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Florentiner Camerata Ein Irrtum revolutioniert die Musikgeschichte

Ob die Gelehrten, die sich um 1600 in Florenz um die Wiederbelebung der antiken Tragödie bemühten, ahnten, dass sie eine der bis heute wichtigsten Gattungen der Musik erfinden sollten?

Bildquelle: wikicommons

"Es gibt einleuchtende Gründe, weswegen ich die kontrapunktische Musik nicht sonderlich schätze, denn sie zerstört den Zusammenhang der Worte und das Versmaß der Dichtung, indem bald Silben verlängert, bald verkürzt werden, nur um den Gesetzen des Kontrapunkts gerecht zu werden. Es ist ein wahres Zerfleischen der Poesie, was in der kontrapunktischen Musik geschieht."

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So fasst der Komponist Giulio Caccini, einer der Sprachführer der Florentiner Camerata, seinen Unmut in Worte. Dieser Unmut über die Musikausübung ihrer Zeit einte die Mitglieder der Florentiner Camerata. Von etwa 1576 bis 1600 versammelten sich bedeutende Poeten, Philosophen und Musiker um den Florentiner Grafen Giovanni de' Bardi und später um den Adligen Jacopo Corsi. Ihre Forderungen waren: stoppt die übertriebenen Gesangsverzierungen, und vertont den Text so, dass er verstanden und mitempfunden werden kann. Ein erstes Ergebnis findet sich in Caccinis Veröffentlichung "Le nuove musiche" aus dem Jahr 1601. Es ist das erste Gesangslehrwerk der Musikgeschichte.

EIN MEILENSTEIN: "LE NUOVE MUSICHE"

"Da kam der Gedanke, eine Art Gesang gewissermaßen einer harmonischen Rede gleich aufzuführen, wobei ich eine gewisse edle Verachtung des Gesangs an den Tag legte, hin und wieder einige gewisse Dissonanzen berührte und den Bass aber ruhen ließ, ausgenommen da, wo ich irgendeinen Affekt ausdrücken wollte."

Legitimation für ihre revolutionären Ideen suchten die Gelehrten in altgriechischen Texten. Die Neuveröffentlichung der antiken Theoretiker im Zuge der Renaissance hatte vielerorts ein gesteigertes Interesse ausgelöst. In Rom erforschte der gebürtige Florentiner Girolami Mei die antike griechische Musiktheorie und gelangte zu der leider falschen Erkenntnis, dass die großen Tragödien der griechischen Antike gesungen worden waren. Er schrieb dies seinem Schüler Vincenzo Galilei nach Florenz. Dort bot ein gesellschaftliches Großereignis die Gelegenheit, neue Wege zu beschreiten.

GEBURTSSTUNDE DER OPER

Für die Hochzeit von Ferdinando de' Medici mit Christine von Lothringen im Jahr 1589 schrieben die Mitglieder der Florentiner Camerata mehrere musikalische Intermezzi. Der Erfolg ermutigte sie. Dieser neue Sologesang, die Monodie, machte es tatsächlich möglich, antike Stoffe als zeitgemäße gesungene Tragödien auf die Bühne zu bringen. Die ersten komplett gesungenen Tragödien komponierte Jacopo Peri um 1600. Mit seinen "favole in musica" erfand der Kapellmeister der Medici eine der wichtigsten Gattungen der europäischen Musik - die Oper.

Sendungsthema aus "Forum Alte Musik" vom 4. Juli 2020, 22.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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