Es existieren nicht viele Zeugnisse, die Auskunft über Anna Bon geben - diese wenigen aber zeichnen das Bild einer Musikerkarriere durch mehrere Länder Europas.
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Als Anna Bon 1756 ihr Opus 1 veröffentlicht, ist sie gerade einmal sechzehn Jahre alt, sie selbst macht diese Angabe auf dem Titel. Es ist eine Sammlung von sechs Kammersonaten für Traversflöte und Begleitung, und gewidmet sind sie dem Markgrafen Friedrich von Bayreuth. An dessen Hof lebt sie da seit kurzer Zeit, gemeinsam mit ihren Eltern. Die Mutter ist Opernsängerin, der Vater Theatermaler, auch Lehrer an der Akademie der freien Künste und Wissenschaften in Bayreuth.
Der Namenszusatz "di Venezia" erzählt von ihrer Kindheit und der ersten musikalischen Ausbildung: am 8. März 1743 wird Anna im "Ospedale della Pietà" in Venedig aufgenommen, jener berühmten Schule, an der Waisenkinder zu teils hervorragenden Musikern ausgebildet werden, an der Antonio Vivaldi unterrichtet hatte und zu Annas Zeit Nicola Porpora der wichtigste Lehrer ist. Ein Waisenkind ist sie nicht, nur temporär ohne Eltern, die sind derweil in Russland unterwegs, um dort die italienische Oper publik zu machen. Vieles ist unklar in dieser Biographie, etwa, wie lange Anna Bon im Ospedale ist und wann sie wieder bei ihren Eltern lebt. Die Zeit am Bayreuther Hof dürfte eine erfreuliche für sie sein, ist doch die Markgräfin Wilhelmine selbst begeisterte Musikerin, und dort kann Anna Bon ihr Talent im Cembalospielen, im Singen und im Komponieren ausleben. Lange ist sie dort allerdings nicht.
Wilhelmine stirbt 1758, und das bedeutet auch große Veränderungen des musikalischen Lebens am Hof, leider nicht zum Positiven. Viele Musiker verlassen ihn in dieser Zeit. Für Anna Bon bedeutet der Weggang aus Bayreuth aber auch eine weitere beeindruckende Station ihres Lebens: ab 1762 lebt sie am Hof des Fürsten Esterhazy in Eisenstadt, wo seit einem Jahr auch Joseph Haydn ist, zunächst als Vizekapellmeister.
Drei Sammlungen mit Kammermusik sind uns von Anna Bon die Venezia überliefert: nach den Flötensonaten veröffentlicht sie 1757 sechs Cembalosonaten und später noch sechs Divertimenti für zwei Flöten. Auch eine Oper soll sie komponiert haben, die allerdings ist verschollen. Sie bedient damit den Geschmack der Zeit: galante Stücke, die wunderbar in höfische Gesellschaft passen; die niveauvoll unterhalten. In denen der italienische Barock ihrer Kindheit durchscheint, die aber auch durchaus in die Zukunft weisen und die Leichtigkeit des Rokoko atmen. Die veröffentlichte Musik der Anna Bon di Venezia stammt aus ihren Teenagerjahren. Ob sie auch später noch komponiert hat, ist ungewiss. Ebenso ihr Werdegang. Die letzten verlässlichen Zeugnisse über sie stammen aus der Zeit, als sie Mitte zwanzig ist, danach verschwindet sie von der Bildfläche.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 28. Januar 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK