, sein Tagesablauf sei streng durchgetaktet. Klink ist ein Frühaufsteher und ein Wirt, der es vermeidet, nach 22 Uhr noch im Restaurant zu stehen. Er schätzt zuverlässige und pünktliche Zeitgenossen und ist selber einer. Ein ausführliches Interview zwischen Soundcheck und Konzert ist für ihn überhaupt kein Problem - und er ist punktgenau zur verabredeten Zeit an Ort und Stelle, hetzt dann aber keineswegs durch die Antworten, sondern nimmt sich Zeit und spricht hochkonzentriert. Wie er das nun genau macht mit der Zeiteinteilung eines typischen Tages - das verrät er in der Sendung "Jazz Unlimited", die am 29. Juli 2016 auf BR-Klassik lief und dann online eine Woche lang zu jeder Zeit nachhörbar ist.
Bildquelle: picture alliance/dpa Wir sprachen nicht nur über Zeiteinteilung und übers Üben mit einem nicht ganz einfach zu spielenden Blas-Instrument, sondern auch übers Kochen. Und Vincent Klink darauf hin, dass er auch in der Küche gern improvisiere: Alles möglichst aus dem Gedächtnis - und mit den Zutaten, die da sind. Wenn er haarklein nach einem bis ins winzigste Detail präzisen Rezept kochen müsste, dann würde ihm "der Groove" fehlen, so Klink. Auch das Kochen müsse etwas Spontanes, aus dem Moment Geschöpftes haben. Und wir ergänzen hier mal: Wer ein Meister auf seinem Instrument ist, der kann sich das Improvisieren leisten. In der Küche wohl genau so wie im Musikstudio oder auf der Bühne.
Vincent Klink schätzt den Jazz besonders wegen der Spontaneität, die in dieser Musik möglich ist. Er spiele nicht gern nur nach Noten, und seine Soli, sagt er, seien wirklich improvisiert. Er habe nämlich ein so schlechtes Gedächtnis, dass jedes Solo für ihn sowieso immer neu sei - er müsse seine Soli jeden Abend neu erfinden, da er sich nie an etwas erinnern könne, das er sich zuvor zurechtgelegt habe.
"Groove" könnte auch für "Spaß an der Sache" stehen – bei Klink auf jeden Fall. Dieser Spaß übertrug sich in Neuburg an der Donau auf das Publikum - das der Musik und den dazwischengeschobenen Lesungen Klinks aus seinem neuen Buch "Ein Bauch spaziert durch Paris" begeistert applaudierte. Ein paar Minuten lang ging es auch um das, was darin auf Seite 244 und den folgenden steht. "Maigret und sein Kalbsragout" heißt das Kapitel - und darin geht es unter anderem um den Jazzclub Birdland in Neuburg. Ein "Kultstätte des Jazz" nennt Klink diesen Club. Textauszug: "Für Norddeutsche oder musikalische Laien hört sich dieser Ort vielleicht etwas hausbacken an“ - womit er die Stadt Neuburg selbst meint - "aber Achtung Leute: Neuburg, an der glasklaren Donau gelegen, ist eine über die Maßen schöne Stadt und der 'Jazzclub Birdland' international hoch angesehen. So ziemlich jeder Jazz-Weltmeister hat in der 30-jährigen Geschichte dieses Clubs dort schon Konzerte gegeben." Nach diesen Feststellungen schildert Klink, wie er - nachdem er sich, "auf dem Kirchplatz angekommen", mit seiner Basstrompete "den Jazzkeller hinunter gehangelt" hatte - zum ersten Mal Manfred Rehm traf, den Hausherrn des Jazzclubs, der laut Klink ein "ausgefuchster Paris-Kenner" ist. Rehm riet Klink, in Paris unbedingt die Place Dauphine aufzusuchen - das ist ein kleiner dreieckiger Platz, den man vom Pont Neuf aus erreicht - und dort in ein Lokal zu gehen, das aus der Literatur bekannt ist. Denn in diesem Lokal stärkte sich stets Kommissar Maigret, der Ermittler-Held von Georges Simenon, wenn er in der Arbeit an einem seiner kniffligen Fälle eine Pause brauchte. Klink folgte dem Rat - und da kam dann das in seiner Kapitel-Überschrift erwähnte Kalbsragout ins Spiel.
Bildquelle: BR/Roland Spiegel Vincent Klink pflegt in seinen Büchern eine Sprache, deren Klang man sich auf der Zunge zergehen lassen kann. Da stimmen die Zutaten, alles ist fein und geschmackssicher gewürzt, und es ist nie eine trockene Angelegenheit. Und wie beim Musikmachen hat Klink auch beim Schreiben ein gutes Gespür für Melodie und für Proportion. Hinzu kommt ein außergewöhnlicher Sinn für Humor, der sich schon in Buchtiteln wie "Sitting Küchenbull. Gepfefferte Erinnerungen eines Kochs" von 2011 zeigt. "Ein Bauch spaziert durch Paris" zeugt aber genau so von Selbstironie und funkelndem Sinn für ansprechende sprachliche Bilder. In der Sendung "Jazz Unlimited" ist Vincent Klink unter anderem mit einer Version des französischen Chansons "C'est si bon" zu hören, außerdem mit einigen Jazzklassikern wie Charlie Parkers Stück "Confirmation" und Victor Youngs "Beautiful Love" sowie einigen Stücken aus der Feder seines musikalischen Leiters Patrick Bebelaar. Manchmal werden da auch unterschiedliche musikalische Welten gewitzt ineinander geblendet, was für eine weitere Humor-Ebene sorgt. In der Radiostunde der BR-KLASSIK-Jazztime kommt Vincent Klink in Auszügen aus dem Interview ausführlich zu Wort: So kann man nachvollziehen, wie dieser vielfach aktive Prominente seine verschiedenen Tätigkeiten auf die Reihe bekommt - und Klinks freundlichen sprachlichen Hintersinn auch im Originalton genießen.
Vincent Klink: "Ein Bauch spaziert durch Paris", Rowohlt 2015, 286 Seiten, gebunden, 19.95 Euro
Vincent Klink: "Sitting Küchenbull. Gefefferte Erinnerungen eines Kochs", rororo Taschenbuch, 220 Seiten, 3. Auflage, 2015, 8.99 Euro
Freitag, 29. Juli 2016: Jazz Unlimited
Der Koch, die Literatur und die Basstrompete: Töne und Interview-Auszüge von und mit dem Sterne-Koch Vincent Klink. Oder: Ein Bauch spaziert durch die Jazzgeschichte. Und bewegt sich sehr geschmeidig. Mit Aufnahmen vom 3. April 2016, Jazzclub Birdland, Neuburg an der Donau - mit Vincent Klink, Basstropete, Patrick Bebelaar, Klavier, und Günter Lenz, Bass.
Moderation und Auswahl: Roland Spiegel