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Organetto Orgelsound zum Mitnehmen

Das Organetto war gewissermaßen das Keyboard des Mittelalters: Orgelsound zum Mitnehmen - ob bei einer Prozession oder für die Spielleute auf dem Marktplatz. Genaueres erfahren Sie in unserem Stichwort...

Bildquelle: © gemeinfrei

Stichwort | 12.05.2019

Organetto

Man findet sich nun nicht täglich in der Situation wieder, unterwegs kurzfristig mal eine Orgel zu brauchen - aber wenn, dann gibt es für dieses Bedürfnis eigentlich nur eine Lösung: Das Organetto! Dessen Beschreibung wir der Einfachheit halber mal aus dem Roman de la Rose, dem im 13. Jahrhundert meistgelesenen literarischen Werk Frankreichs entlehnen:

"Es gibt leicht zu handhabende Orgeln, die tragbar sind und von derselben Person gepumpt und gespielt werden, die auch entweder die Sopran- oder die Tenorstimme singt".

Einfach, aber durchdacht in der Technik

Wie bei einer großen Orgel entstehen die Töne also beim Organetto, indem Luft in Pfeifen geblasen wird. Anders als bei der Orgel gibt es allerdings nur relativ wenige Pfeifen - ein bis zweieinhalb Oktaven sind die Regel. Diese stehen auf einem Holzkästchen, das der Spieler auf dem Schoß hält, und das auf der linken Seite einen Blasebalg, auf der rechten eine der Anzahl der Pfeifen entsprechende Reihe von Tasten oder Knöpfen besitzt. So ist die linke Hand des Organettisten also für die Luftzufuhr zuständig, die rechte für die Abfolge der Töne. Der kleine Balg so eines Instrumentes erzeugt allerdings nur relativ wenig Luftdruck, und so spielt man auf dem Organetto normalerweise nur einstimmig - was einem in der Ausführung polyphoner Motetten oder Chansons geübten Musiker des Mittelalters  oder der Renaissance offenbar häufig noch genügend Kapazitäten freiließ, um bei Bedarf eine weitere Stimme zu singen. Außerdem kommt nur Luft, wenn der Balg zusammengedrückt wird, so dass, wenn der Spieler den Balg wieder auffaltet, ein ähnlicher Effekt entsteht, wie wenn ein Sänger atmet. Und natürlich kann man durch die Geschwindigkeit des Pumpens auch ein Stück weit Tonhöhe und -intensität beeinflussen.

Einsatzfelder

Wann genau das erste Organetto gebaut wurde, wissen wir nicht. Möglicherweise wurde es entwickelt, um auch bei Prozessionen eine Orgel zu haben, und so sieht man das Instrument auch auf vielen religiösen Abbildungen des Mittelalters - gewöhnlich von Engeln gespielt. Auf Erden allerdings, wo es etwa vom 13. bis zum 16. Jahrhundert zu den beliebtesten Instrumente überhaupt zählte, galt es vor allem als typisches Equipment der Spielleute; der kirchenmusikalische Einsatz war wohl lange eher zweitrangig.

Der Orpheus unter den Organettisten

Ein berühmter Organettospieler war übrigens der blinde Musiker und Komponist Francesco Landini: Er und sein Organetto: das beeindruckte sogar die Vögel, wie wir es in einer Novelle seines Zeitgenossen Giovanni de Prato ganz reizend beschrieben finden:

"Francesco wurde angewiesen, auf seinem Organetto zu spielen, um zu sehen, ob der Gesang der Vögel mit seinem Spiel abnehmen oder zunehmen würde. Sobald er zu spielen begann, schwiegen viele Vögel zunächst, dann verdoppelten sie ihren Gesang, und seltsamerweise kam eine Nachtigall - und saß auf einem Ast über seinem Kopf".

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 12. Mai 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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