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Folia Lärmender Tanz iberischer Herkunft

Lärmender Tanz iberischer Herkunft, der in der Barockmusik als Satzmodell diente und Vorlage für bedeutende Variationswerke war

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Zahlreiche Komponisten haben sich im Barock vom Bassmodell der Folia zu eigenen Stücken anregen lassen. Entstanden sind Werke, die wild und in dieser Wildheit doch auch kultiviert sind.

Die Folia ist nichts für Tanzmuffel oder artige Menuett-Abschreiter. Die Folia ist wild, ausgelassen und schweißtreibend. Denn ursprünglich ist sie ein Volkstanz aus Portugal, der dort im 15. Jahrhundert sehr populär war, und von Bauern und Hirten getanzt wurde. Ein äußerst ungestümer und lauter Tanz, wie noch der Spanier Sebastián de Covarrubias beeindruckt in einem Lexikonartikel von 1611 feststellt:

"Es handelt sich um einen bestimmten lärmenden portugiesischen Tanz, an dem viele Personen mit Rasseln und anderen Instrumenten teilnehmen, außerdem einige maskierte Rüpel, die auf ihren Schultern als Mädchen verkleidete Jungen tragen. Sie bilden mit ausgestreckten Armen manchmal einen Kreis und tanzen und spielen die Schellentrommeln. Der Lärm ist so groß und die Musik so schnell, dass alle von Sinnen zu sein scheinen. So wurde der Tanz Folia benannt nach dem toskanischen Wort folle, das eitel, töricht, von Sinnen, kopflos bedeutet."

WILD, AUSGELASSEN UND EIN BISSCHEN VERRÜCKT

Die etymologische Herkunft aus dem Toskanischen ist zwar nicht belegt, aber die Worterklärung stimmt. Denn im Portugiesischen bedeutet folia lärmende Lustbarkeit oder übermütige Ausgelassenheit. Im Italienischen wird follia mit Narrheit, Tollheit oder Raserei übersetzt, und das französische Pendant folie besagt so viel wie Verrücktheit oder Wahnsinn.                                                   

ZU WILD?!

Wegen ihres ungezügelten ausschweifenden Charakters soll die Folia in ihrer Frühzeit immer wieder verboten worden sein. Doch dann erobert sie, in verfeinerter Form, ganz Europa - in Spanien, Italien, Frankreich und England ist sie im 17. Jahrhundert besonders beliebt. Prägend für die Folia sind die kurzen, harmonisch-rhythmischen, kreisförmigen Sequenzen im Bass, die direkt ins Tanzbein gehen. Auf diesem Basso ostinato bewegt sich dann im Dreiertakt eine auf- und wieder absteigende Melodielinie, häufig in einer Moll-Tonart, die besonders zu Variationen animiert.

SIEGESZUG DURCH EUROPA

Johann Hieronymus Kapsperger ist der Erste, der 1604 für Chitarrone 19 Variationen auf ein Folia-Thema komponiert. Ihm folgen zahlreiche bedeutende Komponisten nach, die sich von der rhythmischen Stärke dieser Musik inspirieren lassen und die Folia als festgelegtes Satzmodell in die sublimere Musik des Adels und des Bürgertums hineintragen. In Spanien sind es Santiago de Murcia oder Gaspar Sanz, in Italien Alessandro Scarlatti oder Antonio Vivaldi, in Frankreich Jean-Baptiste Lully oder Marin Marais, In Deutschland Johann Sebastian Bach oder sein Sohn Carl Philipp Emanuel. Der einflussreichste von allen ist wohl der römische Geiger und Komponist Arcangelo Corelli, der in seinen prägenden Solosonaten für Violine und Continuo op.5 mit sehr anspruchsvollen Variationen auf eine Folia Furore macht. Und das liegt nicht daran, dass er beim Spielen wie ein Wahnsinniger ausgesehen haben soll. Aber bei aller Erhabenheit und Kultiviertheit dieser Barockmusik, ihre wilden volkstümlichen Wurzeln hat die Folia nie verleugnen können.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 10. Februar 2013, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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