Florenz – das ist die Stadt von Leonardo da Vinci und der Familie Medici, die Stadt des David und der Uffizien. Oder? Ja – aber nicht nur: In Florenz fanden nämlich auch zwei der gerade für unser heutiges Musikleben bedeutsamsten Entwicklungen der Musikgeschichte statt.
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Vernimmt man heute den Namen Florenz, denkt man wohl zuerst an die Familie der Medici - und an den Universalkünstler Leonardo da Vinci, der hier einen großen Teil seines Lebens verbrachte und viele bedeutende Werke hinterließ. Dabei vergisst man leicht, dass in Florenz auch zwei wesentliche Neuerungen der Musikgeschichte ihren Anfang nahmen...
Aus dem Mittelalter wissen wir zur Musik in Florenz nur, dass auch hier der gregorianische Choral gepflogen wurde und irgendwann erste Mehrstimmigkeit Einzug hielt. 1480 dann begründete Lorenzo de Medici eine Kapelle mit 18 Sängern, darunter so berühmte wie Heinrich Isaac und Alexander Agricola. Dieses Ensemble galt bald als eines der besten in ganz Europa.
Paralell dazu gab es die Laudesi, eine typisch florentinische Erscheinung. Das waren Gruppen von Laienbrüdern und -schwestern, die sich regelmäßig trafen, um in oft sehr lebendigen Gesängen, den Laude, Maria oder andere Heilige zu preisen. Gleichzeitig blühte auch die weltliche Musik, vor allem im sogenannten Trecento: Francesco Landini oder Paolo da Firenze sind zwei Namen, bekannt für ihre Madrigale und Ballate. Damals wurde italienische Musik europaweit als federführend wahrgenommen, bevor im Laufe des 15. Jahrhunderts die frankoflämische Vokalpolyphonie den Kontinent eroberte.
Aber ihre Vorherrschaft währte in Florenz nicht so lange, wie anderswo - und das haben wir der Camerata Fiorentina zu verdanken: Diese Gruppe von Dichtern, Philosophen und Künstlern verehrte im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts die griechische Antike sehr, und wollte griechische Dramen möglichst authentisch wiederaufführen. Dabei gingen sie von einer Art sparsam begleitetem Sprechgesang aus, bei dem der Text sehr gut verständlich sein sollte und in dem Gefühle sehr intensiv ausgedrückt werden konnten. So entstand die Monodie, bei der eine Melodie nur von einem sogenannten Generalbass begleitet wurde.
Und ja: Von dieser gefühls- und sprachbetonten Kompositionsart war es nicht mehr weit zur Oper: Jacopo Peri, auch ein Mitglied der Camerata, veröffentlichte 1598 La Dafne, die heute als erste Oper der Musikgeschichte gilt. Bald folgten weitere Camerata-Mitglieder mit weiteren Opern, etwa Giulio Caccini oder Emilio de Cavalieri. Abfällig nannte man nun den alten, polyphonen Stil die Prima Pratica - den neuen dagegen Seconda Pratica. Zum heute berühmtesten Protagonisten dieser Seconda Pratica avancierte übrigens der gar nicht in Florenz tätige Claudio Monteverdi.
100 Jahre später dann die nächste Revolution: Das Fortepiano. Um 1700 herum baute Bartolomeo Cristofori das erste dieser Tasteninstrumente - den Vorläufer des modernen Klaviers - auf Anregung des Prinzen Ferdinando de Medici. Die Eigenständigkeit der Stadt fand mit dem Tod des letzten Medici 1737 ein vorläufiges Ende. Aber immerhin: Mit dem Klavier steht vielleicht auch heute noch in vielen Haushalten auf der ganzen Welt ein kleines Stückchen florentinischen Erfindungsgeistes...
Sendungsthema aus "Forum alte Musik" vom 24. Oktober 2020, 22.05 Uhr auf BR-KLASSIK