Sie taucht in der Renaissance in vielen Notenbüchern mit Tanzmusik auf und später dann, im Barock, auch als Satz in Instrumental- oder Orchestersuiten: die Canarie, deren Name von den Kanarischen Inseln abgeleitet wird, ist ein kurzes Stück fetziger Tanzmusik, voll "Begierde und Hurtigkeit".
Bildquelle: gemeinfrei
Stichwort | 31.12.2017
Canarie
Lanzarote, Teneriffa, La Gomera, Sehnsuchtsorte im Meer zwischen der europäischen und der afrikanischen Küste; Sonne, Strand, eine fremde Sprache, und dann Tänzern zusehen, die sich hitzig einer Canarie hingeben. Die Canarie, oder auch Canario genannt, ist ein Tanz, der vermutlich von den kanarischen Inseln stammt und sich im 16., 17. und 18. Jahrhundert großer Beliebtheit in Europa erfreute. In Tanzbüchern wird er als feurig beschrieben, als Werbungstanz, bei dem die Tänzer Kastagnetten spielen, virtuose Sprünge vollführen und das feste Aufstampfen mit Ferse und Fußspitze dazugehört. Wie auch pantomimische Elemente.
Kann aber auch sein, dass die Canarie nicht von den Kanaren stammt, sondern dass sie für eine mascarade entwickelt worden ist, bei der eben auch exotische Tänze gespielt und getanzt werden sollten. Noten für Canaries finden sich bei Thoinot Arbeau in Frankreich, bei Michael Praetorius in Deutschland, später auch in den französischen Ballettopern, etwa von Jean-Baptiste Lully. Auch in Instrumentalsuiten finden sich Canaries. Johann Joachim Quantz beschreibt sie ähnlich der Gigue:
"Die Gique und Canarie haben einerley Tempo. Wenn sie im Sechsachttheiltacte stehen, kommt auf jeden Tact ein Pulsschlag. Die Gique wird mit einem kurzen und leichten Bogenstriche; die Canarie, welche immer aus punctirten Noten besteht, aber, mit einem kurzen und scharfen Bogenstriche gespielet." (Johann Joachim Quantz)
Und Johann Mattheson fügt noch deutlicher die charakterliche Ausrichtung hinzu: "Die Canarischen müssen grosse Begierde und Hurtigkeit mit sich führen; aber dabey ein wenig einfältig klingen." (Johann Mattheson)
Im Laufe des 18.Jahrhunderts dann wird die Canarie immer seltener getanzt, immer mehr ist sie ein stilisiertes Instrumentalstück, bis schließlich Jean-Jacques Rousseau 1768 vermerkt:
"Dieser Tanz ist heutzutage nicht mehr in Gebrauch." (Jean-Jacques Rousseau)
In den 1950er Jahren dann hat die Canarie noch mal einen großen Auftritt: Joaquin Rodrigo lässt sich von Musik für Barockgitarre des 17. Jahrhunderts inspirieren und setzt damit Gaspar Sanz ein Denkmal. Ausgehend von Kompositionen aus dessen Feder schreibt Rodrigo seine "Fantasia para un gentilhombre", ein Gitarrenkonzert, das mit einem Canario endet.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 31. Dezember 2017, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK