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Das Stichwort vom 13. November 2016
Haute-Contre
Um es gleich vorweg zu sagen: Die französische Bezeichnung Haute-Contre erinnert zwar irgendwie an den Countertenor, sollte aber keinesfalls mit dieser Stimmlage verwechselt werden. Beide Männerstimmen wollen zwar hoch hinaus. Doch im Gegensatz zum Countertenor, der seine hohen Töne im Falsett singt, um die Alt- oder Sopranlage zu erklimmen, handelt es sich beim Haute-Contre um einen echten Tenor. Der erzeugt seine hohen Töne mit der Bruststimme oder einer voix mixte aus Brust- und Kopfstimme, und kann deshalb natürlich längst nicht so hoch singen wie ein Countertenor. Aber das hohe C schafft er locker und kommt oft sogar bis zum zweigestrichenen D.
Der Haute-Contre ist eine Spezialität der französischen Barockoper. In der Regel war es die Stimmlage für die Helden und Liebhaber. Seltener wurde diese hohe Tenorstimme in parodistischer Absicht eingesetzt, wie etwa in Jean Philippe Rameaus komischer Oper "Platée". Dort singt der Haute-Contre die hässliche Wassernymphe Platée, die sich für unglaublich schön hält, nicht als Hosen-, sondern als Rockrolle. Rameau schätzte die Stimmlage so sehr, dass er mehr als die Hälfte seiner Heldenhauptrollen für den Haute-Contre komponierte. Aber das war keine Ausnahme damals. Alle französischen Barockopernkomponisten von Rang und Namen schrieben für den Haute-Contre: Von Lully und Charpentier über Marais und Campra bis zu Gossec und Gluck.
Dabei musste der Haute-Contre, anders als später in der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts, seine hohen Spitzentöne nur ganz selten unter Beweis stellen. Der penetrant schmetternde Tenor war gar nicht das Klangideal der Barockoper. Die italienische Fortführung des Haute-Contre ist übrigens der tenore contraltino, der ebenfalls höher als das hohe C singen kann. Da diese Tenöre aber selten sind, wurde auch wenig extrem Hohes für sie komponiert. Der 14-jährige Mozart macht das einmal in "Mitridate, re di Ponto" und Bellini in "I Puritani".