Weit über 1.000 Jahre ist es her, dass Kassia, die lieber ein Kloster gründete als die vielleicht mächtigste Frau ihrer Zeit zu werden, gelebt hat – und doch berühren uns ihre Lebensgeschichte und ihre Werke noch heute.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Im Mittelalter lebte in Konstantinopel eine Frau, die wegen ihrer Schönheit, aber auch wegen ihrer Intelligenz und Bildung gerühmt wurde. Sie schrieb Verse, Hymnen, Spruch, Dichtungen und Epigramme, und sie komponierte, und das weitaus besser als die meisten ihrer männlichen Kollegen. Die junge Kassia hatte sogar beste Chancen, Kaiserin zu werden. Doch standen ihr hierbei ihre Intelligenz und Schlagfertigkeit im Wege.
Als der junge Kaiser Theophilos im Jahr 830 eine Brautschau abhielt, war Kassia unter den Begutachteten. Theophilos war von ihr zunächst sehr angetan, aber als er scherzhaft unter Anspielung auf die Rolle Evas im Paradies daher sagte, Frauen seien die Wurzel allen Übels, hatte Kassia eine Erwiderung parat: Frauen seien auch Ursache des Guten gewesen, wie schließlich die Gottesmutter Maria beweist. Da der Kaiser keinen Widerspruch dulden konnte, wählte er eine andere zur Frau. Kassia gründete ein Kloster und widmete sich ihren Versen und Hymnen.
Mehr als 50 liturgische Kompositionen sind von Kassia erhalten. Diese heben sich neben einer kunstvollen Verknüpfung von Wort und Musik vor allem dadurch hervor, dass sie eine eigenständige musikalische Ebene haben. So weist ein Hymnus auf fünf Heilige ein musikalisches Motiv auf, das aus einem Pentachord besteht, also aus einem fünf Tonraum von C nach G.
Damals außergewöhnlich und sehr typisch für Kassia ist die Themenwahl ihrer Gesänge. Sie widmet sich mit Vorliebe den Außenseitern und Gefallenen. Auch die Perspektive ist ungewohnt, denn sie zeigt den Blick einer Frau auf das Geschehen in der Bibel.
Ihr berühmtestes Werk ist das Troparion der "vielen Sünden verfallenen Frau". Zwar ist darin die biblische Maria Magdalena angesprochen, doch meinte man bald die Gefühle der Kassia selbst darin zu finden. Denn der Legende nach bereute Kaiser Theophilos bald, nicht Kassia zur Frau gewählt zu haben und besuchte sie in ihrem Kloster. Und obwohl diese floh, um ihm nicht zu begegnen, hatte sie doch unerlaubte Gefühle für ihn. So fand das Troparion der Kassia, wie es im Volksmund genannt wird, Eingang in die orthodoxe Liturgie. Bis heute lockt die Schönheit dieser Musik, aber vor allem ihr tröstlicher Inhalt während der Karwoche Menschen in die Kirche, die sich dort sonst lieber nicht sehen lassen.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 27. April 2014, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK