Anfangs war die Chanson ein einstimmiges Lied, später wurde sie auch mehrstimmig komponiert. Der Inhalt war meist die Liebe – in all ihren Facetten (auch den unanständigen).
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Fraglos ist "Je ne regrette rien" von Edith Piaf eines der populärsten Chansons Frankreichs. Ebenso wie die von Jacques Brel, Charles Aznavour oder Patricia Kaas. Aber in diesem Stichwort geht es nicht um das Chanson, sondern um die Chanson. Und bei die Chanson handelt es sich um das nicht religiöse Liedgut, das im französischen Sprachraum in Mittelalter und Renaissance erklang. Zum Beispiel der einstimmige Sing-Sang der Troubadoure mit ihren höfischen Minne- und Heldenliedern, den Chansons de geste.
Im Spätmittelalter wurde die Chanson dann häufig mehrstimmig. Sie entwickelte sich zum weltlichen Gegenstück der Motette. Doch die dort gepflegte Isorhythmie, also die Wiederholung derselben rhythmischen Abschnitte in den verschiedenen Stimmen, gab es in der Chanson nicht. Hier waren die Regeln der Polyphonie viel freier.
Inhaltlich orientierte sich die Chanson anfangs an der höfischen Lyrik des 14.Jahrhunderts. Da ging es zumeist um die übergroße Leidenschaft eines Verliebten für seine Herzensdame, um Liebesqualen, um unerhörte Liebe, um schmerzhafte Trennungen von der Geliebten. Aber diese hohe höfische Minne forderte durchaus auch zum respektlosen Umgang auf und brachte Parodien hervor. Etwa eine Chanson, in der junge Damen ermuntert wurden, ihren amourösen Neigungen ruhig nachzugehen, solange sie diskret dabei waren und alles in der Kirche beichteten. Im 15. Jahrhundert wendete die Chanson dann den Blick vom Adel weg hin zur bürgerlichen Gesellschaft mit Händlern und Handwerkern, Klerus und Arbeitern. Die Inhalte wurden volkstümlich.
Der erste herausragende Schöpfer mehrstimmiger französischer Chansons im 14.Jahrhundert war Guillaume de Machaut. Viele weitere Komponisten der franko-flämischen Schule folgten diesem Beispiel und lieferten im 15. und 16.Jahrhundert hervorragende Beispiele des noch recht jungen Genres ab: darunter Guillaume Dufay, Josquin Desprez, Gilles Binchois, Johannes Ockeghem, Pierre de la Rue, Claudin de Sermisy und Nicolas du Chemin. Ihre Chansons wurden nicht nur in Frankreich gesungen, sie waren weit verbreitet über die Sprachgrenze hinaus. Einer der Hits im 15. Jahrhundert war Hayne de Ghizeghems Lied "De tous biens plaine". Diese Chanson findet sich in über 25 Handschriften quer durch Europa und dürfte vor 500 Jahren ähnlich beliebt gewesen sein wie die Chansons von Edith Piaf heute.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 9. Dezember 2012, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK