Virtuosität fasziniert. Während der Renaissance war es die Kunst der Verzierung, der Diminuierung, die aus einem zunächst eher simplen Stück eine oft rasante Angelegenheit machte.
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Diminuieren, das heißt übersetzt "verkleinern". Und genau das übten und zelebrierten Sänger und Instrumentalisten in der Blütezeit der Diminution, die ihren Anfang zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Italien nahm und bis ins 18. Jahrhundert in ganz Europa in Mode blieb - Noten verkleinern.
"Die Kunst des Diminuierens bestand aus einem Prozess der Teilung von langen Noten einer Melodie in schnell bewegte Passagen, während die Kontur der ursprünglichen Linie mehr oder weniger aufrechterhalten wird, indem, dass die wichtigsten Noten der Melodie genau in ihren Anfängen und üblicherweise an ihren Enden gespielt oder gesungen werden."
erklärt Bruce Dickey, für den als Zinkenisten die Diminution zum täglichen Brot gehört.
Im Gegensatz zu Verzierungen wie Trillern oder Appoggiaturen, die nur über einzelne Noten stehen, betreffen die Diminutionen also ganze Melodien, die sie z. B. mit Läufen oder gebrochenen Akkorden umspielen. Gerne verzierte man auf diese Weise Wiederholungen oder Liedstrophen, aber es war auch gängige Praxis, dass ein Musiker ein ganzes Stück eines bekannten Komponisten diminuierte. Da konnte aus einer einfachen Melodie ein ungeheuer virtuoses Werk entstehen, was den Musikern natürlich damals wie heute viel Übung abverlangte.
"Die Kunst des Dementierens wurde durch auswendig gelernte Muster gelernt, die dann kombiniert und re-kombiniert werden in unzähligen Varianten."
So spielten die Schüler meist erst einmal ihren Lehrern nach. Doch es gab auch eigene Bücher mit Vorlagen. Bruce Dickey erklärt das Grundprinzip:
"Während des Spiels hatte der Musiker die Melodie zu einer Reihe von Grundintervallen zu reduzieren. Diese Intervalle und Kadenzen konnten dann durch die gelernten Muster ersetzt werden. Genau wie in einer Jazz-Improvisation werden einige der Improvisierungen aus der Anwendung der memorierten Muster bestehen, und einige werden spontan erstellt werden, je nach den Fähigkeiten und Erfahrungen der Musiker."
Der wahre Meister wusste dann ein jedes Stück frei auszuzieren. Anfangs pflegte man diese Diminutionen noch nicht zu notieren, doch ab etwa Ende des 16. Jahrhunderts wurde das durchaus üblich, und gerne spielten oder sangen die Musiker nun auch solche von den großen Meistern ihres Fachs ausgeschriebenen Diminutionen notengetreu nach. Ein dankenswerter Umstand, durch den uns faszinierende Beispiele für solche Ausziehrungen erhalten geblieben sind.
Ausländische Verwandte der deutschen Diminution sind übrigens die englische Division, die spanische Glosa, die französische Double und das italienische Passaggio. Gegen Ende des Barockzeitalters ließ vor allem in Deutschland und Frankreich die Begeisterung der Komponisten für improvisatorische Diminutionen deutlich nach. Mehr und mehr wollten sie selbst bestimmen, wie ihre Werke kennen sollten, und schrieben die Ornamente in ihrer Musik vorsichtshalber aus. Am längsten erhielt sich die Diminutions-Praxis in Italien, wo sie in Concerti und Sonate, aber auch im virtuosen Operngesang noch weit bis ins 18. Jahrhundert gebräuchlich war und nach wie vor eine gewisse Geläufigkeit verlangte
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 8. Dezember 2013, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK