Für die frühe Neuzeit war die Erfindung des Buchdrucks ein technologisches Erdbeben, wie für uns heute das Internet. Und auch die massentaugliche Herstellung von Noten ließ nicht lange auf sich warten.
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Zugegeben: Erfunden hat Johannes Gutenberg den Buchdruck strenggenommen nicht. In China gab es schon im 8. Jahrhundert entsprechende Verfahren. Durch seine Technik machte Gutenberg den Druck aber massentauglich und prägte damit Mitte des 15. Jahrhunderts eine ganze Epoche. Schnell ging man dazu über, auch Noten in der Druckerpresse herzustellen statt sie mühevoll von Hand abzuschreiben. Die frühen Erzeugnisse, die im Holzschnittverfahren hergestellt wurden, nennt man Inkunabeln, auf Deutsch Wiegendrucke, weil das moderne Medium eben noch buchstäblich "in der Wiege" lag. Neue Wege bei der Herstellung von Musikalien ging dann erstmals Ottaviano Petrucci, und zwar ziemlich genau ein halbes Jahrhundert nach Gutenberg, im Jahr 1501.
Petrucci gilt als der Erfinder des modernen Notendrucks, weil er ein besonderes Verfahren dafür entwickelte: Anstatt die komplette Notenseite aus Holz zu schnitzen, druckte er zunächst nur die Notenlinien, dann den Text und in einem dritten Druckdurchgang die Noten. Letztere wurden nach dem Setzkastenprinzip aus einzelnen Metalltypen zu einem Melodieverbund zusammengesetzt. Petrucci erreichte so ein sehr präzises Ergebnis, das auch den Druck von komplizierteren polyphonen Stücken ermöglichte. Seine erste Sammlung mehrstimmiger Musik erschien 1501 in Venedig: die "Harmonice Musices Odhecaton A".
Venedig entwickelte sich schnell zum wichtigsten Zentrum des frühen Notendrucks. Aber auch andernorts wurde an verbesserten Verfahren getüftelt. In Paris entwickelte Pierre Attaingnant eine Drucktype, die neben den Noten auch die sie umgebenden Notenzeilen mitabbildete. So ließ sich das Druckverfahren wesentlich beschleunigen, da nur noch ein Druckdurchgang erforderlich war. Mit dem massentauglichen Notendruck entstanden ganz neue Berufsbilder, wie zum Beispiel das des Musikverlegers. Wichtige Druckzentren entstanden auch im deutschen Sprachraum, zum Beispiel in Nürnberg und Augsburg. In einer Augsburger Druckwerkstatt entstand auch der erste Druck mit mehrstimmiger Musik nördlich der Alpen.
Der sogenannte Typendruck hielt sich vereinzelt bis ins 20. Jahrhundert. Neben ihm entwickelten sich im Laufe der Zeit aber auch andere Druckverfahren: Viele Musikalien der Barockzeit wurden zum Beispiel im Kupferstichverfahren hergestellt. Anders als beim Typendruck handelt es sich hier um ein Tiefdruckverfahren. Das heißt, die Druckertinte wird nicht auf hervorstehende Drucktypen aufgetragen, sondern in Vertiefungen in der Druckplatte eingebracht. Als grundsätzliches Druckverfahren unterscheidet man außerdem den Flachdruck, bei dem druckende und nichtdruckende Flächen in einer Ebene liegen und durch chemische Reaktionen voneinander getrennt werden. Dazu gehört beispielsweise auch die Lithographie, die vor allem im 19. Jahrhundert verbreitet war.
Seit dem Mittelalter, als Noten von Mönchen in Schreibstuben in mühevoller Detailarbeit Federstrich für Federstrich abgeschrieben wurden, hat sich die Herstellung von Musikalien rasant entwickelt: Eine Druckwerkstatt, die hat heute praktisch jeder im eigenen Büro.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 23. September 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK