Antwerpen - diese flämische Stadt assoziiert der Alte-Musik-Freund vermutlich noch heute spontan mit der hohen Schule der polyphonen Kompositionskunst. Wie kommt das? Unser Stichwort klärt auf!
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Stichwort | 27.01.2019
Antwerpen
"Wenn man über die wichtigsten Punkte in Sachen Musik in Antwerpen spricht, dann muss man zu den Polyphonisten zurückgehen, Ockeghem, Obrecht.. Die Kirche Unsere liebe Frau war da besonders bedeutend. Und dann darf man den Musikkalligrafen Petrus Alamire nicht vergessen...",
erklärt einer der es wissen muss: Bart Demuyt, Sänger, Musikwissenschaftler und künstlerischer Leiter des Augustinus Muziek Zentrum - kurz AMUZ - und des Festivals Laus Polyphoniae in Antwerpen. Denn ja: an der Kirche Unsere Liebe Frau legte man bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts großen Wert auf gepflegte Kirchenmusik, und aus ihrer Chorschule gingen nicht nur zahlreiche Musiker hervor, sondern sie zog auch solche aus anderen Gegenden an. So verbrachten etwa Cipriano de Rore oder Orlando di Lasso jeweils einige Jahre hier, andere kamen zumindest von Zeit zu Zeit in die Stadt. Denn, bemerkt Bart Demuyt:
"In diesem Kontext sollte man auch erwähnen, dass Antwerpen wichtig für den Musikdruck war - denken wir nur mal an Tielman Susato, Valesius und Plantin-Moretus".
Diese Blütezeit der Komposition und der Druckkunst beruhte nicht zuletzt auf der Tatsache, dass Antwerpen bis ins 17. Jahrhundert eine der größten Städte der Welt war, und eine der wichtigsten Handelsmetropolen. Die Wirtschaft florierte also, die reichen Handelsleute umgaben sich gern mit allem Schönen und waren bereit, dafür viel Geld zu bezahlen.
"Da entstanden im 17. Jahrhundert Musik-Salons, ich nenne nur die Familie Duarte, für die es eine echte Tradition war, in ihrem Haus Verantaltungen zu organisieren, bei denen die Musik sehr wesentlich war".
Als die ökonomische Blüte jedoch um 1600 durch allerlei politische und religiöse Konflikte zu welken begann, betraf das auch Komposition und Musikausübung. Nicht aber den Instrumentenbau. Denn wofür Antwerpen im 17. und 18. Jahrhundert vor allem berühmt war, das waren die Cembali der Antwerpener Familienwerkstätten Ruckers, Couchet und Dulcken, die europaweit zu den meistbegehrten ihrer Art gehörten.
Auch Ende des 18. und im 19. Jahrhundert gab es natürlich immer Musik in Antwerpen, Oper, Konzerte - aber nichts wirklich Außergewöhnliches. Das änderte sich erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Schon länger hatte man damals Alte-Musik-Konzerte im Vleeshuis und im Rubenshaus veranstaltet. Und, erzählt Bart Demuyt:
"Und inzwischen haben wir dafür die Augustinuskirche, die zu einem Konzertraum umgebaut wurde, in der heute das AMUZ und das Flandern-Festival Antwerpen zu Hause ist, und wo die historische Aufführungspraxis zentral steht. Im Jahresprogramm des AMUZ - mit circa 150 Konzerten - gibt es aber auch Festivals, und eines von ist ganz auf die Polyphonie gerichtet".
Und so schließt sich der Kreis: In der Stadt, die vor einem halben Jahrtausend schon als Zentrum der Polyphonie galt, gibt es nun mit Laus Polyphoniae eines der ganz, ganz wenigen auf diese Kunst konzentrierten Festivals; und sicher das Wichtigste seiner Art. Wieder ist Antwerpen also Weltstadt - Weltstadt der Polyphonie!
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 27. Januar 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK