Ein Fingersatz - das sind je nach Instrument viele kleine Zahlen oder Buchstaben, die sich der ordentliche Instrumentalist über das Stück schreibt, mit dem er sich befasst, um im Getümmel der Noten und Finger nicht die Orientierung zu verlieren. Damals wie heute. Aber waren das immer die gleichen Fingersätze?
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Ein Fingersatz hat den Zweck, einen Instrumentalisten möglichst unfallfrei durch ein Stück zu leiten. Geht man als Spieler eines Streich-, Zupf- oder Tasteninstruments ein neues Werk an, heißt es also zuallererst, sich einen guten Fingersatz zu überlegen, und dadurch, dass die Finger dann schon beim Üben immer wieder die gleichen Bewegungen absolvieren, lernt man ein Stück auch schneller. Fingersätze sind deshalb auch schon so alt wie die Instrumente, für die sie gedacht sind, wie Lorenzo Ghielmi, Spezialist für historische Tasteninstrumente erklärt:
"Es ist sehr kompliziert, weil gibt es sehr, sehr viele Quellen - die älteste Quelle glaube ich ist in Prag, etwa 1511 - und dann Johannes Buchner, 1520. Die sprechen uns über eine Benutzung des Fingersatzes, das anders ist als heute in eine Klavierschule".
Denn damals, in der Renaissance und dann auch noch im Barock, wollte man möglichst vokal, sprechend musizieren. Also gab es sogenannte gute und schlechte Noten oder Finger, und man spielte beispielsweise eine Tonleiter oder eine aufsteigende Melodie auf einem Tasteninstrument oft mit einem Fingersatz wie 2-3-2-3-2-3. Und immer ist dabei der erste Finger wichtiger, als der zweite in der Reihe - was einem modernen Pianisten oder Organisten vollkommen abstrus scheint. Aber das heißt nicht, dass man einfach immer zwei Noten zusammenbindet - sondern durch diesen besonderen Fingersatz erreicht man eine ganz subtile artikulatorische Differenzierung. Ghielmi:
"Das ist eine ganz feine und raffinierte Unterschied. Aber das ist, was die Alten haben gerne gehabt".
Soweit zu den Fingersätzen für Läufe und Melodien. Ein zweiter Punkt ist das Spiel von Akkorden. Moderne Tastenspieler versuchen hier stets, so von einem Akkord zum nächsten zu wechseln, dass ja keine Löcher dazwischen entstehen. Nicht so in früheren Zeiten, sagt Lorenzo Ghielmi:
"Da haben die, wie Carl Philipp Emanuel Bach sagt, von Griff zu Griff gespielt. So die haben nicht gedacht: oh, jetzt bin ich mit diese Akkord und dann vorbereite ich diese nächste Akkord, und dann mache ich eine stumme Fingerwechsel - nein, die haben von Griff zu Griff gespielt. Und entstanden damit sehr oft eine etwas luftiger und mehr artikulierte Akkordenspiel".
Lange hieß es übrigens vor allem in deutschen Landen auch, der Daumen solle möglichst wenig, und schon gleich gar nicht auf den schwarzen Tasten benutzt werden. Erst bei Johann Sebastian Bach ließ sich das manchmal nicht mehr vermeiden:
"Bach hat sehr viel die neue Tonarten benutzt, und diese Daumenbenutzung ist gebunden zu den neuen Tonarten, wie Bach in den Wohltemperierte Klavier benutzt hat. Wenn man in cis-Moll oder As-Dur spielt, kann man sicher nicht mehr die Tonleiter mit 3-4-3-4-3-4".
erklärt Ghielmi. Wobei es sich hier noch immer nur um Ausnahmen handelte. Von der modernen Art, eine Tonleiter oder einen Lauf auf dem Klavier zu spielen - 1-2-3, Daumenuntersatz 1-2-3-4-5 - war man bis in die Romantik mit ihren seitenlangen Legatobögen noch weit entfernt! Deshalb betont Ghielmi:
"Das ästhetische Prinzip von die gute Finger und schlechte Finger das war wesentlich und ohne diese ich glaube kann man wirklich nicht gut diese Musik spielen".
Und sollte Ihnen nun schon der Kopf schwirren, von all diesen Fingern und ihren Sätzen, dann lassen Sie mich noch eines draufsetzen: Für Organisten gibt es nicht nur einen Finger-, sondern auch einen Fußsatz!
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 29. Juli 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK