Lustig, launig, schräg: Das Capriccio gehört zu den "wunderlichsten" Formen, wie es Johann Mattheson formulierte. Wo sonst in der Musik kann man Bettelweibern, Soldaten im Schlachtengetümmel oder einem ganzen Bauernhof begegnen?
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Das Stichwort vom 3. Januar 2016
Capriccio
Das Capriccio ist eine vokale oder instrumentale Kompositionsform mit Platz für launige Ideen. Es begegnet uns Mitte des 16. Jahrhunderts zum ersten Mal - zum Beispiel bei Giovanni Croce. 1595 veröffentlichte er unter dem Titel "Triaca musicale nelle quale vi sono diversi caprici" Stücke für mehrere Sänger, die amüsante Szenen aus dem Alltag in Venedig erzählen, etwa ein Maskenspiel der Bettelweiber. Das Capriccio zählt wie Toccaten, Präludien oder Fantasien zu den freieren Formen und gibt dem Komponisten die Möglichkeit, sich auszuprobieren, über die Stränge zu schlagen und die Grenzen des Machbaren auszuloten. Mit Musik Bilder zeichnen und Geschichten erzählen, und das eben oft auch ohne Gesang.
Noch eine gewisse Gattung, ich weiß nicht, ob ich sagen soll der Melodien, oder musicalischen Grillen, trifft man in der Instrumental-Music an, die von allen übrigen sehr unterschieden ist, in den so genannten Fantasie, deren Arten sind: die Boutades, Capricci, Toccate, Preludes, Ritornelli & c. Die Capricci lassen sich nicht wohl beschreiben. Der eine hat diese, der andre jene Einfälle. Je wunderlicher und außerordentlicher sie sind, je mehr verdienen sie ihren Namen. Nur nicht zu viel davon angebracht, so sind sie auch gut.
Es gibt Capricci, die ein Schlachtengetümmel abbilden, Capricci, die das morgendliche Erwachen erzählen, solche, die über einem ostinaten Bass komponiert sind oder Capricci, die von allerhand Tieren erzählen. Carlo Farina zum Beispiel bringt in seinem "Capriccio stravagante" für vier Stimmen einen kleinen Bauernhof unter. Er beschreibt Hennen, einen Hahn, eine Katze und einen Hund. Zwischendurch laufen Soldaten vorbei, und die Instrumente imitieren andere Instrumente, eine Leier, eine Trompete, Flöten oder Pauken.
Niccolo Paganini schrieb die berühmten Capricen für Violine solo | Bildquelle: dpa-Bildarchiv Die vokale Ausprägung des Capriccios ist im Spätbarock vorbei, und es mausert sich zunehmend zu einem Stück für Virtuosen. Die berühmtesten Capricci dürften schließlich die 24 Capricen von Niccolo Paganini sein, da sind die launigen Einfälle nicht mehr das Nachahmen von Tieren oder Geräuschen, sondern technischer Natur. Ein Vorbild für Paganini waren die Kompositionen von Pietro Antonio Locatelli. Der fügt Capricci in seine Violinkonzerte ein, die aber auch als kurze Einzelstücke gespielt werden können. Sein "Labyrintho armonico" ist tatsächlich ein musikalisches Labyrinth, in dem vom Musiker höchstes technisches Können eingefordert wird.