Mit einer würdevollen Allemande wird die instrumentale Suite eröffnet. Doch war die Allemande, als sie noch getanzt wurde, zweiteilig, und dieser stürmische 2.Teil wurde von Manchem als anstößig empfunden.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Der Deutsche ist gern Erster. Sei es nun bei einer Fußballmeisterschaft, der Euro-Rettung oder beim Belegen von Sonnenliegen im Urlaub. Da überrascht es kaum, dass der Deutsche auch in der Musik am liebsten vorn dran ist. So hat es denn die Allemande, das "Teutsche Kling-Stück", wie ein zeitgenössisches Musiklexikon es nennt, geschafft, in der Instrumental-Suite der Barockmusik immer an erster Stelle gespielt zu werden, und zwar noch vor Courante, Sarabande und Gigue. Egal ob bei Froberger oder Couperin, Vivaldi oder Rameau, Händel oder Bach; egal ob auf dem Cembalo, der Blockflöte, der Laute, der Geige oder dem Cello.
In der Regel besteht eine Allemande aus zwei Teilen, einem langsamen und einem etwas schnelleren, und kann in der barocken Suite sehr kunstvoll gestaltet sein mit Kontrapunkt und Scheinpolyphonie. Doch sind sich die Musikschriftsteller der Zeit darüber einig, dass eine Allemande vor allem eines ist: würdevoll und erhaben. So schreibt Johann Mattheson 1739 in seinem Hauptwerk "Der vollkommene Kapellmeister":
"Die Allemande, als eine aufrichtige teutsche Erfindung, (…) ist eine gebrochene, ernsthafte und wohl ausgearbeitete Harmonie, welche das Bild eines zufriedenen oder vergnügten Gemüths trägt, das sich an guter Ordnung und Ruhe ergetzet."
Und Johann Gottfried Walter schreibt in seinem 1732 in Leipzig erschienen "Musicalischen Lexicon", dass die Allemande
"ernsthaft und gravitätisch gesetzet und auch auf gleiche Art exekutiert werden muss." Um dann fortzufahren: "In dieser Gattung, zumal wenn darnach getanzet werden soll, übertreffen die Teutschen andere Nationen, als welche zwar imitieren wollen, aber es ihnen nicht gleich thun können."
Das ist natürlich ein leicht chauvinistisches Urteil. Aber tatsächlich darf nicht vergessen werden, dass die Allemande, bevor sie sich als kunstvolles Instrumentalstück den ersten Platz in der Barocksuite eroberte, tatsächlich ein populärer deutscher Tanz war. Der wurde schon in der Renaissance getanzt und bestand aus einem ruhigen geschrittenen, und einem schnelleren gehüpften oder gesprungenen Teil. Doch erst als man diesen ungestümen zweiten Teil, der von der führenden Tanz-Nation Frankreich als unsittlich empfunden wurde, gebändigt hatte, konnte die Allemande ihren Siegeszug durch Europa antreten. Manchmal lohnt es sich eben Kompromisse einzugehen, wenn man Erster werden will.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 1. Juli 2012, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK