Als Komponist und als Theoretiker war er eine zentrale Gestalt am musikgeschichtlich umwälzenden Übergang von der Renaissance zum Barock – Michael Praetorius, eine Schlüsselfigur seiner Zeit.
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Sein vierstimmiges Arrangement des Weihnachtsliedes "Es ist ein Ros entsprungen" ist uns so geläufig wie die eigene Muttersprache. Von allen wird es gesungen und gespielt - von Profis wie im Familienkreis: vom Thomaner Chor Leipzig wie von der Berliner Liedertafel, von Thomas Hampson wie von Andrea Berg, vom Blechbläserensemble Ludwig Güttler wie von André Rieu und seinem Orchester. Unüberschaubar sind die Adaptionen. Eine Suche auf youtube landet derzeit rund 100.000 Treffer. Wie bei vielen "Hits" solcher Art sind der Titel und die Melodie bekannter als der Name des Komponisten oder Arrangeurs. Hier lautet der Name: Michael Praetorius (eigentlich Michael Schultheis oder Michael Schultze), deutscher Komponist, Organist und Musiktheoretiker, geboren am 15. Februar 1571 in Creuzburg bei Eisenach, gestorben am 15. Februar 1621 in Wolfenbüttel.
Michael Praetorius wurde nachhaltig geprägt durch sein Elternhaus. Der Vater war Lateinlehrer und Pfarrer - und überzeugter Lutheraner. In diesem Geist besuchte Michael die Lateinschule in Torgau und Zerbst, studierte Philosophie und Theologie in Frankfurt an der Oder. Dort startete er 1587 auch seine Laufbahn als Organist. In der Folge reiste er viel, u.a. nach Nürnberg und Prag, Regensburg und Kassel. Als musikalischer Berater wirkte er an den Höfen in Dresden, Magdeburg, Sondershausen und Kopenhagen.
Doch seine Hauptwirkungsstätte und sein Lebenszentrum hatte Michael Praetorius - zunächst als Kammerorganist, dann als Hofkapellmeister - zwischen 1594 und 1621 in Wolfenbüttel, am Hof des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel. Geschult in der deutschen Tradition Hans Leo Haßlers lernte Praetorius am Hof des Herzogs auch die Musik aus den anderen führenden Musiknationen Europas kennen - aus Frankreich die seinerzeit aktuellen Tanztypen, aus England die moderne Klangwelt der instrumentalen Consort-Music, aus Italien die Madrigalkunst und die venezianische Mehrchörigkeit.
Vor diesem Hintergrund schuf Praetorius ein riesiges Gesamtwerk von universalistisch-barockem Anspruch, darunter die neun Bände mit Geistlicher Musik unter dem Titel "Musae Sioniae", die "Musen Zions" (mit dem Weihnachtslied "Es ist ein Ros entsprungen" im 6. Band) sowie die über 300 Stücke umfassende Sammlung französischer Tanzmelodien unter dem Titel "Terpsichore". Flankiert wurde das Ganze von der dreibändigen Lehrschrift "Syntagma musicum" (mit der Kategorisierung der musikalischen Begriffe und Gattungen, einer umfassenden Instrumentenkunde und der Beschreibung der damaligen Aufführungspraxis). In der Summe hat Michael Praetorius wie kein anderer Musiker seiner Zeit die Musikpraxis und Musiktheorie enzyklopädisch erfasst. Seine Bedeutung in der abendländischen Musikgeschichte ist von kaum zu überschätzender Bedeutung.
Sendungsthema aus "Forum Alte Musik" vom 25. Juli 2020, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK